COVID-19 und das muskuloskelettale System
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Als Multiorganerkrankung betrifft COVID-19 auch den Bewegungsapparat, genauer: das muskuloskelettale System. Für Sportler ist das eine weitere große Hürde, die es nach ausgestandener Erkrankung in der Rehabilitation zu nehmen gilt. Auf was während der Behandlung und in der Genesungszeit besonders geachtet werden muss, haben jetzt zwei aktuelle Studien beleuchtet.
Neuromuskuläre und muskuloskelettale Manifestationen
Die inflammatorische Response infolge einer SARS-CoV-2-Infektion kann sich – neben den bekannten respiratorischen Symptomen – auch in Form von Myalgien, Arthralgien, Myopathien und Neuropathien äußern. Verschiedene Studien nennen hier – je nach Schwere der Erkrankung und primärem Studienziel – Prävalenzen zwischen 15 bis über 60 Prozent. Unter den neuromuskulären Manifestationen schwerst symptomatischer Patienten betrifft die erworbene Muskelschwäche (Intensive care unit acquired weakness, ICUAW) inklusive ihrer begleitenden Polyneuro- und Myopathien (CIP/CIM) den Atemwegstrakt ebenso wie den Bewegungsapparat.
Ein großer Teil der ICUAW-Fälle lässt sich auf die notwendige hochinvasive Therapie (Sedierung, Beatmung, perenterale Ernährung) zurückführen. Zusätzlich schädigen systemische Entzündungsfaktoren (Zytokine, Stickoxide und Sauerstoffradikale) z. B. die Gefäße, wovon auch die Versorgung der Bewegungsmuskeln betroffen ist. Angesichts vieler primär überlebenswichtiger Behandlungsentscheidungen tritt das Augenmerk auf dieses diffuse Beschwerdebild oft in den Hintergrund, obwohl eine zeitnahe Diagnose und Intervention für gute funktionale Langfrist-Outcomes essenziell ist. (2)
Das richtet SARS-CoV-2 in Muskeln und Knochen an
Glücklicherweise ist nicht jeder COVID-Fall intensivpflichtig. Trotzdem können selbst milde Infektionsverläufe langwierige Schäden im neuromuskulären und muskuloskelettalen System hinterlassen. Hier ist v. a. die „Kaperung“ des ACE2-Rezeptors in Muskulatur, Synovial- und Knorpelgewebe durch das SARS-CoV-2-Virus zu Replikationszwecken zu nennen, wodurch die entzündungshemmende Funktion von ACE2 gebremst wird; Gelenkentzündungen, Tendinopathien und Knochenabbau können die Folge sein. Darüber hinaus triggert zelluläre Hypoxie die Überproduktion von Entzündungszytokinen, was in einer Aktivierung von Osteoklasten und damit Blockade der Osteogenese resultieren kann, sowie in der verstärkten Produktion gewisser Signalmoleküle. Sie induzieren die Proteolyse von Skelettmuskelfasern bei gleichzeitiger Verringerung der Proteinsynthese, aktivieren die Muskelfibroblasten und hemmen die Vermehrung und Differenzierung von Satellitenzellen – alles Vorgänge, die am Wachstum und Erhalt von Muskelfasern beteiligt sind. Auch Anzeichen entzündlicher reaktiver Arthritis wurden bei COVID-19-Patienten beobachtet.(2)
Therapie und Rehabilitation
Das therapeutische Regime nach schwerer COVID-Infektion basiert auf kürzestmöglicher Immobilisation und schnellstmöglicher Mobilisierung der Patienten. Je nach Bewusstseinszustand kann unter aktiver Mitwirkung der Erkrankten physiotherapeutisch interveniert oder passiv stimuliert werden (inkl. Elektrostimulation). Nach der Entlassung aus der Klinik sollte dann so bald wie möglich ein auf den Gesamtzustand des Genesenden angepasstes Training gestartet werden. Leicht bis mittelschwer Erkrankte können der Muskelatrophie etwa mit moderatem aerobem oder Widerstandstraining, Yoga oder Tai Chi begegnen. Vibrationstraining und externe elektrische Muskelstimulation kommen sogar für schwere COVID-Fälle in Frage. Insgesamt ist Bewegung eine essenzielle Säule in der Behandlung und Rehabilitation von COVID-19. Sie beeinflusst nicht nur entscheidend die Wiederherstellung von Lungenfunktion und Muskelkraft, sondern korrigiert auch das Zytokin-Ungleichgewicht, reduziert intra- und extrazellulären oxidativen Stress und reguliert die Homöostase der Darmflora. (1)
Cortison & Co. bei COVID-19?
Im medikamentösen Bereich muss wegen der potenziell muskelabbauenden Wirkung von Kortikosteroiden sehr gut abgewogen werden, ob diese während einer COVID-19-Infektion bei entzündlichen Manifestationen des muskuloskelettalen Systems (niedrig dosiert) verabreicht werden oder nicht. Mindestens ebenso große Vorsicht ist bei der Offlabel-Therapie mit Medikamenten wie Hydroxychloroquin, Lopinavir oder Interferon geboten, die in Studien selten mit Fällen von Arthralgien, Myalgien, (Neuro)Myopathien und sogar Osteonekrosen einhergehen. Vielversprechend ist derzeit Tocilizumab, ein monoklonaler Antikörper gegen das mutmaßliche Schlüsselzytokin IL-6. NSAR, Paracetamol und niedrig dosierte Opioide bergen diese Risiken nicht und sind nach derzeitiger Studienlage zum Management von Schmerzen des Bewegungsapparats geeignet. Weitere Studien werden die Sicherheit und Wirksamkeit diverser Therapieansätze untersuchen müssen. (2)
■ Kura L
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Quellen:
Bo W, Xi Y, Tian Z. The role of exercise in rehabilitation of discharged COVID-19 patients. Sports Med Health Sci. 2021 Sep 14 [Epub ahead of print]. doi:10.1016/j.smhs.2021.09.001
Hasan LK, Deadwiler B, Haratian A, Bolia IK, Weber AE, Petrigliano FA. Effects of COVID-19 on the Musculoskeletal System: Clinician's Guide. Orthop Res Rev. 2021; 13: 141-150. doi:10.2147/ORR.S321884