Physisches Selbstkonzept und Körpergewichtsstatus von Leistungssportlerinnen aus leichtathletischen Wurf- und Laufdisziplinen
Physical Self-Concept and Body Weight Status in Female Elite Track and Field Athletes Competing in Throwing and Running Disciplines
ZUSAMMENFASSUNG
Problemstellung: Körperbaumerkmale differieren in Abhängigkeit von disziplinspezifischen konditionellen Anforderungen und können in unterschiedlichem Maße vom geschlechtsspezifischen Körperideal abweichen. Eine verringerte Körperzufriedenheit kann insbesondere bei Athletinnen im Jugendalter und frühen Erwachsenenalter eine Beeinträchtigung des allgemeinen Selbstwerts zur Folge haben. Die dargestellte Untersuchung ging der Frage nach, inwiefern sich konstitutionelle Unterschiede von Sportlerinnen aus kraft- und ausdauerbetonten Sportarten in deren physischem Selbstkonzept widerspiegeln. Methoden: Hierzu wurden 35 Leistungssportlerinnen aus leichtathletischen Wurf- und Laufdisziplinen mit dem Physical Self Description Questionnaire (deutsche Version; 21) sowie zu anthropometrischen und biografischen Daten befragt. Zur Ermittlung von Gruppenunterschieden wurden der t-Test bzw. multivariate Kovarianzanalysen durchgeführt. Ergebnisse: Erwartungsgemäß wiesen die Werferinnen (24,1±2,6) im Vergleich zu den Läuferinnen (19,4±1,4) einen höheren Body-Mass-Index (BMI; p<0,01) auf, welcher mit einer verringerten Figurzufriedenheit assoziiert war (eta-square =0,522; p<0,01). Jedoch ließen sich auf den übergeordneten Ebenen des physischen und globalen Selbstwerts weder in Abhängigkeit von der Disziplin noch in Abhängigkeit vom BMI negative Selbstbeurteilungstendenzen feststellen. Diskussion: Die Ergebnisse lassen auf eine höhere Körperunzufriedenheit bei Sportlerinnen mit zunehmendem BMI schließen. Die Annahme, dass Athletinnen aus kraftbetonten Sportarten eine generelle Beeinträchtigung ihres Selbstkonzepts aufweisen, findet durch die ermittelten Ergebnisse hingegen keine Unterstützung. Eine Selbstwert schützende Funktion der Ausübung von Leistungssport bei erhöhtem Körpergewichtsstatus bleibt durch weitere Forschungsaktivitäten zu überprüfen.
Schlüsselwörter: Körperkonzept, Selbstwert, Athletinnen, Kraftsport, Ausdauersport.
SUMMARY
Objective: Physical characteristics of athletes vary due to distinctive conditional and strength requirements of different sports and do not always correspond with the current ideal of a perfect female body shape. Body dissatisfaction may result in impaired perception of self-worth, especially in adolescent and young adult athletes. This study focuses on the question whether anthropometric differences of female athletes from strength and endurance sports are reflected in their physical self-concept. Methods: 35 female elite track and field athletes from throwing and running disciplines were surveyed using the Physical Self Description Questionnaire (German version; 21). In addition, anthropometric and biographic data was assessed. Groups were compared using Student's t-tests or multivariate ANCOVA. Results: As expected, compared to runners (19,4±1,4), throwers (24,1±2,6) had a higher body-mass-index (BMI; p<0,01) which was strongly associated with body dissatisfaction (eta-square =.522; p<0,01). However, negative self-ratings concerning the superordinate dimensions of physical and global self-worth were found to be neither dependent on discipline nor BMI. Discussion: Although the results suggest that a positive association between BMI and body dissatisfaction in female athletes exists, they do not support the assumption of a generally impaired self-concept in female athletes from strength sports. Future studies are required to firmly establish whether or not participation in elite sports protects personal perception of self-worth in women with higher weight status.
Key Words: body-image, self-worth, female athletes, strength sports, endurance sports.
