Akute neuromuskuläre Modulation steigert die posturale Kontrolle nach Ganzkörpervibration

Akute neuromuskuläre Modulation steigert die posturale Kontrolle nach Ganzkörpervibration
Vibrationstraining verbessert bei COPD-Patienten Belastbarkeit und Schnellkraft © Novotec Medical GmbH

Design der Studie

In der vorliegenden Studie wurden die akuten Effekte eines 2-min Ganzkörpervibrationstraining (whole-body vibration, WBV) oder klassischen Gleichgewichtstrainings (balance, BAL) auf die posturale Kontrolle im monopedalen Stand bei 22 jungen, gesunden Proband*innen (25 ±2 Jahre, 169±8 cm, 62±12 kg) erhoben. Ein Durchgang ohne Kurzzeit-Intervention (CON) diente als Kontrollbedingung.

Methoden

Als Kenngrößen wurde der posturale Schwankweg (Center of Pressure, COP), die antagonistische Co-Kontraktion ausgewählter Muskeln der unteren Extremität (m. soleus, gastrocnemius medialis, tibialis anterior, rectus femoris, biceps femoris) und die spinale Erregbarkeit des Soleusmuskels (H-Reflex) erfasst. Die Daten wurden mittels Posturographie beziehungsweise Elektromyographie aufgezeichnet.

Ergebnisse und Diskussion

Nach WBV war der COP in anterior-posterior Richtung signifikant reduziert (p<.05). Die muskuläre Co-Kontraktion sank im Unterschenkel nach beiden Interventionen (p<.05); im Oberschenkel war die Reduktion lediglich nach BAL signifikant (p<.05). Außerdem sanken der H-Reflex sowie die M-Welle nach beiden Interventionen (p<.05). Die größten Effektstärken wurden für die H-Reflexreduktion nach WBV beobachtet. Diese Änderungen korrelierten positiv mit den Änderungen des Schwankweges (p<.05). Nach CON traten keine Änderungen auf.
Während eine reduzierte Co-Kontraktion der Unterschenkelmuskeln nach beiden Interventionen aufgezeigt wurde, tritt insbesondere die Reduktion der Reflexamplitude in den Vordergrund: Stärkere Effekte und ein reduzierter Schwankweg konnten lediglich nach WBV nachgewiesen werden.

Was ist neu und relevant?

Wir konnten erstmalig aufzeigen, dass die neuromuskuläre Kontrolle während einer postural anspruchsvollen Aufgabe nicht nur nach 2 min BAL, sondern insbesondere nach 2 min WBV moduliert werden kann. Eine verbesserte Gleichgewichtsleistung konnte lediglich nach WBV gezeigt werden und ging mit größeren Effekten der Reflexreduktion einher.

Methodische Einschränkungen und Störfaktoren

Neben der H-Reflexreduktion wurde ebenfalls die Abnahme der M-Welle aufgezeigt. Obgleich Ermüdung, Aufgabengewöhnung und eine Änderung der Körperposition als mögliche Einflussfaktoren ausgeschlossen werden konnten, bleibt die Ursache dieser Modulation weiter zu prüfen.
In weiteren Untersuchungen bleibt zudem zu evaluieren, inwiefern die gezeigten neuromuskulären Akuteffekte im monopedalen (statischen) Stand in ihrem zeitlichen Verlauf (i) auf weitere Muskelgruppen (z.B. Rumpfmuskulatur), (ii) für weitere Zielpopulationen (z.B. Ältere) und (iii) auf (alltägliche) dynamische Gleichgewichtsanforderungen übertragbar sind.

Fazit für die Praxis

– WBV kann akut die neuromuskuläre Kontrolle in postural anspruchsvollen Aufgaben verbessern,
– WBV kann als zeiteffizientes, einfach anwendbares Training genutzt werden, um Akuteffekte der posturalen Kontrolle hervorzurufen.

Chart Neuromuskuläre Modulation
Dargestellt sind die Änderungen der H-Reflexamplitude (a) und des Schwankweges (COP, b) in anterior-posterior (ap), als auch in medio-lateraler (ml) Richtung eines repräsentativen Probanden. Die dargestellten Kenngrößen wurden zweimal vor (PRE=durchgezogene Linie, CON=graue gestrichelte Linie), als auch nach 2 min Intervention mit Ganzkörpervibration (WBV=blaue Linie) oder mit klassischem Gleichgewichtstraining erhoben (BAL=rote Linie). Für PRE, WBV und BAL sind die Standardabweichungen grau hinterlegt. Neben den Änderungen nach Messwiederholung wurden die Unterschiede der Effekte zwischen WBV und BAL miteinander verglichen und sind mit ∆ (und einer gestrichelten Linie) dargestellt. © DZSM 2019

■ Krause A, Ritzmann R, Lee K, Freyler K, Gollhofer A

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