Doch keine LWS-Schmerzen durch „schlechte Haltung“?

Doch keine LWS-Schmerzen durch „schlechte Haltung“?
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Es ist eine weit verbreitete Meinung, dass Haltungsasymmetrien auf lange Sicht ein Risikofaktor für Rückenschmerzen sind, der durch bewusste Aneignung einer „guten Körperhaltung“ vermieden werden kann. Dass dies im Falle chronischer Beschwerden im unteren Rücken (low back pain/LBP) nicht zwingend der Fall sein muss, zeigt nun eine systematische Übersicht. Das indisch-britische Forschungsteam legte den Fokus seiner Untersuchung auf verschiedene statische Haltungsvariablen, um herauszufinden, welche davon lumbale Rückenschmerzen auslösen können und welche nicht (1).

Für die Metaanalyse wurden 36 Studien mit den Daten von insgesamt 3617 LBP-Patienten und 4323 beschwerdefreien Kontrollpersonen ausgewertet (Alter: jeweils 18 bis 85 Jahre). Die meisten Arbeiten waren Fallkontrollstudien, der Rest analytische Querschnittstudien. Ausgewählt wurden sie daraufhin, ob sie eine oder mehrere der folgenden vorab bestimmten lumbopelvinen Variablen berücksichtigten:

– Lendenlordose (lumbal lordosis/LL)

– Brustkyphose (thoracal kyphosis/TK)

– Beckeninzidenz (pelvic incidence/PI)

– Beckenkippung (pelvic tilt/PT)

– Sakralneigung (sacral slope/SS)

– Beinlängendifferenz (leg length difference/LLD)

Das Ergebnis: Nur die Beckenkippung (Relation der anterioren Beckenebene zur Vertikalen) war bei einem Großteil der LBP-Geplagten signifikant stärker ausgeprägt, während die Parameter Lendenlordose, Beckeninzidenz, Sakralneigung, Brustkyphose und Beinlängendifferenz keine signifikanten Auswirkungen bezüglich lumbaler Rückenschmerzen zu haben schienen. Geschlechtsspezifische Unterschiede statistischer Signifikanz ergaben sich ebenfalls nicht (wobei anzumerken ist, dass nicht alle inkludierten Arbeiten diesen Faktor berücksichtigten).

Fazit: Die Aussage, dass LBP von schlechter Körperhaltung herrührt, kann laut den Ergebnissen der vorliegenden Studie nicht uneingeschränkt unterschrieben werden. Lediglich der Parameter Beckenkippung hängt gering signifikant mit Schmerzen in der Lendenwirbelsäule zusammen. Da die analysierten Studien eine hohe Heterogenität aufwiesen, müssen die bisherigen Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden. Die Autoren fordern weitere Untersuchungen hoher Qualität mit einem klareren Fokus auf das Thema haltungsbedingte LBP. Sie schlagen außerdem vor, den Becken-Kreuzbein-Winkel zur genaueren Bestimmung der Lendenwirbelkrümmung heranzuziehen, um zu eruieren, wie sich eine stärkere Beckenkippung auf die Lendenlordose auswirkt. Auch eine nähere Betrachtung des lumbal relevanten Hüftbeugers und der Bauchmuskeln könnte ggf. hilfreich sein. Insgesamt ist festzuhalten, dass eine posturale Korrektur bei LBP ein wichtiger Behandlungsaspekt sein kann, der jedoch mit höchster Individualität angegangen werden muss.

■ Kura L

Quellen:

  1. Sugavanam T et al. Postural asymmetry in low back pain – a systematic review and meta-analysis of observational studies. Disabil Rehabil 2024; 21: 1-18. doi:10.1080/09638288.2024.2385070