Sport bei adoleszenter idiopathischer Skoliose
Jugendliche, die wegen einer idiopathischen Skoliose mit Cobb-Winkeln von mehr als 20° ein Korsett tragen müssen, wurden in der Vergangenheit unnötig oft zu einem bewegungsarmen Leben verpflichtet. Denn obwohl Sport die gesundheitsbezogene Lebensqualität Heranwachsender nachweislich verbessert und deshalb in den Leitlinien der Society on Scoliosis Orthopaedic and Rehabilitation Treatment (SOSORT) klar empfohlen wird, sehen manche behandelnde Ärzte Risiken: Sie fürchten, dass ein Ablegen der Orthese während des Trainings negative Folgen für die Stabilität haben beziehungsweise Bewegung im fixierenden Korsett Verletzungsrisiken bergen könnte. Eine italienische retrospektive Beobachtungsstudie konnte diese Bedenken nun zumindest für die Risser-Stadien 0 bis II entkräften (1).
Die 785 inkludierten Patienten (Durchschnittsalter 12,7 ± 1,3 Jahre, 693 weiblich) trugen aufgrund einer idiopathischen Skoliose im Risser-Stadium 0 bis II täglich mehr als 20 Stunden eine thorako-lumbosakrale Orthese des sog. SPoRT-[sic!]-Typs. Diese übt zusätzlich zur notwendigen Stabilisierung eine Dehnungswirkung nach oben und unten auf die noch wachsende Wirbelsäule aus. Außerdem erhielten die Probanden bei jeder halbjährlichen Konsultation eine Verordnung für mehr als 90 Wochenminuten spezifischer Physiotherapie. Der Skoliosegrad an der Baseline wurde durch frontale Röntgenbilder festgehalten. Geröntgt wurde auch an den beiden Nachkontrollterminen, um eine potenzielle Veränderung des Cobb-Winkels messen zu können. Der Gesamt-Beobachtungszeitraum betrug 18 Monate; Zwischenergebnisse wurden alle sechs Monate erhoben. In die Sport-Gruppe (n=290) fielen Jugendliche, die angaben, den empfohlenen außerschulischen Sport regelmäßig mindestens zweimal wöchentlich für insgesamt mehr 90 Minuten ausgeübt zu haben. Die Kontrollgruppe (n=495) hatte zusätzlich zum in Italien regulären Schulsport nur höchstens einmal pro Woche, sehr unregelmäßig oder mit langen Pausen Sport. Ob sie dabei ihre Orthese tragen wollten oder nicht, konnten die Teilnehmer individuell entscheiden.
Zu Studienbeginn fanden sich bei keiner der relevanten Variablen (Geschlecht, Alter, Cobb-Winkel, Risser-Zeichen, Rumpfrotationswinkel, Skoliosediagnose, Physiotherapie) Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Als signifikante Verbesserung wurde eine Verringerung des Cobb-Winkels um mehr als 5° definiert.
Ergebnis: Nach 18 Monaten hatte die aktive Gruppe eine um 59 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, einen um mindestens 5° geringeren Cobb-Winkel zu haben. Nach Bereinigung statistischer Unschärfen war klar, dass ein größerer Ausgangs-Rumpfrotationswinkel die Wahrscheinlichkeit für eine Verbesserung senkte. Am meisten profitierten Jugendliche, die mit höherer Frequenz trainierten – sie konnten ihr gesundheitliches Ergebnis um bis zu 20 Prozent steigern.
Fazit: Bei Heranwachsenden mit mäßig schwerer idiopathischer Skoliose (Risser-Stadien 0 bis II) und Vollzeit-Korsett verbessert regelmäßiger Sport nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Skoliose selbst signifikant, ohne dabei ein Risiko darzustellen. Weitere prospektive Interventionsstudien sollten klären, ob dies auch für schwerere Skoliosestadien gilt und welche Effekte einzelne Sportarten haben.
■ Kura L
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Quellen:
Negrini A, Poggio M, Donzelli S et al. Sport improved medium-term results in a prospective cohort of 785 adolescents with idiopathic scoliosis braced full time. SOSORT 2018 award winner. Eur Spine J. 2022; 31: 2994–2999. doi:10.1007/s00586-022-07370-0