EINLEITUNG
Körperbaumerkmale stellen im Leistungssport maßgebliche Determinanten für den sportlichen Erfolg dar. Infolge der disziplinspezifischen konditionellen Anforderungen weisen Athletinnen aus Kraft- und Ausdauersportarten zum Teil erhebliche konstitutionelle Unterschiede auf (8). So ist in den leichtathletischen Wurfdisziplinen vorrangig die absolute Kraftfähigkeit leistungsbestimmend, welche in engem Zusammenhang mit der Muskelmasse und infolgedessen mit der Gesamtkörpermasse der Athletinnen und Athleten steht (7). In den Laufdisziplinen der Mittel- und Langstrecke stellt hingegen die aerobe Kapazität den leistungsentscheidenden Faktor dar. Sie korreliert infolge der disziplinspezifischen Anforderungen an den Energiestoffwechsel negativ mit dem Körperfettanteil und der Gesamtkörpermasse (12). Empirische Unterstützung erfahren die geschilderten Zusammenhänge durch eine Analyse der von Ermert (6). Sie dokumentierten anthropometrischen Daten internationaler Spitzenathletinnen aus dem Jahr 2007 (Tab. 1). Wie aus den anthropometrischen Daten hervorgeht, fallen sowohl Körpergröße und Körpergewicht, als auch der hieraus ermittelte Body-Mass-Index (BMI) bei den Werferinnen laut t-Test hoch signifikant höher aus als bei den Läuferinnen.
Abweichungen von ästhetischen Idealen können insbesondere bei jungen Frauen über die Verringerung der Körperselbstakzeptanz zur Entwicklung einer problematischen Beziehung zum eigenen Körper führen und letztendlich zu emotionalen Störungen beitragen (1). Die Selbstakzeptanz der körperlichen Erscheinung stellt eine Facette innerhalb des physischen Selbstkonzepts dar, welches im Sinne des multidimensionalen Selbstkonzept-Modells von Shavelson et al. (18) die Gesamtheit der auf die Erscheinung und die Funktionsfähigkeit des eigenen Körpers bezogenen Informationen und Bewertungen beinhaltet.
Einen allgemeinen Zusammenhang zwischen quantitativen Sportverhaltensmerkmalen und Variablen des physischen Selbstkonzepts belegen zahlreiche sowohl international, als auch im deutschsprachigen Raum publizierte Befunde (5, 19, 20). Zusammenfassend lassen sich diese dahingehend interpretieren, dass regelmäßige sportliche Aktivität geschlechtsunabhängig mit einer positiveren Sicht des eigenen Körpers und der sportlichen Fähigkeiten einhergeht. Die bisherigen, im leistungssportlichen Kontext durchgeführten Studien fokussieren häufig auf Vergleiche von Athletinnen und Nicht-Sportlerinnen (16, 22) und/oder auf Sportarten, bei denen ein schlanker Körperbau aus ästhetischen oder konditionellen Gründen leistungsbegünstigend ist, wie z.B. gymnastische und ausdauerbetonte Sportarten (16, 17).
Hingegen stellt sich die Forschungslage zu Unterschieden im Selbst- und Körperkonzept in Abhängigkeit von konditionellen, disziplinspezifischen Anforderungen als fragmentarisch und wenig konsistent dar. So gehen Bingelli et al. (3) in Anbetracht der Befragungsdaten von Athletinnen aus verschiedenen Disziplinen des Freizeit- und Leistungssports davon aus, dass die Ausübung einer bestimmten Sportart sich nicht bedeutsam auf die Ausprägung des Gesamtkörperkonzepts auswirkt. Hinsichtlich der Unzufriedenheit mit der eigenen körperlichen Erscheinung kommen auch Torstveit et al. (24) auf Basis eigener Ergebnisse zu dem Schluss, dass diese weitgehend unabhängig von der Sportart variiert. Im Gegensatz hierzu konnten Swami et al. (22) bei Athletinnen aus leichtathletischen Lauf-Disziplinen eine im Vergleich zu Kampfsportlerinnen und Nicht-Sportlerinnen stärker ausgeprägte Körperunzufriedenheit beobachten. Kleindienst-Cachay und Kunzendorf (11) stellten anhand von Interviews mit Athletinnen aus kraftbetonten Disziplinen ebenfalls fest, dass einige von diesen „im Hinblick auf die trainingsbedingten körperlichen Veränderungen Akzeptanzprobleme haben und sich selbst nicht mehr ‚schön’ finden“ (S. 294). Die betreffenden Sportlerinnen litten infolge ihrer ausgeprägten Körpermasse unter Angst vor Attraktivitätsverlust und abwertenden Bemerkungen.
