DZSM-MITTEILUNG

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Fortsetzung Sport in Zeiten von Corona

Herzkreislaufsystem und COVID-19

Aber nicht nur das Immunsystem ist wichtig, um eine Infektion zu überstehen. Herz, Gefäße und Lunge werden dabei in hohem oder höchstem Maß belastet, daher sind Patienten mit Vorerkrankungen dieser Organsysteme besonders gefährdet. Auch wenn eine definitive Erklärung hierfür noch aussteht, so ist doch der arteriellen Hypertonie, Typ-2-Diabetes mellitus und der Herzinsuffizienz gemeinsam, dass sie alle zu einer Versteifung oder Funktionsstörung des linken Ventrikels führen (diastolische Dysfunktion, Heart Failure with preserved oder reduced ejection fraction). Sowohl die diastolische wie auch die systolische Funktionseinschränkung der linken Herzkammer begünstigen einen Rückstau des Blutes in den Lungenkreislauf. Dieses ist besonders bei Fieber und Tachykardie in noch größerem Maße gegeben. Jemand, der als kardiopulmonaler Patient bereits an seinem Limit ist und nur geringe Kompensationskapazität durch Adaptation der Peripherie wie erhöhte Kapazität der oxidativen Muskelenzyme hat, ist sicherlich deutlich stärker gefährdet, eine pulmonale Infektion, ob durch Influenza- oder SARS-CoV-2-Viren, nicht zu tolerieren.

Menschen mit guter kardiopulmonaler Fitness haben somit einen Vorteil, der vom Alter in gewisser Weise unabhängig ist. Natürlich nimmt mit dem Alter die Steifigkeit des Herzens zu und die Funktion der Muskulatur ab, so dass das Alter einen zentralen Risikofaktor für die schlechte Prognose von COVID-19-Patienten darstellt. Es steht aber außer Frage, dass körperliches Training gerade das Herzkreislaufsystem leistungsfähig erhält und die Belüftung der Lunge fördert. Dadurch wird auch die Durchblutung durch den Euler-Liljestrand-Reflex verbessert und die Immunkompetenz gesteigert – Kapazitäten, die zur erfolgreichen Bewältigung einer COVID-19-Infektion von wesentlicher Bedeutung sind, gerade für untrainierte und alte Menschen.

Körperliche Leistungsfähigkeit ist wichtig zum Überstehen schwerer Infektionserkrankungen

Während zum Beispiel das Alter als Risikofaktor nicht beeinflussbar ist, ist nicht nur die medikamentöse Behandlung klassischer Risikofaktoren wichtig, um die Mortalität zu senken, sondern es kommt auf die Funktionsfähigkeit von Organsystemen an. Die Rolle von körperlicher Fitness als Prädiktor der Mortalität bei schweren Erkrankungen ist in den letzten Jahren wissenschaftlich und klinisch immer mehr in den Vordergrund gerückt. Die Muskelmasse nimmt bei längerem Liegen etwa 20 Prozent pro Woche ab: Menschen mit wenig Muskelmasse und schlechter Funktion sind besonders gefährdet.

Wenn es bei COVID-19 zu einer Viruspneumonie kommt, ist diese nicht nur lobär, sondern betrifft meist alle Lungenlappen und es kommt überwiegend zu einer deutlich erhöhten Lungensteifigkeit und damit erhöhter Atemarbeit. Neue Befunde zeigen, dass als primäre Maßnahmen bei COVID-19-Pneumonie die nichtinvasive Unterstützung der Atmung mit klassischem Continuous Positive Airway Pressure (CPAP) die größte Menge an mittlerem Atemwegsdruck generieren und damit die effektivste Rekrutierung von Lungenabschnitten bieten kann. Dabei sind Atemdrücke bis 18 cm H2O notwendig, was entsprechend eine große Anstrengung für die Atemmuskulatur bedeutet. Die italienischen Erfahrungen zeigen: Wenn eine Intubation vermieden werden kann (und vielleicht sogar zu Hause CPAP möglich ist), verbessert die Prognose. Wenn die bis zu dreifache Umsatzsteigerung durch die Infektion und die erhöhte Atemarbeit in die Nähe der maximalen Leistungsfähigkeit geraten, kommt es zum metabolischen Versagen. Dass die Leistungsfähigkeit und das Tolerieren von CPAP eine besondere Bedeutung haben, wenn es zu einer Knappheit an Beatmungsplätzen kommt, folgt unmittelbar daraus.

Empfehlungen zu körperlichem Training

– Tägliche mehrmalige Atemübungen mit tiefem Ein- und Ausatmen, um die Lunge zu belüften.

– Tägliche Übungen zu Hause mit Ausdauer-, Kraft- und Koordinationsübungen
(z. B. 7-Minuten-Workout: https://www.sport.mri.tum.de).

– Tägliche körperliche und sportliche Aktivität mit moderater Intensität
Anregungen unter https://twitter.com/SportmedizinU

– Trainierte sollten das Programm wie bisher durchführen.

– Keine zusätzliche körperliche Aktivität bei vorliegenden Krankheitssymptomen, da hier zusätzlicher Stress auf das Immunsystem und das kardiopulmonale System entsteht.

– Dem Körper nach dem Training Regenerationsphasen geben, in denen der Trainingsreiz zur Anpassung genutzt werden kann und sich das Immunsystem „erholt“. Man sollte körperlich aktiv bleiben oder aktiver werden, ohne den Körper zu überlasten.

– Auf Regeln ist zu achten: Abstandhalten von mehreren Metern zwischen Sporttreibenden, Vermeiden von Sport in Räumen außer im eigenen Fitness-Studio zu Hause, Möglichst keine Berührungen von Parkbänken oder Kinderspielplätzen, regelmäßiges Händewaschen oder Händedesinfektion sowie gegebenenfalls das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken.

■ Bloch W, Halle M, Steinacker JM

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Quellen:

  1. ALHAZZANI W, et al. Surviving Sepsis Campaign: Guidelines on the Management of Critically Ill Adults with Coronavirus Disease 2019 (COVID-19); 2020. https://www.esicm.org/wp-content/uploads/2020/03/SSC-COVID19-GUIDELINES.pdf [24th March 2020].

  2. AUSTRALIAN AND NEW ZEALAND INTENSIVE CARE SOCIETY (ANZIS). COVID-19 Guidelines. Version 1; 2020. https://www.anzics.com.au/wp-content/uploads/2020/03/ANZICS-COVID-19-Guidelines-Version-1.pdf [24th March 2020].

  3. INTERNET BOOK OF CRITICAL CARE (IBCC). COVID-19. https://emcrit.org/ibcc/covid19/ [24th March 2020].

  4. NACOTI M, CIOCCA A, GIUPPONI A, BRAMBILLASCA P, LUSSANA F, PISANO M, GOISIS G, BONACINA D, FAZZI F, NASPRO R, LONGHI L, CEREDA M, MONTAGUTI C. At the Epicenter of the Covid-19 Pandemic and Humanitarian Crises in Italy: Changing Perspectives on Preparation and Mitigation; 2020. https://catalyst.nejm.org/doi/abs/10.1056/CAT.20.0080 Pub. March 21, 2020 [24th March 2020].

  5. Zheng YY, Ma YT, Zhang JY, Xie X. COVID-19 and the cardiovascular system. Nat Rev Cardiol. 2020 [Epub ahead of print]. doi:10.1038/s41569-020-0360-5