Reifegradunterschiede im Jugendsport objektivieren

Reifegradunterschiede im Jugendsport objektivieren
© LIGHTFIELD STUDIOS / Adobe Stock

Fairness ist im Wettkampfsport das A und O. Deswegen ist Doping verboten und er gibt, wo zur Bewahrung fairer Voraussetzungen nötig, Gewichtsklassen oder getrenntgeschlechtliche Wettbewerbe. Bei Jugendsportwettbewerben nutzt man Altersklassen zur Vergleichbarkeit. Doch besonders hier können Reifegradunterschiede der Jugendlichen innerhalb einer Altersklasse die Leistungen teils maßgeblich beeinflussen. Eine aktuelle Studie hat deshalb ein Instrument erprobt, mit dem der Reifegrad junger Athletinnen objektiviert werden kann. (2)

Gleich alt ist nicht gleich reif

Dass Jugendliche im selben Alter oft verschieden reif sind, ist nicht neu. Das Problem für den leistungsorientierten Jugendsport liegt darin, dass Reife nicht linear verläuft und sich kurzfristige Reifungshöchstgeschwindigkeiten einstellen können (Peak Height Velocities, PHV). Bei Mädchen liegt dieser Zeitraum, in dem z. B. die Körperlänge mit 6 bis 10,5 cm pro Jahr zunimmt, zwischen 11,5 und 12 Jahren, kann aber auch schon mit 11 oder erst mit 14 Jahren beginnen. Dass Kraft, Körperlänge und Muskelmasse beim Längenwachstum zunehmen, gilt für Mädchen und Jungen gleichermaßen. Doch insbesondere Mädchen verändern sich in dieser Wachstumsphase massiv: Hüft- und Brustumfang sowie Fettgewebsanteile nehmen zu und beeinträchtigen Sportleistungen zunächst um bis zu 20 Prozent (2).

Der Mat-CAPs als Korrektiv für Reifegrade

Um solche Unterschiede besser zu berücksichtigen, hat ein Forschungsteam die sogenannte Maturity-based Corrective Adjustment Procedure (Mat-CAPs) an 663 Jugendschwimmerinnen im Alter von 10 bis 15 Jahren getestet. Auf Basis früherer Arbeiten, die PHVs modellieren und den Reifestatus schätzen, sowie physiologischer Daten (Sitzhöhe, Standhöhe, Masse) wurden die Mädchen in frühreif, normalreif und spätreif eingeteilt. Das Ergebnis: Die Kategorie konnte die Wettbewerbsleistung signifikant vorhersagen (p < 0.001). Es stellte sich heraus, dass frühreife Athletinnen einen Wettbewerbsvorteil in jungen Altersgruppen um etwa 11,7 Jahre hatten (± 0,49), spätreife Athletinnen wiederum waren um 12,2 Jahre herum (± 0,46 Jahre) im Vorteil. Weil die Muskelkraft zunimmt, bevor Hüft- oder Brustumfang nachziehen, sind frühreife Mädchen ihren normalreifen Altersgenossinnen in der Performance voraus – und zwar gewaltig. Eine frühreife 12-jährige Schwimmerin war 32-mal (!) wahrscheinlicher in den Top 25 Prozent ihrer Altersklasse, im Vergleich zu normalreifen Schwimmerinnen.

Sobald aber ab etwa 13 Jahren die Pubertät allmählich bei allen früh- und normalreifen Athletinnen eingesetzt hat, waren plötzlich spätreife Schwimmerinnen im Vorteil. Der Kraftunterschied wird durch die biomechanisch nachteiligen Veränderungen ihrer Altersgenossinnen ausgeglichen. Um diese Unterschiede zu objektivieren, wurden die Daten zum Reifegrad der Athletinnen erneut mit dem Mat-CAPs verrechnet. Und tatsächlich konnte nun keine Performance-Reifegrad-Korrelation mehr abgeleitet werden; Alter und Reife konnten erfolgreich objektiviert werden. Allerdings funktionierte die Methode besser für jüngere Altersgruppen bis zu 13 Jahren.

Reifegradunterschiede im Individual- und Teamsport

Da Fairness so zentral für die Sinnhaftigkeit von Sportwettbewerben ist, ist es denkbar, dass Methoden zur immer besseren Vergleichbarkeit von Leistungen eingesetzt werden könnten. Bei diesen Betrachtungen ist zu berücksichtigen, in welchen Sportarten die zeitweisen Reifeunterschiede zu massiven Nachteilen führen könnten (z. B. durch nicht ausreichende Leistungen für eine Kaderzugehörigkeit). Die Arbeitsgruppe (2) hat Jugendschwimmen als Anwendungsbeispiel gewählt, weil im Wasser sich Unterschiede in der Statur und Kraftwerten besonders deutlich auswirken. Grundsätzlich sind Individualsportarten für Reifegradunterschiede anfälliger als Teamsportarten. Ob Mat-CAPs vor allem bei Mädchen aufgrund der umfassenden körperlichen Veränderungen in der Pubertät sinnvoll sind, oder ob auch Jungen im gleichen Maße davon profitieren, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich funktionieren sie auch bei Jungen (1).

■ Hutterer C

Quellen:

  1. Abbott S, Hogan C, Castiglioni MT, Yamauchi G, Mitchell LJG, Salter J, Romann M, Cobley S. Maturity-related developmental inequalities in age-group swimming: The testing of 'Mat-CAPs' for their removal. J Sci Med Sport. 2021; 24: 397-404. doi:10.1016/j.jsams.2020.10.003

  2. Hogan C, Abbott S, Halaki M, Torres Castiglioni M, Yamauchi G, Mitchell L, Salter J, Romann M, Cobley S. Maturation-based Corrective Adjustment Procedures (Mat-CAPs) in youth swimming: Evidence for restricted age-group application in females. PLoS One. 2022; 17: e0275797. doi:10.1371/journal.pone.0275797