Problem- und Zielstellung
Die aktuellen gesellschaftlichen Idealvorstellungen vom weiblichen Körper propagieren eine athletisch-schlanke Figur (10, 14). Somit ist anzunehmen, dass Sportlerinnen aus kraftbetonten Disziplinen aufgrund ihres kräftigeren Körperbaus und ihrer höheren Körpermasse dem geschlechtsspezifischen Körperideal in geringerem Maße entsprechen als Ausdauersportlerinnen. Ein positives Selbstbild stellt einerseits unabhängig von der Sportpartizipation eine wesentliche psychosoziale Gesundheitsressource dar (1) und gilt andererseits als Voraussetzung für eine langfristig optimale Leistungsentfaltung im Sport (25). Eine negative Körperselbstwahrnehmung sowie ein verringertes Selbstwertgefühl werden hingegen insbesondere in entsprechenden Risikosportarten, wie u.a. Ausdrucks-, Gewichtsklassen- und Ausdauersportarten, als begünstigende Faktoren für die Entwicklung gestörten Essverhaltens betrachtet (27).
Daher widmet sich die hier dargestellte Studie der Frage, ob vom geschlechtsspezifischen Körperideal abweichende Körperbaumerkmale bei Sportlerinnen mit einer höheren Körperunzufriedenheit sowie einem verringerten physischen und allgemeinen Selbstwertgefühl assoziiert sind. Die leichtathletischen Wurf- und Laufdisziplinen erscheinen zur Beantwortung der Untersuchungsfragestellung als insbesondere geeignet, da in diesen für das Erzielen sportlicher Leistungen ausschließlich konditionelle Fähigkeiten (Kraft bzw. Ausdauer) als bedeutsam und Bewegungs- und Körperästhetik hingegen als weitgehend unbedeutend zu betrachten sind.
MATERIAL UND METHODE
Untersuchungsstichprobe
An der Studie nahmen 35 Leichtathletinnen aus den Disziplinen Hammerwurf, Kugelstoß und Diskuswurf (n=19) sowie aus Laufdisziplinen der Mittel- und Langstrecke (n=16) im Alter von 14 bis 27 Jahren (M=19,20; SD=3,66) teil. In Anbetracht der Sensibilität des Untersuchungsgegenstands war die Befragung der Athletinnen unter forschungsethischen Gesichtspunkten nur mit dem Einverständnis deren Trainerinnen und Trainer vertretbar, was mit einer Einschränkung der Probandenzahl einherging. Aus Tab. 2 sind die Verteilungen der Einzeldisziplinen und Disziplinkombinationen ersichtlich. Alle Sportlerinnen gaben sportliche Erfolge in der Hauptdisziplin auf regionaler (nord-, süd-, west- und ostdeutsche Meisterschaften) bis hin zu internationaler Ebene an. Der wöchentliche Trainingsumfang in der Hauptdisziplin betrug zwischen 3,5 und 21 (M=10,04; SD=4,48) Stunden. Die befragten Läuferinnen waren durchschnittlich etwa 4 Jahre älter als die Werferinnen. Die Altersdifferenz erwies sich im t-Test als signifikant (p=0,001). Keine signifikanten Gruppenunterschiede waren hingegen für den durchschnittlichen wöchentlichen Trainingsumfang sowie die Verteilung der Leistungsniveaus festzustellen.
