Ältere Turniertanzpaare unterschätzen ihre Belastung im Endrundentraining

Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Beitrags (Originalarbeit) aus der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin (DZSM) mit Link zum englischsprachigen Originalartikel und Downloadmöglichkeit als PDF.

Ältere Turniertanzpaare unterschätzen ihre Belastung im Endrundentraining
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Hintergrund

Es ist wenig bekannt über die körperliche Belastung im Turniertanzsport, besonders bei Seniorenpaaren. Wir untersuchten die Belastung in einer simulierten Turnier-Finalrunde mit allen fünf Tänzen der Disziplin „Standardtänze“. Herzfrequenz, Blutlaktat und Maß der empfundenen Belastung (RPE, Borg-Skala) wurden gemessen.

Studiendesign

Die prospektive Beobachtungsstudie wurde an 27 Paaren (12 Paare 20-39J., 15 Paare 40-78J.) während einer simulierten Turnier-Finalrunde im Rahmen eines sogenannten Endrundentrainings in der typischen Sequenz Langsamer Walzer (SW), Tango (TG), Wiener Walzer (VW), Slow Foxtrott (SF), Quickstep (QS) durchgeführt. Die Dauer eines jeden Tanzes betrug 1:45min, gefolgt von 30s Pause vor dem nächsten Tanz, am Ende 2min cool-down Phase. Laktatmessungen erfolgten vor dem Warm-up, vor SW, nach QS am Ende der Cool-down Phase. In jeder Pause schätzten beide Partner ihre individuelle RPE ein, kontinuierliche EKG-Registrierung mit Kalkulation der individuellen HRMax nach: HRMax=207-(age x 0.7). RPE-Werte wurden in %HRMax übertragen gemäß Borg.

Ergebnisse

Das Laktat lag in Ruhe um 1.4mmol/l (nach Warm-up um 2mmol/l), nach fünf Tänzen 3.5±2.4mmol/l (junge Damen), 5.9±2.2mmol/l (Senior Damen (p=0.016)), 6.5±3.4 mmol/l (junge Herren), 7.2±3.0 mmol/l (Senior Herren). Das Herzfrequenzverhalten war ähnlich bei allen Tänzern mit Spitzenwerten in VW und QS. Die Jüngeren blieben unter 100%HRmax, in QS erreichten die Senior Damen 105.4±7.4%, Senior Herren 107.5±6.6%HRmax. Alle Paare unterschätzten ihre Belastung (%HRMax kalkuliert aus RPE) im Vergleich zu gemessenen %HRmax. Die Jüngeren schätzten realistischer ab VW, die Senioren unterschätzten ihre Belastung signifikant in allen Tänzen.

Schlussfolgerung

Die erhobenen Daten zeigen, dass Turniertanz-Endrundentraining eine sehr anstrengende und teilweise anaerobe Belastung ist, speziell für Senioren, die mehr als 100% individuelles HRMax erreichen. Auffallend ist, dass gerade die Senioren besonders zur Unterschätzung ihrer Belastung neigen. Dies deutet einerseits auf eine sehr hohe positive Motivation gerade älterer Tanzsportler hin, andererseits sollte hier in Zukunft ein Augenmerk auf die Vermeidung von Überbelastungen, besonders bei kardiovaskuläre Vorerkrankungen, gelegt werden.

Methodische Einschränkung

Das untersuchte Endrundentraining war Teil des regulären Tanztrainings und spiegelt somit nur eingeschränkt die wahrscheinlich noch höheren Belastungen unter tatsächlichen Turnierbedingungen mit Abfolge mehrerer solcher Tanzrunden und erhöhtem psychischem Stress wider.

Fazit für die Praxis

– Fakt 1: Turniertanzsport ist hinsichtlich der sportlichen Belastung kaum mit regulärem Freizeittanzen (Tanzschule, Tanzkreis) vergleichbar.

– Fakt 2: Turniertanzen ist eine teilweise anaerobe Belastung.

– Fakt 3: Sehr hohe Motivation und der Wille zur Demonstration von Leichtigkeit mögen – auch und gerade bei den Senioren – zu der beobachteten subjektiven Unterschätzung der individuellen Belastung beitragen.

Ergebnisse der registrierten und der aus der RPE-Einschätzung abgeleiteten Herzfrequenzen in %HRMax der Senior Herren im Tanzturnier-Endrundentraining.
Ergebnisse der registrierten und der aus der RPE-Einschätzung abgeleiteten Herzfrequenzen in %HRMax der Senior Herren im Endrundentraining. Alle Daten MW±SD; *=p<0,05; **=p<0,01; ***=p<0,001. © DZSM 2020

■ Koch A, Schmidt B, Weisser B, Kähler W, Grams B, Klapa S