Sonderpublikation: IOS Innovative Orthopädie Systeme GmbH

Wie sieht die Zukunft der Einlagenversorgung aus?

Wie sieht die Zukunft der Einlagenversorgung aus?
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Die Zukunft der Einlagenversorgung kann aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden. Neben dem technologischen Fortschritt sowie der Entwicklung und Innovation von Materialien und Fertigungstechniken ist auch die Betrachtung aus therapeutischer Sicht nicht außer Acht zu lassen. Nachfolgend soll ein Ausblick auf zukünftige Konzeptmodelle erfolgen, sowohl unter Beachtung der bisherigen Studienlage in der Einlagenversorgung als auch der Trainingstherapie.

2019 waren in Deutschland laut „2. Bericht des GKV-Spitzenverbandes über die Entwicklung der Mehrkostenvereinbarungen für Versorgungen mit Hilfsmittelleistungen“ Einlagen das meistverordnete Hilfsmittel. Alleine 4,9 Millionen gesetzlich Versicherte wurden in dem Jahr mit einer Einlage versorgt. Hinzu kommen zahlreiche Privatversicherte und Selbstzahler. Ziel einer Einlagenversorgung ist es, eine vorhandene Fehlstellung bzw. Fehlbelastung des menschlichen Körpers weitestgehend zu reduzieren und die damit verbundene fehlerhafte Körperstatik zu verbessern.

Einlagenversorgung

Die Arten der Einlagen sind genau so vielfältig, wie ihre angegebenen Wirkungsweisen. Nachfolgend wird im Allgemeinen nur von einer Einlagenversorgung im Sport gesprochen. Diese Fokussierung wurde bewusst vorgenommen, obwohl das komplexe Thema dadurch eine einseitige Betrachtungsweise erhält, da ein therapeutisches Konzept im Alltag beginnt und im Sport zusätzlich Anwendung finden sollte.

Es besteht die Annahme, dass Fehlstellungen der unteren Extremitäten zu Veränderungen der kinematischen Ketten und damit auch der Körperstatik führen (8). Aus biomechanischer Sicht ist eine kleine Veränderung des Bewegungsmusters mit großen Auswirkungen verbunden, in positiver als auch negativer Weise. Dadurch sind punktuelle Belastungsmaxima auf einer geringeren Fläche in den betroffenen Gelenken (Sprunggelenk, Knie, Hüfte) möglich, die immense Spätfolgen nach sich ziehen können (10, 16). So ist ein unikondylärer Gelenkverschleiß im Sprung- und Kniegelenk eine mögliche Folge von unbehandelten Fehlbelastungen (11). Außerdem sind Wirbelsäulen- und Halteschäden als Spätfolge möglich (5).

Der menschliche Körper ist ein Meister der Kompensation, als auch des Ausgleichens. Hier entsteht auch die Ernsthaftigkeit des Problems. Die Betrachtung von Fehlstellungen beginnt meist erst, wenn symptomatische Beschwerden auftreten. Eine präventive Untersuchung erfolgt nur in den geringsten Fällen und zielt meist auf die Verbesserung der Lauftechnik ab, ohne das Behandeln von anatomischen Fehlstellungen. Die Notwendigkeit einer präventiven Untersuchung spiegelt sich in den Belastungsmaxima wider. Dabei ist zu beachten, dass beim Joggen schon das 2,3-Fache des Körpergewichts auf die aktiven und passiven Strukturen der unteren Extremitäten herrscht. Ändert sich die Art der Bewegung (schnelle Richtungswechsel, Sprünge, Landungen nach den Sprüngen etc.), kann die Belastung deutlich über dem 5-Fachen des Körpergewichts liegen (17).

Die Quantität der Publikationszahlen im Bereich der Einlagenversorgung ist von 2010 bis 2018 um mehr als das 3-Fache gestiegen. Die absoluten Zahlen zeigen jedoch auch hier noch eine geringe Anzahl an Publikationen im Vergleich zu anderen Forschungsfeldern der Medizin. Daher ist dieses Forschungsgebiet teilweise mit gegensätzlichen Aussagen und Fazits belastet. Die Bedeutsamkeit dieses Gebiets wächst jedoch stetig, um quantitativ und qualitativ klinische Aussagerelevanz zu erhalten.

Bisherige Studienuntersuchungen beschäftigten sich hauptsächlich mit der plantaren Druckverteilung und wie diese mittels Einlagenversorgung beeinflusst werden kann. Im Fokus steht immer eine Schmerzreduktion bei Überlastungserscheinungen. Dabei spielen auch die Materialeigenschaften (wie die Shore-Härte) eine Rolle. Im Laufe der Zeit wandelte sich die Analyseform. Anstatt einer 2D-Bewegungsanalyse wurde eine 3D-Bewegungsanalyse implementiert. Da der Fuß als komplexestes Körperteil zu sehen ist, sind die Ergebnisse jedoch auch hier sehr unterschiedlich, aufgrund unzähliger unabhängiger Variablen.