Untersuchungsverfahren
Die Athletinnen wurden mit der deutschen Version des Physical Self Description Questionnaire (PSDQ; 21) befragt. Das 70 Items umfassende Instrument erfasst Dimensionen des allgemeinen und physischen Selbstkonzepts anhand von neun spezifischen und zwei globalen Skalen. Die spezifischen Skalen zielen auf Selbstbeschreibungsaspekte in Bezug auf die sportlichen Fähigkeiten und die körperliche Aktivität, hinsichtlich der Attraktivität von körperlicher Erscheinung und Figur sowie der Gesundheit der Befragten ab. Die globalen Skalen erfassen den physischen und den allgemeinen Selbstwert. Die Items werden auf einer 6-stufigen Likert-Skala von 1 (trifft gar nicht zu) bis 6 (trifft sehr zu) beantwortet. Mit Ausnahme der invers kodierten Subskala Körperfett sind niedrige Subskalenwerte jeweils im Sinne einer negativen Selbsteinschätzungstendenz zu interpretieren. Mit Hilfe selbst konstruierter Items wurden sozio- und sportbiografische Informationen (Alter, Disziplin, Trainingsumfang, Leistungsniveau u.a.) erfasst. Die Bestimmung des Körpergewichtsstatus erfolgte anhand des Body-Mass-Index mit Hilfe von Selbstangaben zu Körpergröße und Körpergewicht.
ERGEBNISSE
Der Vergleich der anthropometrischen Parameter mittels t-Test ergab signifikante bis hoch signifikante Unterschiede zwischen den Werferinnen und Läuferinnen (Tab. 3). Erwartungsgemäß waren die Werferinnen im Mittel größer und schwerer als die Läuferinnen, wobei die Unterschiede in Bezug auf das Körpergewicht deutlicher ausfielen. Dies führte zu einem, um im Schnitt annähernd fünf Punkte höheren BMI bei der Gruppe der Werferinnen.
Zur Überprüfung der relevanten Fragebogensubskalen auf signifikante Unterschiede zwischen den Werferinnen und Läuferinnen wurde eine einfaktorielle, multivariate Varianzanalyse durchgeführt (Tab. 4). Um den differierenden Verteilungen von Alter und BMI in den Vergleichsgruppen Rechnung zu tragen, wurden die betreffenden Variablen als Kovarianten in die Datenanalyse einbezogen. Bei signifikanten Einflüssen der Kovariaten wurde zur Ermittlung der Zusammenhangsrichtung die Produkt-MomentKorrelation nach Pearson zwischen der Kovariate und der betreffenden Subskala berechnet. Auf deskriptiver Ebene ist zunächst festzustellen, dass sich die erzielten Subskalenmittelwerte bei den Läuferinnen allesamt und bei den Werferinnen mit Ausnahme der Subskalen Körperfett und Ausdauer im oberen Drittel der Antwortskalierung bewegen. Dies lässt bei beiden Gruppen auf eine, über die erfassten Dimensionen überwiegend bzw. ausschließlich insgesamt positive Selbstbeurteilungstendenz schließen. Wie die statistischen Analysen zeigen, lassen sich anhand des gewählten Modells nur für wenige der erfassten Selbstkonzeptdimensionen signifikante Effekte ableiten. So variieren die übergeordneten Subskalen Globaler Selbstwert und Physischer Selbstwert weder in Abhängigkeit von der ausgeübten Disziplin noch vom BMI der befragten Sportlerinnen. Dies gilt in gleicher Weise für die Subskalen Körperliche Erscheinung, Körperliche Aktivität, Gesundheit und Allgemeine Sportlichkeit.
Für die Subskala Körperfett lässt sich auf deskriptiver Ebene zwar ein vergleichsweise deutlicher Mittelwertunterschied zwischen den Disziplinen beobachten, der in der MANOVA bei Konstanthaltung der Variable BMI jedoch zu keinem statistisch nachweisbaren Effekt für die Gruppenvariable führt. Hingegen ist ein stark ausgeprägter Einfluss des Körpergewichtsstatus auf diese Dimension festzustellen, welcher im Sinne einer verringerten Figurzufriedenheit mit steigendem BMI interpretiert werden kann. Eine anschließend durchgeführte Korrelationsanalyse deutet auf einen stark negativen Zusammenhang zwischen den beiden Variablen hin (r =- 0,819; p=0,000).
