Olympische und paralympische Spiele Paris 2024 – eine Chance für den (Leistungs-)Sport
Die beiden letzten Olympischen und Paralympischen Spiele waren in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich und aus medizinischer und sportmedizinischer Sicht von besonderen Herausforderungen geprägt. Die Covid 19-Pandemie hat in den Jahren 2020 – 2023 das öffentliche Leben und den Sport in weiten Bereichen dominiert und natürlich auch den Leistungssport nachhaltig beeinflusst.
Im April 2023 erklärte der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Pandemie in Deutschland für beendet. Dennoch sind deren Auswirkungen in Medizin und Sport in Deutschland in unterschiedlicher Ausprägung bis heute wahrnehmbar – unter anderem eine reduzierte Sportaktivität in Vereinen, Bewegungsmangel und die Zunahme mentaler Gesundheitsprobleme vor allem im Kindes- und Jugendalter. Neben dem Leistungssport war initial insbesondere der Breitensport durch die Pandemie-bedingten Restriktionen massiv beeinträchtigt. Das allgemeine Sporttreiben war durch Sportstättenschließungen, Kontaktverbote und Quarantäne-Maßnahmen hochgradig eingeschränkt. Für den organisierten Sport bedeutete dies einen deutlichen Rückgang an Vereinsmitgliedschaften und einen deutlichen Rückgang der körperlichen Aktivität – insbesondere auch im Bereich der Kinder und Jugendlichen – mit negativen Auswirkungen auf die körperliche Fitness und die Adipositas-Prävalenz in dieser Altersgruppe.
In Bezug auf den Leistungssport und insbesondere die sportlichen Großveranstaltungen resultierten aus den Maßnahmen, welche ergriffen wurden, um Wettkämpfe unter aufwändigsten Hygienevorgaben dennoch vorbereiten und durchführen zu können, zum Teil skurrile Szenarien. Von aufwändigen PCR-Testungen mit zum Teil täglichen Testdurchführungen während der Veranstaltungen bis hin zu umfänglichen Hygienemaßnahmen mit weitreichender Maskenpflicht und dem kompletten Ausschluss von Publikum fanden die Olympische wie Paralympischen Spiele in Tokyo und in Peking unter Rahmenbedingungen statt, die mit der Philosophie von unbeschwerten Sportveranstaltungen und umfänglichen sportlichem wie kulturellem Austausch zwischen den beteiligten Nationen nichts mehr zu tun hatte. Im Nachgang betrachtet war es dennoch wichtig diese Veranstaltungen umzusetzen, um ein Zeichen zu setzen, dass trotz oder gerade wegen der Pandemie der Sport und auch der Spitzensport eine wichtige Funktion, Signalwirkung und Vorreiterrolle für die Gesellschaft hat.
Erfreulicherweise stehen nun mit Paris 2024 wieder Spiele bevor, welche unter ganz anderen Vorzeichen stattfinden können und denen somit zu Recht sehr viele Menschen mit großer Vorfreude entgegensehen.
Neben den Sportlern sind es zahlreiche Journalisten, Sportinteressierte, Fans, Familien und ehrenamtlich tätige Betreuer vor Ort, die sich auf Spiele unter ungezwungenen und freien Voraussetzungen im anstehenden Sommer in Paris freuen dürfen. Das französische Organisationskomitee lässt keinen Zweifel aufkommen, dass die Stadt, die Sportstätten und die Menschen perfekt vorbereitet sind, um herausragende, professionelle und fröhliche Spiele auszurichten. Für uns als „Team D“ gestaltet sich insbesondere die Organisation im Vorfeld und auch die Logistik vor Ort wesentlich einfacher, von der kurzen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln umsetzbaren Anreise angefangen über unkomplizierte Einfuhrregularien bis hin zur fehlenden Sprachbarriere und europäischen Standards bei der Geräte- und Medikamentenausstattung.
Wirft man einen genaueren Blick auf Athleten mit Behinderungen steht noch ein kleines Fragezeichen hinter der Barrierefreiheit, insbesondere was den Transport angeht, da beispielsweise eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit Gepäck für 3 Wochen und mehreren Rollstühlen pro Athlet wenig realistisch erscheint und Parkplätze vor Ort kaum vorhanden sind. Sehr positiv hervorzuheben ist allerdings im Hinblick auf die Paralympics, dass auch in Paris olympische und paralympische Spiele immer weiter zusammenwachsen sollen. So laufen die Vorbereitungen der Organisationskomitees Hand in Hand und das erste Mal in der Geschichte der olympischen und paralympischen Spiele wird sogar das Maskottchen der beiden Spiele im Grunddesign identisch sein. Es trägt den Namen „Phryge“ in Anlehnung an die traditionelle phrygische Mütze und steht für Freiheit. Olympische Phryge und paralympische Phryge ergänzen sich gegenseitig und das gemeinsame Motto lautet: „Alleine ist man schneller, gemeinsam kommt man weiter“, was die Art und Weise symbolisiert, wie die Maskottchen und die Menschen der Welt sich gegenseitig verbessern können, indem sie zusammenarbeiten.