Bonanno et al. (4) schrieben in ihrer Metaanalyse einer Einlagenversorgung eine Minderung von Überlastungserscheinungen als auch Stressfrakturen zu. Schon 1986 zeigte Nigg et al. (15) die Wirksamkeit einer medialen Gewölbestütze an verschiedenen Positionen von anterior zu posterior. Dabei wurde eine reduzierte Fußbewegung festgestellt, welche am größten unter dem Sustentaculum cali war. Die initiale Beineversion verringerte sich ebenso signifikant um 5 Grad. Eine weitere Studie beschäftigte sich ebenfalls mit der medialen Längsgewölbeunterstützung. Diese Stütze resultiert in einer Erhöhung der Aktivität des M. Peroneus zusätzlich zur Beeinflussung der plantaren Druckverteilung. Die Autoren schlussfolgern damit eine mögliche sensomotorische Wirkweise in Sporteinlagen (3).

Klinisch relevante Untersuchungen sind bisher, wegen ihrer aufwendigen Art, jedoch Mangelware. Hinzu kommt ihre Vergleichbarkeit. Aufgrund der Vielzahl von Beschwerdebildern der unteren Extremitäten ist die Varianz der Zielstellungen zur Behandlung eines Beschwerdebildes hoch. Jedoch ist festzuhalten, dass eine deutliche Schmerzreduktion aufgrund einer Schuheinlagenversorgung im Sport bei Überlastungsbeschwerden festgestellt worden ist (6, 12), meist basierend auf Fragebögen.

Trainingstherapie

Um Fehlstellungen der unteren Extremitäten zu korrigieren, wird auch ein anderer Ansatz viel diskutiert: Die Wirkungsweise von Trainingsinterventionen zur Stabilisierung der intrinsischen Fußmuskeln (13). Dabei wird vor allem der Ausgleich von muskulären Dysbalancen zwischen Agonisten und Antagonisten, oder aber auch medio-laterale Unterschiede in den Fokus gerückt. Hier können Trainingsinterventionen zu einer Schmerzreduktion der betroffenen Körperregionen führen (1). Über das Erkennen von muskulären Dysbalancen, können genau diese aufgrund von Trainingsinterventionen ausgeglichen werden. Ziel hierbei ist, über die sensomotorische Trainierbarkeit Fußfehlstellungen und Achsfehlstellungen zu korrigieren. Auch hier sind die Ergebnisse variabel.

Myer et al. (14) haben im Jahr 2005 eine neuromuskuläre Trainingsintervention mit Mannschaftssportlern durchgeführt. Sie zeigten ein geringes Valgus- als auch Varus-Drehmoment im Knie und somit eine Verminderung der Verletzungsgefahr des vorderen Kreuzbandes. Wohingegen eine Trainingsintervention in Form von Krafttraining der unteren Extremitäten zu keiner Verbesserung von unikondylären Beschwerden im Kniegelenk führt (2). Ebenso ist eine Trainingsintervention positiv zu bewerten mit Blick auf chronische Sprunggelenksinstabilität (9). Neben dem Stabilitäts- und Krafttraining ist auch die Durchführung von Gangschulungen nicht zu vernachlässigen. Dafür wurden Patienten mit einer medialen Knieosteoarthritis untersucht. Lässt man diese vier Monate gezielt mit nach außen rotierten Zehen gehen, verbessern sich die biomechanischen Parameter (7).

Fazit: Kombination als effektive Behandlungsstrategie?

Studien zu einer kombinierten Einlagenversorgung und Trainingsintervention liegen bisher nicht vor. Genau hier ist die Chance, eine therapeutische Begleitung in die Praxis umzusetzen. Das Zusammenspiel von funktionellem Training und einer Korrektur der Beinachse mittels Einlagenversorgung könnte eine Vielzahl der auftretenden Überlastungserscheinungen besonders im Sport mindern. Bisherige Studien zeigen den jeweiligen Nutzen in ihren Bereichen auf. Somit ist entweder die Korrektur einer Varus-/Valgus-Stellung in verschiedenen Gelenken möglich (Knie/Sprunggelenk), oder aber die gezielte Ansteuerung der Weichteilstruktur (Muskulatur) mittels Trainingsintervention, um Asymmetrien aufzuheben. In zahlreichen Bewegungsanalysen ist es auffällig, dass hier die Entscheidung zur Therapie nicht „entweder – oder“ sein kann. Dort geht es nur im Zusammenspiel, um die ganzheitlichen Asymmetrien der Patienten zu behandeln. Eine longitudinale, randomisierte Studiendurchführung mit verschiedenen Interventionsgruppen (Einlagenversorgung, Trainingsintervention) sollte somit durchgeführt werden, um eine klinische Relevanz der konservativen ganzheitlichen Behandlung der Patienten zu zeigen.

