DZSM-MITTEILUNG

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20.01.2017

Die deutsche Sportmedizin in der Krise – Ursachen und Lösungen

Sicherlich kann man nicht davon sprechen, dass die deutsche Sportmedizin derzeit pros- periert. Wenn ein sportmedizinischer Lehrstuhl frei wird, steht in diesen Jahren nicht selten die Überlegung der betreffenden Universität im Raum, die Abteilung anders auszurichten oder gar einzusparen. Dafür sind im Wesentlichen zwei Ursachen verantwortlich zu machen: die klinische und wissenschaftliche Schwäche des Faches im Vergleich zu anderen Disziplinen und die mediale Allgegenwart des Doping-Themas. Den erstgenannten Aspekt kann man auch „übersetzen“ mit der fehlenden Facharzt- anerkennung und dem Mangel an qualifiziertem Nachwuchs. Wollen wir nicht in 10-20 Jahren konstatieren, dass das Fach nicht mehr zu retten ist, müssen wir auf all diesen Feldern aktiv werden.

Der Facharzt für Sportmedizin

Auf dem Weg zur Facharztanerkennung waren wir schon einmal weiter als heute. Immerhin wurde bereits vor über 20 Jahren ein solcher Vorstoß bei der Bundesärztekammer unternommen. Damals hat man den Zuschnitt des angedachten Curriculums so gewählt, dass niedergelassene Ärzte nicht befürchten mussten, ihre (Sportler-)Patienten an Sportmediziner zu verlieren.

Bild Tim Meyer
Prof. Dr. med. Tim Meyer, Ärztlicher Direktor Sportmedizin, Universität des Saarlandes; Mitglied des Wissenschaftsrates der DGSP © Meyer

Geholfen hat es letztlich nichts. Gewiss ist die Fakultätszugehörigkeit vieler sportmedizinischer Institute und Abteilungen, die sich nördlich der Mainlinie befinden, nicht hilfreich für eine neue Facharztinitiative. Denn nur die süddeutschen Institute sind durchgängig in der Medizinischen Fakultät verankert. Dennoch muss es die wichtigste Aufgabe eines jeden Präsidiums sowie des Wissenschaftsrates der DGSP sein, auf die Einführung des Facharztes für Sportmedizin hinzuwirken. Denn woher soll ansonsten der wissenschaftliche und klinische Ärztenachwuchs kommen?

Wer zunächst 5-6 Jahre in einem andern Fach verbringen muss, kommt nur noch mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit (und mit entsprechenden Gehaltsvorstellungen) in die Sportmedizin. Außerdem bekommen Ärzte ohne diesen Vorlauf nicht einmal die Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“. Es mag sein, dass einzelne große Institute und Abteilungen über Rotationsregelungen in ihrem Universitätsklinikum oder mit kooperierenden Kliniken diese Hürde überspringen und für ihre ärztlichen Mitarbeiter Ausbildungen zu anderen Facharzttiteln ermöglichen, aber flächendeckend ist das keineswegs der Fall.

Der wissenschaftliche Output

Ein weiterer struktureller Grund, warum der begabte Nachwuchs nicht unbedingt in die Sportmedizin drängt, liegt in unserer verbesserungsfähigen wissenschaftlichen Aktivität. Sowohl die Qualität und Quantität unseres Jahreskongresses als auch die Publikationsfrequenz in einschlägigen internationalen Zeitschriften hat nachgelassen. Wenn wir uns mit anderen Fächern messen wollen, die bereits jetzt zunehmend sportmedizinische Inhalte besetzen, müssen wir hier zulegen. Gewiss ist es kein Zufall, dass die Initiative für einen DFG-Schwerpunkt zwar amibitioniert, aber bislang nicht erfolgreich war. Dies mag einerseits an der Situation unseres Faches, andererseits aber auch am eher grundlagenwissenschaftlich orientierten und nicht originär sportmedizinischen Oberthema liegen, das nicht auf ungeteilte Unterstützung stieß.

Bild Frank Mayer
Prof. Dr. med. Frank Mayer, Ärztlicher Direktor Sportmedizin, Universität Potsdam;Mitglied des Wissenschaftsrates der DGSP © Mayer

Ein positiver Ansatz ist darin zu erkennen, dass unsere Kongresse wieder im zweijährigen Rhythmus stattfinden und insofern mit einem qualitativ ausreichenden wissenschaftlichen Output zu rechnen ist. Auch die Initiative eines auf den Nachwuchs fokussierten Kongresses in den Zwischenjahren hat Potenzial.

Aus unserer Sicht ist es überdies wünschenswert, dass wir wieder eine stärkere Solidarität zwischen den universitären Instituten herstellen, diese kontinuierlich vernetzen und zusammenbringen. Aktuell versucht in der Not fast jeder, für sein Institut bzw. seine Abteilung das Überleben sicherzustellen, nicht selten ohne an das „große Ganze“ zu denken. Drittmittelgetriggerte Kooperationen an konkreten Projekten dürfen darüber nicht hinwegtäuschen. Auch in dieser Hinsicht mag der Nachwuchskongress einen guten Anstoß geben.