Ein, auf die Sportart zurückzuführender Effekt ist anhand dieses Analysemodells ausschließlich für die Subskala Ausdauer zu beobachten. Hier ist bereits auf deskriptiver Ebene von allen motorischen Dimensionen der deutlichste Unterschied zwischen den Vergleichsgruppen erkennbar, welcher sich in einer signifikant verringerten Selbstbeurteilung der Athletinnen aus den Wurfdisziplinen äußerte. Auch auf die Selbsteinschätzung der Ausdauerleistungsfähigkeit nimmt der BMI signifikanten Einfluss. Dieser fällt im Vergleich zum Gruppenunterschied jedoch schwächer aus. Ein signifikanter Einfluss des Alters ist lediglich auf die Werte der Subskala Allgemeine Sportlichkeit zu beobachten. Die Variablen korrelieren hierbei moderat negativ miteinander (r =-0,542; p=0,001).
DISKUSSION
Der Vergleich der anthropometrischen Merkmale im Rahmen der vorliegenden Untersuchung unterstützt die Annahme, dass die befragten Athletinnen aus Wurf- und Laufdiziplinen deutliche Unterschiede in der Konstitution aufweisen. Dass die Differenzen hierbei weniger markant ausfallen als bei dem eingangs dokumentierten Vergleich der Daten internationaler Spitzenathletinnen, dürfte auf das insgesamt geringere Leistungsniveau der hier vorliegenden Stichprobe zurückzuführen sein.
Da eine direkte Erfassung des Körperfettanteils aus untersuchungsorganisatorischen Gründen nicht möglich war, wurde die Beurteilung des Körpergewichtsstatus im Rahmen der vorliegenden Studie anhand des BMI vorgenommen. Insbesondere bei sportlich aktiven Personen korreliert der BMI jedoch in vergleichsweise geringem Maße mit dem Körperfettanteil und lässt daher nur eingeschränkte Rückschlüsse auf die Körperzusammensetzung zu (15).
Dennoch existieren Hinweise darauf, dass die Erhöhung der Gesamtkörpermasse bei Sportlerinnen aus kraftbetonten Sportarten nicht ausschließlich auf muskuläre Hypertrophie sondern auch auf einen erhöhten Körperfettanteil zurückzuführen ist. Beispielsweise zeigen die von Boileau und Horswill (4) berichteten Daten, dass jugendliche Werferinnen im Vergleich zu gleichaltrigen Athletinnen aus den leichtathletischen Lauf-, Sprint- und Sprungdisziplinen nicht nur eine erhöhte fettfreie Muskelmasse, sondern auch einen höheren Körperfettanteil aufweisen.
Die Frage, ob der vergleichsweise hohe BMI der hier befragten Werferinnen vorrangig durch eine Erhöhung des Muskel- oder Fettmasseanteils begründet ist, erscheint für die Beantwortung der Untersuchungsfragestellungen jedoch ohnehin von eher sekundärer Bedeutung. Viel wesentlicher ist, dass sowohl ein muskulär, als auch adipös erhöhter BMI im Sinne einer Abweichung vom kulturell konstituierten geschlechtsspezifischen Körperideal interpretiert werden kann (10), welcher zumindest potenziell die Gefahr für Unzufriedenheit mit der eigenen körperlichen Erscheinung birgt.
Eine solche lässt sich für die hier untersuchte Stichprobe jedoch nur partiell bestätigen. So ist, wie kürzlich auch von Schneider et al. (16) bei Eiskunstläuferinnen und Sportgymnastinnen festgestellt, mit zunehmendem BMI eine deutliche Abnahme der Figurzufriedenheit zu beobachten. Wenngleich sich dieser Effekt statistisch nicht unmittelbar auf die ausgeübte Sportart zurückführen lässt, ist in Anbetracht der deutlichen BMI-Differenzen zwischen den Disziplinen in Übereinstimmung mit Kleindienst-Cachay und Kunzendorf (11) davon auszugehen, dass eine negative Selbstbeurteilungstendenz in Bezug auf Körperbaumerkmale vorrangig bei den Werferinnen vorliegt. Jedoch beurteilen sich die Werferinnen hinsichtlich ihrer gesamten körperlichen Erscheinung, welche über die Körperkonstitution und -zusammensetzung hinaus weitere – beispielsweise Gesicht, Haare oder Haut betreffend – Attraktivitätsmerkmale beinhaltet, keineswegs weniger positiv als die Läuferinnen. Die Annahme, dass die Ausübung kraftbetonter Sportarten bei Frauen aufgrund trainingsbedingter körperlicher Veränderungen zu einer generellen Beeinträchtigung der Körperselbstakzeptanz beiträgt, findet durch die ermittelten Ergebnisse somit keine Unterstützung. Wie bereits Kleindienst-Cachay und Kunzendorf (11) berichten, scheint die Diskrepanz zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen an den weiblichen Körper und dem konditionellen Anforderungsprofil der Sportart nicht von allen Werferinnen gleichermaßen als Konflikt erlebt zu werden.
