Tendinosen: »Die Sehne möchte keine Ruhigstellung«
Empfehlungen von Experten des Steinbach-Talks zu Achilles- und Patellasehnenpathologien
Überlastungsbedingte Verletzungen von Sehnen sind im Leistungssport und auch im Freizeitbereich häufig. Besonders die Achilles- und die Patellasehne sind bei vielen Aktivitäten und Sportarten für Tendinopathien anfällig. So haben etwa 14 Prozent aller Spitzensportler eine Patellasehnen-Tendinose, berichtet Dr. Lukas Weisskopf, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Sportmedizin aus Rheinfelden/Schweiz. Basketballspieler sind sogar bis zu 32 Prozent betroffen und Volleyballer bis zu 45 Prozent.
Darüber hinaus gehören in einigen Ballsportarten Achillessehnenrupturen zu den schwerwiegendsten Verletzungen mit Return to preinjury level von teilweise nur 61 Prozent. Sie treten oft zwischen dem 30. und 45. Lebensjahr überwiegend im Zusammenhang mit sportlicher Betätigung wie Springen oder Laufen auf. Männer sind deutlich mehr betroffen als Frauen.
Der Steinbach-Talk, der seit 2011 jedes Jahr Therapieempfehlungen aus der Sportmedizin für niedergelassene Ärzte erarbeitet, hat sich deshalb aktuell mit dem Thema »Achilles- und Patellasehnenpathologien« beschäftigt. Die aktuellen Therapieempfehlungen führender Sportmediziner aus Deutschland, Österreich und der Schweiz umfassen häufige akute und chronische Beschwerdebilder und reichen von der Peritendinitis der Achillessehne bis hin zur Sehnenruptur sowie vom Patellaspitzensyndrom bis zur Ruptur der Patellasehne.
Patellasehnen-Tendinose wird oft unterschätzt
Eine weitgehend unterschätzte Diagnose ist nach Weisskopfs Angaben die Patellasehnen-Tendinose. Die Athleten haben sehr lange Ausfallzeiten von mehr als sechs Monaten, die Schmerzdauer liegt im Durchschnitt bei 32 Monaten und bis vor wenigen Jahren bedeutete die Patellasehnen-Tendinose für viele der betroffenen Sportler das Karriereende, erklärte Weisskopf bei dem Expertentreffen in Baden-Baden. »Heute ist die Situation aber deutlich besser«, sagte er.
Für eine komplette Ruhigstellung bei einer Tendinose gibt es keine Evidenz, betonte Weisskopf. Denn die Tenozyten der Sehnen werden durch Zugbelastung aktiviert, was für die Produktion von Kollagen und die Heilung der Sehne entscheidend ist. »Die Sehne möchte keine Ruhigstellung«. Ratsam ist eine Adaptation der Belastung über die Visuelle Analogskala (VAS 0 bis 10) im Bereich von 0 bis 3.
Eine erfolgversprechende Therapieoption ist Tendoloading, also ein aktives Sehnentraining, das zwei- bis dreimal täglich über zwölf Wochen durchgeführt wird. Bei Insertionstendinosen der Achillessehne sind allerdings die Übungen zu modifizieren, um Druck und Friktionen auf den Sehnenansatz zu vermeiden, erklärte Weisskopf. Ergänzt wird das Tendoloading durch eine physikalische Therapie in Form der hochdosierten, fokussierten Stoßwellentherapie und eine pharmakologische Therapie in Form von Infiltrationen mit Traumeel® S, Hyaluronsäure und Plättchenreichem Plasma (PRP).
Warnung vor Cortison-Injektionen
Injektionsbehandlungen bei Tendinosen sind »ein heißes Thema«, sagte Weisskopf. Er warnte ausdrücklich vor Cortison. Auch bei langwierigem Verlauf sollte kein Cortison und auch keine NSAR eingesetzt werden. Cortisonbedingte Achillessehnen(Partial-)Rupturen seien keine Seltenheit und oft mit katastrophalen Resultaten vergesellschaftet.
Bei Patellasehnenverletzungen gilt es nach Angaben des Sportmediziners vor allem auch Risikofaktoren wie Achsenfehler, Muskeldysbalancen oder Muskeldefizite zu eliminieren. Eine wichtige Rolle für die Vermeidung von Sehnenpathologien der unteren Extremität spielt die Verwendung des richtigen Schuhwerks.
Therapieschema mit praxisnahen Empfehlungen
Das erarbeitete Therapieschema »Achilles- und Patellasehnenpathologien« gibt wichtige Hinweise zur Befundung sowie zur konservativen oder operativen Versorgung. Das Schema enthält viele weitere Informationen wie Videotutorials zu Diagnose und Infiltration von Sehnenverletzungen. Empfehlungen zur medikamentösen Behandlung mit Hinweisen zu kritischen Medikamenteninteraktionen, zu verschiedenen Injektionstechniken sowie zum aktiven Sehnentraining (Tendoloading) ergänzen den Überblick, der im Praxisalltag eine wertvolle Unterstützung sein kann.
Das Therapieschema »Achilles- und Patellasehnenpathologien« kann angefordert werden unter www.sportmed.info
■ Heel GmbH. Autor: Jürgen Stoschek