Einlagen FEET-BACK Sport und DocBalance
FEET-BACK Sport (l.) und DocBalance, die Einlage fürs Gleichgewicht der Innovativen Orthopädie Systeme GmbH. © IOS

■ Bresser M., IOS Innovative Orthopädie Systeme GmbH

Quellen:

  1. Baldon RDM, Serrão FV, Scattone SR, Piva SR. Effects of functional stabilization training on pain, function, and lower extremity biomechanics in women with patellofemoral pain: a randomized clinical trial. Journal of orthopaedic & sports physical therapy. 2014; 44: 240-251

  2. Bartholdy C, Juhl C, Christensen R, Lund H, Zhang W, Henriksen M. The role of muscle strengthening in exercise therapy for knee osteoarthritis: a systematic review and meta-regression analysis of randomized trials. Seminars in arthritis and rheumatism. 2017; 47: 9-21

  3. Baur H, Hirschmüller A, Müller S, Mayer F. Wirkungsweise von funktionellen Elementen der Schuheinlagenversorgung im Sport. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin. 2003. 54: 323-328

  4. Bonanno DR, Landorf KB, Munteanu SE, Murley GS, Menz HB. Effectiveness of foot orthoses and shock-absorbing insoles for the prevention of injury: a systematic review and meta-analysis. British journal of sports medicine. 2017; 51: 86-96

  5. Ghasemi MS, Koohpayehzadeh J, Kadkhodaei H, Ehsani AA. The effect of foot hyperpronation on spine alignment in standing position. Medical journal of the Islamic Republic of Iran. 2016; 30: 466

  6. Hirschmüller A, Baur H, Müller S, Helwig P, Dickhuth HH, Mayer F. Clinical effectiveness of customised sport shoe orthoses for overuse injuries in runners: a randomised controlled study. British Journal of Sports Medicine. 2011; 45: 959-965.

  7. Hunt MA, Charlton JM, Krowchuk NM, Tse CTF, Hatfield GL. Clinical and biomechanical changes following a 4-month toe-out gait modification program for people with medial knee osteoarthritis: a randomized controlled trial. Osteoarthritis and cartilage. 2018; 26: 903-911

  8. Khamis S., Dar G, Peretz C, Yizhar Z. The relationship between foot and pelvic alignment while standing. Journal of human kinetics. 2015; 46: 85-97

  9. Lee AJ, Lin W H. Twelve-week biomechanical ankle platform system training on postural stability and ankle proprioception in subjects with unilateral functional ankle instability. Clinical biomechanics. 2008; 23: 1065-1072

  10. Lee TQ, Morris G, Csintalan RP. The influence of tibial and femoral rotation on patellofemoral contact area and pressure. Journal of Orthopaedic & Sports Physical Therapy. 2003; 33: 686-693

  11. Levinger P, Menz HB, Morrow AD, Bartlett JR, Feller JA, Bergman NR. Relationship between foot function and medial knee joint loading in people with medial compartment knee osteoarthritis. Journal of foot and ankle research. 2013; 6: 1-9

  12. Mayer F, Hirschmüller A, Müller S, Schuberth M, Baur H. Effects of short-term treatment strategies over 4 weeks in Achilles tendinopathy. British journal of sports medicine. 2007; 41: e6-e6

  13. Mulligan EP, Cook PG. Effect of plantar intrinsic muscle training on medial longitudinal arch morphology and dynamic function. Manual therapy. 2013; 18: 425-430

  14. Myer GD, Ford KR, Palumbo OP, Hewett TE. Neuromuscular training improves performance and lower-extremity biomechanics in female athletes. The Journal of Strength & Conditioning Research. 2005; 19: 51-60

  15. Nigg BM. Factors influencing kinetic and kinematic variables in running. Biomechanics of running shoes. 1986: 139-159

  16. Salsich GB, Perman WH. Patellofemoral joint contact area is influenced by tibiofemoral rotation alignment in individuals who have patellofemoral pain. Journal of Orthopaedic & Sports Physical Therapy. 2007. 37: 521-528

  17. Zadpoor AA, Nikooyan AA.. The effects of lower-extremity muscle fatigue on the vertical ground reaction force: a meta-analysis. Proceedings of the Institution of Mechanical Engineers, Part H. Journal of Engineering in Medicine. 2012; 226: 579-588