Das optimale Vorgehen bei Stressfrakturen – der Sechs-Punkte-Plan

Das optimale Vorgehen bei Stressfrakturen – der Sechs-Punkte-Plan
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Bone Bruises (Knochenmarködeme) und Stressfrakturen sind bei Läufern am Schienbein und an den Mittelfußknochen häufige Überlastungsverletzungen. Beide verlangen für die Heilung eine Trainingspause und eine Reduktion der Belastung. Betroffene Athleten fragen sich und die behandelnden Ärzten, wie viel und welche Belastung erlaubt oder förderlich ist und wie (bald) wieder mit dem Lauftraining begonnen werden kann. Stuart Warden et al. haben das optimale Vorgehen zusammengefasst (1).

Der Sechs-Punkte-Plan

Die wichtigen Aspekte im Management von Stressverletzungen des Knochens sind:

1. Anpassung der Belastung

Beim Auftreten von Beschwerden und dem Nachweis einer Stressfraktur oder eines Bone Bruise muss die Belastung (deutlich) reduziert oder zeitweise komplett eingestellt werden. Die optimale Belastung bemisst sich vor allem an der Schwere der Verletzung und den Symptomen, weniger an zeitlichen Empfehlungen. Als Faustregel gilt: Jede Form der Bewegung muss während und direkt nach der Belastung sowie am folgenden Tag unbedingt schmerz- und beschwerdefrei sein. Treten Schmerzen auf, war die Belastung zu intensiv und muss in Dauer und/oder Intensität (weiter) reduziert werden. Zu Beginn steht die Symptomfreiheit beim Gehen und im Alltag im Vordergrunde, in schweren Fällen müssen Krücken verwendet werden. NSAR können zur Schmerzlinderung in Ruhe oder in der Nacht angewendet werden, aber nicht, um schmerzfrei gehen oder belasten zu können.

2. Ergänzende Therapien

Für keine der folgenden Methoden gibt es gute Evidenz, dass sie die Heilung beschleunigen würden. Da der Wunsch, „etwas zu tun“, bei Betroffenen allerdings groß ist, gelten sie als Möglichkeiten, die helfen könnten und gleichzeitig nicht schaden:

– Niedrig-intensiver gepulster Ultraschall (LIPUS) (weniger als 1,1 W/cm2) stimuliert mechanisch die knochenbildenden Osteoblasten. Präklinisch gab es Hinweise auf einen Nutzen bei Stressfrakturen, in Pilotstudien wurde jedoch kein Vorteil gefunden. Um einen relevanten Effekt zu erzielen, könnten mehrmalige Anwendungen pro Tag nötig sein.

– Bisphosphonate, die für die Behandlung von Osteoporose zugelassen sind und „off-label“ auch bei Stressfrakturen eingesetzt werden, können die Knochenheilung unterstützen. Eine Nutzen-Risiken-Abwägung muss erfolgen.

3. Fitness aufrechterhalten

Die Kondition kann über Herz-Kreislauf-intensive Low-impact Sportarten wie Radfahren, Schwimmen oder Aquajogging erreicht werden. HIIT und Ausdauereinheiten können integriert werden. Schmerzfreiheit ist das Wichtigste.

4. Verbesserung der Muskelfunktion

Die muskuläre Fitness (Kraft, Ausdauer etc.) sollte sowohl mit Blick auf die Funktionserhaltung als auch auf die Prävention weiterer Stressfrakturen gefördert werden. Denn die Anfälligkeit für Stressfrakturen scheint direkt mit kleinerer Muskelgröße und -kraft zusammenzuhängen. Zielführend sind Kräftigungsübungen, die die Muskeln nahe der Verletzungsstelle kräftigen. Bei Stressfrakturen im Schienbein und in den Mittelfußknochen sind das insbesondere die Plantarflexoren und die Fußmuskulatur. Zusätzlich sollte ein allgemeines Kräftigungstraining den Verlust von Muskelmasse begrenzen.

5. Wiederbeginn und Steigerung des Lauftrainings

Ist der Athlet seit mindestens fünf aufeinanderfolgenden Tagen im Alltag schmerzfrei, können nach und nach Sportarten wiederaufgenommen werden, die stärkere Druckbelastung auf die Knochen bringen, z. B. Crosstrainer oder Laufband. Es ist sicherer, den Umfang vor der Intensität zu steigern. Schmerzfreies Gehen und Wechsel zwischen Gehen und Laufen sind sinnvoll. Typischerweise werden in der Wiederaufnahmephase zusätzliche 4000 bis 7000 Belastungsreize (z. B. Schritte) über den Tag verteilt ergänzt. Schrittzähler können dabei unterstützen.

6. Verminderung des Risikos weiterer Stressfrakturen

Eine vorangegangene Stressfraktur ist ein Risikofaktor für weitere Bone Bruises. Bei betroffenen Läuferinnen etwa ist das Risiko um das Sechsfache erhöht. Weitere Risikofaktoren bei Frauen sind ein BMI < 19 kg/m2, ein Alter von > 15 Jahren bei der ersten Regelblutung sowie Tanzsport oder Gymnastik in der Vergangenheit. Auf adäquate Ernährung mit ausreichender Energiezufuhr und die Abklärung des hormonellen Status sollte geachtet werden. Bei Männern haben neben ehemaligen Bone-bruise-Patienten nur diejenigen ein erhöhtes Risiko, die keine(!) Ballsportart spielen.

Um die Knochenstruktur langfristig zu verbessern, eignet sich ein Training, das Sprünge integriert. Die Belastung sollte progressiv gesteigert, das Training mehrmals täglich und mindestens dreimal wöchentlich durchgeführt werden. Der Umfang des Lauftrainings muss gegebenenfalls reduziert werden, um den Umfang nicht zu stark zu steigern und keine weitere Verletzungen zu riskieren. Detailliertere Empfehlungen zur Trainingsgestaltung bei Stressfrakturen finden sich in (1).

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Warden SJ, Edwards WB, Willy RW. Optimal Load for Managing Low-Risk Tibial and Metatarsal Bone Stress Injuries in Runners: The Science Behind the Clinical Reasoning. J Orthop Sports Phys Ther. 2021; 51: 322-330. doi:10.2519/jospt.2021.9982