Noceboeffekte im Patientengespräch

Noceboeffekte im Patientengespräch
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Noceboeffekte sind Beschwerden, die durch negative Erwartungshaltung, entsprechende Suggestion oder eine Scheinbehandlung entstehen (1, 3). Während der positive Placeboeffekt weithin bekannt und gut erforscht ist, wird sein gegensätzlicher „kleiner Bruder“ im medizinischen Bereich immer noch unterschätzt. Ein grundlegendes Verständnis von Noceboeffekten könnte aber dazu beitragen, das Patientengespräch wirkungsvoll und positiv zu gestalten.

Noceboeffekte – psychobiologisches Phänomen mit Tiefgang

Chinesische Forscher haben mittels Hirnscans nachgewiesen, dass die analgetischen Prozesse von Placebo-Antworten im Belohnungsnetzwerk des Gehirns verortet sind. Hyperalgetische Nocebo-Antworten hingegen aktivieren neuronale Schaltkreise in schmerzassoziierten Regionen und Netzwerken (2, 3). Aber wie kommt es dazu?

Dr. Nina Zech, Fachärztin für Anästhesiologie des Universitätsklinikums Regensburg, forscht auf dem Gebiet patientenorientierter Kommunikation sowie über Wirkungen von Suggestionen auf Körperfunktionen. Sie erklärt, dass das Phänomen Noceboeffekt häufig durch negative Konditionierung entsteht, also durch traumatisierende Erlebnisse in der Vergangenheit – oder als Folge negativer Erwartungen, ausgelöst durch verbale Suggestion oder Information. „Auf neurologischer Ebene scheinen außerdem Transmitter wie Dopamin und Endorphine eine Rolle zu spielen. Wenn man wissen will, warum unsere Art der Kommunikation mit dem Patienten so eine starke Wirkung hat, kann das Trance-/Suggestionsmodell zusätzlich Aufschluss geben. Es geht davon aus, dass sich der Patient im Krankenhaus oder beim Arzt in einer so existenziell bedrohlichen Situation befindet, dass er besonders stark auf Einflüsse von außen reagiert.“

Positive Formulierungen helfen

Eine Hauptquelle für schädliche Noceboeffekte ist die Risikoaufklärung vor anstehenden Behandlungen. Wie weit verbreitet diese sind, haben Dr. Zech und Kollegen in einer Studie aus dem Jahr 2015 gezeigt (3, 6). Der Idee, potenzielle Nebenwirkungen gar nicht erst zu erwähnen, erteilt die Ärztin jedoch eine klare Absage. Stattdessen plädiert sie für eine Kommunikation ohne Verschweigen, Schönreden oder gar Lügen gegenüber Patienten: „Bei patientenorientierter Kommunikation kommt es viel mehr auf das »Wie« an, als auf das »Ob«. Studien konnten zeigen, dass Noceboeffekte neutralisiert werden, wenn man im Gespräch gewisse Strategien anwendet. Hierzu zählt z. B. das unmittelbare Verknüpfen der Risiken einer Intervention mit dem zu erwartenden Benefit. Oder man bespricht gleichzeitig Möglichkeiten der Erkennung, Vermeidung und Behandlung von Nebenwirkungen, sollten sie denn eintreten. Wichtig ist auch immer, den Patienten aktiv in die Behandlung mit einzubeziehen: Was kann er selbst dazu beitragen, dass seine Therapie gelingt?“

Außerdem hält sie es für kontraproduktiv, den Patienten bei der Anamneseerhebung immer wieder das Gleiche zu fragen, weil der Fokus dadurch auf eine negative Gegenwart und Vergangenheit liegt. Besser sei es, den Blick des Patienten im Sinne eines positiven Framings auf die Zukunft zu lenken, etwa die erleichternden Effekte nach überstandener Operation. Doch Achtung: In Formulierungen wie „Das wird gar nicht wehtun“ werden Menschen in physischen oder psychischen Ausnahmesituationen vermutlich das Wörtchen „nicht“ überhören, wohingegen das Negativwort „wehtun“ in Erinnerung bleibt!

Das Recht auf Nichtwissen

Eine weitere Möglichkeit zur Minimierung von Noceboeffekten unter Wahrung der Patientenautonomie ist das sogenannte „autorisierte Verschweigen“. Bei diesem Ansatz klärt der behandelnde Arzt über den Noceboeffekt auf und fragt anschließend, ob der Patient damit einverstanden wäre, wenn eine Information über etwaige (relativ leichte oder vorübergehende) Nebenwirkungen einer Therapie oder eines Medikaments unterbliebe. Auf das Risiko schwerer oder irreversibler Schädigungen ist diese Technik jedoch nicht anwendbar; hier kann der Patient ohne Aufklärung keine informierte Entscheidung treffen (1).

Suggestion wirkt sogar unter Narkose

Es ist bemerkenswert, wie empfänglich Menschen in Extremsituationen für positive oder negative verbale Beeinflussung sind. Laut Dr. Zech gilt dies ganz besonders dann, wenn Patienten ängstlich, gestresst, hoffnungslos oder depressiv sind – und sogar im bewusstlosen Zustand wie bei einer Operation. Nowak et al. wiesen nach, dass Schmerzstärke und Analgetikabedarf postoperativ sanken, wenn man dem Patienten in tiefer Narkose leise Hintergrundmusik und unterstützende Worte vorspielte. (5) Das Verhalten und die Kommunikation des OP-Teams sollte sich danach idealerweise danach richten.

Auch wenn das wichtige Thema Kommunikation endlich auch im Medizinstudium Raum findet (4), ist ein achtsamer verbaler Umgang mit Patienten noch längst nicht selbstverständlich. Es wäre wünschenswert, betroffene Berufszweige hier weiter zu sensibilisieren. „Dass man auf dem richtigen Weg ist, wird spätestens dann klar, wenn Patienten sich für die gute Erklärung bedanken oder Kollegen bemerken: „bei dir herrscht immer eine ganz andere Stimmung‘“, sagt Dr. Zech.

Dr. Nina Zech, Fachärztin für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Regensburg
Dr. Nina Zech, Fachärztin für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Regensburg © Zech

■ Kura L

Quellen:

  1. Colloca L, Miller FG. The nocebo effect and its relevance for clinical practice. Psychosom Med. 2011; 73: 598-603. doi:10.1097/PSY.0b013e3182294a50

  2. Fu J, Wu S, Liu C, Camilleri JA, Eickhoff SB, Yu R. Distinct neural networks subserve placebo analgesia and nocebo hyperalgesia. Neuroimage. 2021; 231: 117833. doi:10.1016/j.neuroimage.2021.117833

  3. Hansen E, Zech N, Benson S. Nocebo, Aufklärung und Arzt-Patienten-Kommunikation. Nervenarzt. 2020; 19: 691–699. doi:10.1007/s00115-020-00963-4

  4. Chartité. Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog Medizin. Kapitel VIII-2. „Ärztliche Gesprächsführung“. [abgerufen 01.02.2022]

  5. Nowak H, Zech N, Asmussen S, Rahmel T, Tryba M, Oprea G et al. Effect of therapeutic suggestions during general anaesthesia on postoperative pain and opioid use: multicentre randomised controlled trial. BMJ. 2020; 371: m4284. doi:10.1136/bmj.m4284

  6. Nocebo-Effekte – Negativwirkungen der Aufklärung. Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther. 2015; 50: 64-69. doi:10.1055/s-0040-100081