Auch auf den übergeordneten Ebenen des physischen und globalen Selbstwerts lassen sich weder in Abhängigkeit von der Disziplin noch in Abhängigkeit vom BMI negative Selbstbeurteilungstendenzen feststellen. Die mit zunehmendem Körpergewichtsstatus stärker ausgeprägte Figurunzufriedenheit geht bei den befragten Sportlerinnen demnach mit keiner Beeinträchtigung des physischen oder globalen Selbstwerts einher. Dies ist dahingehend bemerkenswert, als dass der Selbstakzeptanz von Figur und körperlicher Erscheinung in der Literatur insbesondere bei jungen Frauen ein starker Einfluss auf den allgemeinen Selbstwert beigemessen wird (19, 26).
Andererseits berichten Saint-Phard et al. (16), dass das Selbstwertgefühl von Leistungssportlerinnen im Vergleich zu nicht sportlich aktiven Frauen in hohem Maße durch die sportliche Selbsteinschätzung determiniert ist. Da letztere zwischen den Disziplinen nur unwesentlich differiert, kann sie als mögliche Erklärung für die vergleichbar hohen Selbstwerte in Betracht gezogen werden. Zu deren Absicherung wären jedoch Vergleichsstichproben mit vergleichbarer Altersverteilung erforderlich, um den ermittelten Einfluss des Alters auf die Einschätzung der sportlichen Fähigkeiten konstant zu halten. Stehen wie in der vorliegenden Studie lediglich ad-hoc-Stichproben zur Verfügung, erscheint hierzu ein Vergleich von Stichproben größeren Umfangs sinnvoll.
Inwiefern die Teilnahme am organisierten Leistungs- und Wettkampfsport bei den befragten Werferinnen eine Selbstwert schützende Funktion im Sinne eines Sozialisationseffekts beinhaltet (13, 19), kann anhand der vorliegenden Daten jedoch nicht geklärt werden. Hierzu wären Vergleiche der erfassten Selbstkonzeptdimensionen mit zusätzlichen Stichproben (z.B. Leistungssportlerinnen aus weiteren Disziplinen, Freizeitsportlerinnen, Nicht-Sportlerinnen) aufschlussreich. Unter Annahme einer hohen Selbstwertrelevanz der Körperzufriedenheit ist in diesem Kontext in Betracht zu ziehen, dass insbesondere Mädchen und junge Frauen mit Übergewicht von der Teilnahme an kraftbetonten Sportarten profitieren. Denkbar erscheint jedoch ebenso, dass über das Wirken selektierender Mechanismen insbesondere diejenigen jungen Frauen einen Zugang zu den leichtathletischen Wurfdisziplinen erlangen, welche über die entsprechenden konstitutionellen Merkmale hinaus über ein positives Selbstkonzept verfügen. In diesem Zusammenhang stellt sich zudem die Frage, ob feminine bzw. maskuline Typisierungen als moderierende Größen in diesem Wirkungsgefüge fungieren (23). Zum Nachweis der skizzierten Wirkungsrichtungen sind möglichst frühzeitig beginnende längsschnittliche Untersuchungen von Athletinnen ausgewählter Disziplinen unter Berücksichtigung der Geschlechtsrollenorientierung erforderlich.
Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine.
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Dr. Sascha M. Kopczynski
Ruhr-Universität Bochum
Fakultät für Sportwissenschaft
Lehr- und Forschungsbereich Sportpsychologie
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