Verringert regelmäßige körperliche Aktivität generell den Grundumsatz? Argumente gegen einen vermeintlichen Paradigmenwechsel

Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Beitrags (Kurzbeitrag) aus der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin (DZSM) mit Link zum englischsprachigen Originalartikel und Downloadmöglichkeit als PDF.

Verringert regelmäßige körperliche Aktivität generell den Grundumsatz? Argumente gegen einen vermeintlichen Paradigmenwechsel
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Inhalt

Die Veröffentlichung “ Energy compensation and adiposity in humans“ von Careau et al. in der Zeitschrift Current Biology (Curr Biol. 2021; 31: 4659-4666.e2) wurde analysiert. Die Autoren haben Messungen des Gesamtenergieumsatzes (TEE), Grundumsatzes (BEE) und Aktivitätsumsatzes (AEE) aus einer großen Datensammlung (Speakman et al.: Ann Nutr Metab. 2019; 75: 114-118) ausgewertet. Basierend auf einer insgesamt negativen Korrelation zwischen BEE und AEE in einer heterogenen (Geschlecht, Alter, AEE) Personengruppe schlussfolgern sie, dass intensive körperliche Aktivität allgemein den BEE verringert und deswegen keine Gewichtsabnahme verursacht (Konzept der Energiekompensation). Hinweise auf solche Effekte wurden in früheren Untersuchungen nach mehrwöchigem Training bei vorher untrainierten Personen gefunden. Aber ist das Konzept auch gültig für Querschnittsuntersuchungen und für regelmäßig trainierende Sportler?

Fragen und Kommentare

1. Die Autoren vergleichen Messungen von TEE über mehrere Tage mit Einzelmessungen von BEE am Morgen. Letztere erfasst weder circadiane Schwankungen noch zusätzliche Einflüsse (z. B. Nahrungsaufnahme, längerdauernde Umsatzerhöhung nach Arbeit).

2. Schlanke oder kleine Menschen mit entsprechend niedrigem BEE sind oft körperlich aktiver als große und/oder dicke Menschen.

3. In figure 2 in Careaus Veröffentlichung sind einige AEE-Werte nicht größer oder sogar niedriger als die zugehörigen BEE. Dies scheint Unsinn zu sein, aber es mag durch das Berechnungsverfahren verursacht oder sogar real sein. Beim Abwärtsgehen nehmen die abbremsenden Muskeln Energie auf, die elastisch oder vielleicht sogar zur Resynthese von ATP genutzt wird.

4. Careau et al. zeigen Energieverbräuche pro Person. BEE und AEE müssen aber auch für kg Körpermasse berechnet werden, wenn verschiedene Personen verglichen werden. Careau et al. behaupten, dass das Artefakte verursacht, aber andere Autoren gehen so vor. Herman Pontzer kommt in einer früheren Veröffentlichung (Hunter-gatherer energetics and human obesity. PLoS One. 2012; 7: e40503) zu denselben Schlüssen wie Careau et al., seine Mittelwerte erlauben den Vergleich zwischen kcal/Person und kcal/kg. Er findet keine Zunahme von kcal/Person bei leichten körperlich aktiven Menschen im Vergleich mit schweren wenig aktiven Nordamerikanern. Aber kcal/kg sind bei ersteren deutlich mehr!

5. BEE ist das nötige Umsatzminimum in Körperruhe. Er kann nach wochenlangem hartem Training von vorher nicht körperlich Aktiven eine Weile gesenkt sein. Bei Sportlern ist BEE aber im Vergleich dazu meist erhöht.

6. Viele Ausdauersportler sind trotz hoher Nahrungsaufnahme schlank wegen ihres großen Energiebedarfs. Der Umsatz kann doppelt so hoch wie in Careaus Studie werden. Diese Personengruppen wurden aber aus der Studie ausgeschlossen.

Schlussfolgerungen

Die Hypothese einer grundsätzlichen Verringerung von BEE nach intensiver Belastung wird durch Careaus Artikel nicht bewiesen. Eine Verringerung der Körpermasse durch Training hängt vor allem vom Energieverbrauch durch Arbeit und der Energieaufnahme durch Essen ab. Für hart trainierende, die in Careaus Analyse ausgeschlossen waren, erlauben Regeneration und das Auffüllen der Energiespeicher vermutlich keine Energiekompensation.

Schlussfolgerungen für die Praxis

1. Die Energiekompensation spielt bei Sportlern keine wesentliche Rolle. Ausreichende Energiezufuhr ist unverzichtbar.

2. Sondereffekte wie Gewichtmachen bei Ringern oder dauerhaft unzureichende Kalorienzufuhr bei manchen Sportarten können Schädigungen verursachen.

■ Böning D, Steinacker JM

Siehe auch Addendum zum Artikel, veröffentlicht in DZSM-Ausgabe 7/2023:
Böning D, Steinacker JM. Addendum: Does regular physical activity generally reduce basal energy expenditure? Arguments against an alleged paradigm change. A short report. Dtsch Z Sportmed. 2023; 74: 248-248. doi:10.5960/dzsm.2023.582 | published online: November 2023

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