Aus sportmedizinischer Sicht wird als wichtigstes potentielles Gesundheitsrisiko in Bezug auf Paris eine mögliche Hitzewelle diskutiert. Eine aktuelle Studie zeigt Paris unter 854 Städten als Stadt mit der höchsten Übersterblichkeit durch Hitze (3).
Entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen wurden daher in den vergangenen Monaten umfangreich diskutiert und in die Wege geleitet. Für paralympische Athleten, bei denen die Hitzetoleranz deutlich reduziert sein kann gilt dies in besonderem Maße (1, 2), auch wenn das Klima Ende August/Anfang September bereits wieder milder zu erwarten ist als im Juli. In jedem Fall sind Hitzemanagementstrategien individuell gut zu planen und im Vorfeld auszutesten, um Gesundheitsrisiken zu minimieren und die individuell bestmöglichen Leistungen abrufen zu können.
Nach einem Beschluss des IOC Executive Boards wurden im November 2021 auf der Basis der Erfahrungen aus den durch die COVID-19-Pandemie geprägten Spielen in Tokyo erstmalig für die Olympischen und Paralympischen Spiele in Peking 2022 die Position sogenannter „Welfare Officers“ eingeführt. Da sich diese Position bewährt hat, wurde unabhängig von der Pandemie auch für die bevorstehenden Spiele diese Position zur Verfügung gestellt und ihre Bedeutung noch gestärkt. Die Delegationen der einzelnen Nationen bekommen die Möglichkeit entsprechend ihrer Delegationsgröße, 1-3 Personen mit einer Ausbildung in mentaler Gesundheit und Safeguarding zu akkreditieren, um Athleten und Betreuer bei psychischen Problemen zu unterstützen und Hilfestellungen für die mentalen Belastungen während der Spiele zu leisten. Damit wird auch die Stigmatisierung von psychischen Gesundheitsproblemen zunehmend reduziert und die Hürde, sich diesbezüglich Hilfe zu suchen wird gesenkt. Man darf gespannt sein, wie häufig diese Akkreditierung genutzt und wie oft die entsprechenden Personen konsultiert werden.
Die Paralympischen und Olympischen Spiele in Paris im Jahr 2024 bieten zusammengefasst eine große Chance, Olympische und Paralympische Spiele wieder einem breiten Publikum nahezubringen und mit bunten und faszinierenden Bildern den Sommer-Sport in seiner ganzen Bandbreite darzustellen und damit Motivation und Werbung für das Sportreiben nicht nur im Hochleistungsbereich, sondern bestenfalls auch im Bereich des Breiten- und insbesondere des Nachwuchssports zu schaffen. Auf Deutschland bezogen wünschen wir uns, dass durch die Großveranstaltungen dieses Sommers auch das Interesse und die Motivation solche Großveranstaltungen in Deutschland durchzuführen steigt.
Um die dringend notwendigen Bemühungen in Bezug auf die Prävention durch körperliche Aktivität in allen Sportarten, Leistungsklassen und Altersgruppen zukünftig maximal unterstützen zu können, wäre auch eine Olympiabewerbung für Deutschland von großem Nutzen. Unabhängig von den Olympischen und Paralympischen Spielen selbst, wäre der Weg hin zu solch einer Veranstaltung mit materiellen und ideellen Investitionen verbunden, die für den Sport und die Gesellschaft von hohem Nutzen wären. In dem Zusammenhang würde auch die Sportmedizin profitieren, nicht nur im überschaubaren Segment der leistungssportlichen Betreuung, sondern insbesondere auch in Bezug auf die Optimierung von Rahmenbedingungen des Sporttreibens in allen Bereichen, die in Verbindung mit einem klaren Bekenntnis zum Sport und Leistungssport verbessert werden könnten.


■ Wolfarth B, Hirschmüller A
Quellen:
Alkemade P, Daanen HAM, Janssen TWJ, Broad E, Goosey-Tolfrey VL, Ibusuki T, Kneepkens H, Périard JD, Eijsvogels TMH. Heat preparedness and exertional heat illness in Paralympic athletes: A Tokyo 2020 survey. Temperature (Austin). 2022; 10: 264-275. doi:10.1080/23328940.2022.2147364
Gee CM, Lacroix MA, Stellingwerff T, Gavel EH, Logan-Sprenger HM, West CR. Physiological Considerations to Support Podium Performance in Para-Athletes. Front Rehabil Sci. 2021; 2: 732342. doi:10.3389/fresc.2021.732342
Masselot P, Mistry M, Vanoli J, Schneider R, Iungman T, Garcia-Leon D, Ciscar JC, Feyen L, Orru H, Urban A, Breitner S, Huber V, Schneider A, Samoli E, Stafoggia M, de‘Donato F, Rao S, Armstrong B, Nieuwenhuijsen M, Vicedo-Cabrera AM, Gasparrini A; MCC Collaborative Research Network; EXHAUSTION project. Excess mortality attributed to heat and cold: a health impact assessment study in 854 cities in Europe. Lancet Planet Health. 2023:e 271-e281. doi:10.1016/S2542-5196(23)00023-2
International Olympic Comitee (IOC). Mascot Olympic Games Paris 2024. [25 April 2024].