DZSM-MITTEILUNG

04.08.2018

„Mer kennet alles….“: Laudatio zum 80. Geburtstag von Prof. Dr. med. Hans Rieckert

„Mer kennet alles….“: Laudatio zum 80. Geburtstag von Prof. Dr. med. Hans Rieckert
© Rieckert

Ehrfurcht hat man vor Prof. Dr. med Hans Rieckert nie gehabt – auch wenn er einer der jüngsten Professoren der Sportmedizin in Kiel, langjähriger Leiter des sportmedizinischen Instituts und schließlich auch Dekan des Fachbereichs Sportwissenschaften war. Er ließ das gar nicht erst zu. „Mer sage hier alle Du zueinand, außer wenn der Verwaltungsdirektor kommt“, sagte er jedem Neuanfänger in seiner Abteilung. Es gelang ihm, seine Mitarbeiter für die Sportmedizin zu begeistern und zu wissenschaftlichen Untersuchungen zu aktivieren. Unter seiner wissenschaftlichen Führung entstanden viele Studien von motivierten Sport- und Medizinstudenten – und eine ganze Reihe von Promotionen.

Prof. Dr. med Hans Rieckert hat Publikationen über Durchblutungsregulation, Ausdauersport, Sportverletzungen, Schulsport, Rehabilitation, Segelsport und viele andere Themen veröffentlicht, er war zudem Arzt des Deutschen Seglerverbandes und Olympiaarzt. Auch heute, lange nach seiner Emeritierung, ist er regelmäßig im Institut anzutreffen. Sogar feiertags: „I hab doch versproche, die Blume zu gieße“.

Auf großen Kongressen hatte er den Vorsitz und brachte immer – selbst nach kontroversen Diskussionen – die Zusammenfassung auf den Punkt. So war sein Schlusswort bei einer gut besuchten Sitzung über die Präventionseffekte des Ausdauersportes kurz und knapp: „I jogg jeden Tag 40 Minuten mit meinem Hund, und meinem Hund hat das bisher nie geschadet“. Inzwischen ist der Hund längst verstorben und Prof. Hans Rieckert joggt immer noch. Er wird jetzt 80 Jahre. “Wenn mich die Nordic Walker überhole, dann hör ich auf“.

Als Vorgesetzter und Lehrkraft war er nachsichtig und liebenswert, und er konnte seine Kritik dosiert und freundlich, aber nicht weniger effektiv anbringen. Wenn er in den Seminaren manchen Studenten, der die Regelstudienzeit überschritten hatte, als „älteren Herrn“ an die Tafel bat und auch vor den „älteren Damen“ kein Blatt vor den Mund nahm, dann motivierte dies alle, für die nächsten Prüfungen intensiver zu lernen.

Hans Rieckert war nicht nur in den Vorlesungen, sondern auch bei Kongressen bekannt für seine witzige Schlagfertigkeit – aber manchmal auch für seine Eulenspiegelleien. Bühnenreif waren auch seine Auftritte bei den Kongressen über Wintersportarten. Wenn er auf dem norwegischen Fjell in 1 000 m Höhe über die Gefahren des arktischen Wintersportes referierte und anschließend seine Langlaufskier akribisch wachste, dann war es ihm bitterernst. Da verstand er als ehemaliger Schwarzwälder Skirennläufer keinen Spaß.  Und einmal, als er anschließend auf der Loipe, nach wenigen Gleitphasen ärgerlich sinnierte: „Heude babbts, abers bebbt net“, dann merkte man sein sprachliches Defizit: Während die anwesenden süddeutschen Kollegen verständnisvoll wegen des „Babb“-schnees Klister auftrugen, damit es wieder „bebbt“, standen bei den Norddeutschen Fragezeichen im Gesicht.

Wenn man ihn also nicht immer verstand, so zeigte er selbst doch großes Verständnis für andere. Prof. Hans Rieckert war immer ein Mensch, der die Höhen und Tiefen des Sportes profunde kannte und daraus eine philanthropische Sichtweise für die Sportmedizin – und für den einzelnen Sportler entwickelt: Nicht die Höchstleistung um jeden Preis, sondern der Mensch als Gesamtheit mit Blick auf seine weitere Zukunft standen bei seinen Beratungen im Vordergrund.

Ehrfurcht hatte man nie vor ihm – aber Respekt und große Anerkennung darf man seinem Wesen und seinem Wissen zollen. Er ist ein Vorbild für die ethischen Grundsätze in der Sportmedizin. Mögen wir doch alle die Nordic Walker in Kiel und Umgebung ermahnen, Herrn Prof. Hans Rieckert – im Winter erkennbar an einer roten Zipfelmütze – bitte nicht zu überholen.

■ Schönle C