Klinische Standards der Sportmedizin – Wissenschaftlicher Transfer für die sportmedizinische Praxis
Die Sportmedizin ist eine klinische und wissenschaftliche Disziplin, die sich mit den Themen körperliche Aktivität, Inaktivität, Prävention, Rehabilitation und Training gesunder und erkrankter Menschen beschäftigt und hierbei die Felder des Leistungs-, Breiten-, Rehabilitations- und Behindertensports abdeckt. Bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird der Begriff „Sportarzt“ genutzt und wurde wahrscheinlich erstmalig in der Dissertationsschrift von Arthur Mallwitz 1908 dokumentiert (4, 6). Im Verlauf des 20. Jahrhunderts entwickelte sich das Fach Sportmedizin als eigenständige Disziplin und wurde 1958 erstmalig von Wildor Hollmann definiert (3).
Das Fach Sportmedizin wird im Medizinstudium in der Regel im Querschnittsbereich „Prävention und Gesundheitsförderung“ sowie im Fach Physiologie, Berufsfelderkundung oder als separates Wahlfach unterrichtet. Dabei umfasst der Unterricht außerhalb des Wahlfachs regelhaft nur wenige Vorlesungen und Seminare und ist daher vor dem Hintergrund der enormen Bedeutung von körperlicher Aktivität für die Prävention und Therapie von Erkrankungen in der Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern unterrepräsentiert (2, 5).
In vielen Ländern ist die Sportmedizin ein eigenes medizinisches Fachgebiet, das sich vor allem durch interdisziplinäre ambulante Tätigkeit auszeichnet. Laut den Empfehlungen des Europäischen Fachärzteverbandes (European Union of Medical Specialists; Union Européenne des Médecins Spécialistes – UEMS) sollte die Ausbildung zum Facharzt für Sportmedizin min. 12 Monate internistische, 6-12 Monate traumatologisch-orthopädische, 6-12 Monate physikalische und rehabilitative sowie 12-24 Monate sportmedizinische Weiterbildung umfassen (8). Während es in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik einen Facharzt für Sportmedizin gab, ist in Deutschland die Sportmedizin aktuell eine Zusatzweiterbildung, die je nach Ärztekammer vor oder nach der Facharztanerkennung erworben werden kann. Diese Zusatzweiterbildung kann entweder durch 6-12-monatige Tätigkeit bei einem Weiterbildungsbefugten für Sportmedizin oder durch 240 Stunden Kurs-basierte Weiterbildung erfolgen. Darüber hinaus sind mindestens 120 Stunden sportärztliche Tätigkeit in einem Sportverein oder -verband Voraussetzung.
Neben dem Kurssystem zur Weiter-, Aus- und Fortbildung gibt es regelmäßige nationale und internationale sportmedizinische Kongresse (7) und viele gute sportmedizinische Lehrbücher, die aber verständlicherweise mit den neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen und der aktuellen Evidenz nicht Schritt halten können. Diesem Bedarf nachkommend gab es bis zum Jahr 2017 das Format der „Standards der Sportmedizin“ in der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin (1). Vor dem Hintergrund der ständigen wissenschaftlichen und klinischen Weiterentwicklung des Fachs Sportmedizin soll das Format der „Standards der Sportmedizin“ ab dieser Ausgabe wieder aufgelegt werden und eine wichtige Ressource für das Studium, aber auch für die Fort- und Weiterbildung in der Sportmedizin bilden.
Es ist dabei geplant, in regelmäßigen Abständen einen „Standard der Sportmedizin“ zu publizieren, welcher in Form eines kompakten klinischen Reviews eine präzise und aktuelle Übersicht über ein für die sportmedizinische Praxis wichtiges Thema gibt. Der Artikel durchläuft ein Peer-Review-Verfahren und wird nach Annahme in englischer Sprache gedruckt und auch in deutscher Sprache im Open Access Format auf unserer Homepage veröffentlicht. Hierzu hat sich aus dem Team der Editoren und Junioreditoren und von Seiten der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) eine AG Standards der Sportmedizin gegründet. Es ist dabei ausdrücklich erwünscht, dass hierzu Vorschläge oder Initiativen beispielsweise von den Mitgliedern der DGSP oder auch allen sportmedizinisch interessierten Kolleginnen und Kollegen eingehen und berücksichtigt werden. Die Sportmedizin profitiert sehr von dem interdisziplinären und interaktiven Austausch und die „Standards der Sportmedizin“ sollen diesem Austausch eine adäquate Plattform bieten.
■ Hollander K, Böning D, Kobel S, Königstein K, Müller P, Reinsberger C, Steinacker JM
Quellen:
Böning D, Maassen N, Steinach M. The efficiency of muscular exercise. Dtsch Z Sportmed. 2017; 2017: 203-214. doi:10.5960/dzsm.2017.295
Bull FC, Al-Ansari SS, Biddle S, Borodulin K, Buman MP, Cardon G, Carty C, Chaput JP, Chastin S, Chou R, Dempsey PC, DiPietro L, Ekelund U, Firth J, Friedenreich CM, Garcia L, Gichu M, Jago R, Katzmarzyk PT, Lambert E, Leitzmann M, Milton K, Ortega FB, Ranasinghe C, Stamatakis E, Tiedemann A, Troiano RP, van der Ploeg HP, Wari V, Willumsen JF. World Health Organization 2020 guidelines on physical activity and sedentary behaviour. Br J Sports Med. 2020; 54: 1451-1462. doi:10.1136/bjsports-2020-102955
Hollmann W. Sport und Medizin. Dtsch Z Sportmed. 2019; 70: 290-291. doi:10.5960/dzsm.2019.407
Krüger M. History of sports medicine in Germany: some preliminary reflections on a complex research project. Hist Soc Res (Koln). 2015; 40: 331-349
Pedersen BK, Saltin B. Exercise as medicine - evidence for prescribing exercise as therapy in 26 different chronic diseases. Scand J Med Sci Sports. 2015; 25: 1-72. doi:10.1111/sms.12581
Steinacker J, Böning D. 70. Jahrgang der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin. Dtsch Z Sportmed. 2019; 70: 3-4. doi:10.5960/dzsm.2019.361
Steinacker JM. Sports, Medicine and Health Summit 2021. Dtsch Z Sportmed. 2021; 72: 84. doi:10.5960/dzsm.2021.480
UEMS. Training Requirements for the Specialty of Sports Medicine. [17 March 2022].