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Fortsetzung Stellungnahme der Kommission Kinder- und Jugendsport der DGSP zur Förderung eines aktiven Schulweges

„The Walking School Bus“

Das Prinzip des Walking School Bus (WSB) wurde erstmals 1992 von Engwicht beschrieben (23). Es stellt kein einheitliches Programm dar sondern beschreibt vielmehr ein Konzept, welches den Anteil an Schülern, die zur Fuß zur Schule gehen, erhöhen soll. Entsprechend wird es an verschiedenen Schulen, Kommunen oder Ländern unterschiedlich umgesetzt. Das Prinzip besteht darin, dass sich die Schulkinder zu festgelegten Zeiten an definierten Orten, den sog. Bushaltestellen, mit in der Regel geschulten Freiwilligen treffen und gemeinsam zur Schule gehen. Das Programm wird zumeist durch Spenden finanziert und ist auf das ehrenamtliche Engagement von Eltern und anderen Freiwilligen angewiesen. Es ist in den USA, Canada, Australien, Neuseeland und diversen europäischen Staaten etabliert.

In Deutschland organisieren unterschiedliche Vereine und Initiativen Maßnahmen zur Förderung eines aktiven Schulweges. So veranstaltet z.B. das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. in Kooperation mit dem Verkehrsclub Deutschland e.V. seit 1994 regelmäßige „Zu-Fuß-zur- Schule“ Aktivitäten. Nach eigenen Angaben haben 2017 bundesweit etwa 4400 Klassen mit rund 90 000 Kindern an einem entsprechenden Aktionstag teilgenommen (vgl. www.zu-fuss-zur-schule.de). Im Auftrag der Stadt München organisiert der gemeinnützige Verein „Green City e.V.“ seit 2005 das Projekt „Bus mit Füßen“. Dabei treffen sich die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler zu festen Zeiten an definierten Orten und gehen in Begleitung eines Elternteils gemeinsam zur Schule. Wenn sich die Abläufe automatisiert haben, legen die Kinder den Schulweg alleine zurück (vgl. www.greencity.de).

In Deutschland und Österreich wird ein ähnliches Programm unter dem Namen „Schulexpress – stehen, sehen und miteinander gehen“ durchgeführt. Ziel ist es, allen Kindern, die innerhalb von 15 Minuten die Schule zu Fuß erreichen können, einen sicheren Schulweg aufzuzeigen. Dabei ist im Gegensatz zu vielen anderen Programmen keine Begleitung durch Erwachsene vorgesehen. Für die Schüler sind Treffpunkte durch markante Haltestellenschilder ausgewiesen und die Schulwege sind durch Zeichnungen auf dem Pflaster markiert. Das Projekt wird im Sommer 2018 an insgesamt 112 Schulen vor allem in den norddeutschen Bundesländern durchgeführt (vgl. www.schulexpress.de). Trotz aller Unterschiedlichkeit, ist den Projekten jedoch gemeinsam, dass sie bisher nicht wissenschaftlich evaluiert wurden. In anderen Ländern wurden aber bereits entsprechende Daten generiert.

Smith et al. (23) analysierten 2015 insgesamt 12 Untersuchungen aus den USA, Australien und Neuseeland über das Walking-School-Bus Konzept in Bezug auf dessen Effekte. Dabei zeigte sich in den meisten Studien – allerdings nicht in allen – eine signifikante Zunahme der Anzahl von Fußgängern zur Schule. Als größte Hindernisse wurden der Mangel an Freiwilligen zum Begleiten der Kinder und der größere Zeitaufwand für den Schulweg genannt. Als größten Vorteil beschrieben die Schülerinnen und Schüler das soziale Miteinander beim gemeinsamen Gehen und die Möglichkeit, Zeit in der Natur zu verbringen.

WSB wurde konzipiert, um den aktiven Schulweg zu fördern. Es basiert in der Regel auf der Einbindung von Freiwilligen, welche die Gruppen auf ihren Routen begleiten und nicht auf infrastrukturellen Veränderungen oder pädagogischen Maßnahmen. Durch die Heterogenität in der Ausgestaltung stellt WSB eher einen Oberbegriff für das Prinzip „gemeinsam zur Schule“ gehen dar, als ein einheitliches Konzept. Dies macht den Vergleich von Effekten an unterschiedlichen Schulen, Kommunen oder gar Ländern fast unmöglich (10). Allen Programmen gemeinsam ist der große Einfluss der Eltern. Diese wählen in der Regel die Transportform für ihr Kind aus und müssen entsprechend über Konsequenzen informiert werden.

Fazit und Ausblick 

Ein aktiver Schulweg bietet Kindern die Möglichkeit, ihr tägliches Aktivitätsniveau zu steigern und das von Experten geforderte Ziel von mindestens 12.000 Schritten bzw. 60 Minuten körperlicher pro Tag, eher zu erreichen. Dies hat einen positiven Einfluss auf die kardiovaskuläre Leistungsfähigkeit, die Schulleistungen – insbesondere von Mädchen – und scheint das Risiko von Verkehrsunfällen in der Nähe von Schule zu reduzieren. Untersuchungen von Zusammenhängen zwischen der Transportart und der Körperzusammensetzung zeigten uneinheitliche Ergebnisse. Insgesamt gilt aber der positive Einfluss eines aktiven Schulweges als unbestritten. Es ist bemerkenswert, dass kaum deutschsprachige Literatur bzw. Untersuchungen zum Thema „Schulweg“ existieren. Hier besteht ein großer Forschungs- aber auch Handlungsbedarf.

Aus diesem Grund sollten Universitäten, Schulen, Kommunen, Ärzte und Kostenträger im Gesundheitswesen (Unfallkasse und Krankenkassen) die vorhandenen Konzepte an lokale Gegebenheiten anpassen, um den Anteil aktiver Kinder auf dem Schulweg zu erhöhen. Parallel sollten diese Initiativen wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden. Zudem fällt auf, dass sich die meisten Programme – insbesondere in Deutschland – an Grundschulkinder richten. Schüler an weiterführenden Schulen, die gerade in Zeiten von G8 nachweislich seltener in Sportvereinen aktiv sind und häufig das empfohlene Maß von 120 Minuten Medienzeit pro Tag überschreiten, sollten darum gezielt angesprochen werden. Besonders für diese Zielgruppe sollten spezielle Programme entwickelt, durchgeführt und evaluiert werden.

Kernaussagen aus der Literatur:

1. Durch aktive Bewältigung des Schulweges erreichen Kinder und Jugendliche das von der WHO definierte Ziel 60 Minuten körperlicher Aktivität pro Tag eher.

2. Durch das Radfahren zur Schule lässt sich die körperliche Leistungsfähigkeit steigern.

3. Schüler beschreiben ein verbessertes soziales Miteinander durch das gemeinsame Gehen zur Schule.

4. Studien zeigten einen positiven Zusammenhang zwischen dem aktiven Schulweg und der kognitiven Leistungsfähigkeit.

5. In den USA kam es bei einer Zunahme der aktiven Kinder auf dem Schulweg zu einer signifikanten Abnahme von Verkehrsunfällen und verunfallten Kindern in der Nähe von Schulen.

6. Die Einstellung der Eltern und die Entfernung zur Schule haben den größten Einfluss auf die Wahl der Transportart.

7. Ein aktiver Schulweg bewirkt keine signifikante Veränderung der Körperkomposition.

■ Ständige Kommission für Kinder und Jugendsport der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention. Federführend: Dr. med. Jutta Noffz

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Quellen:

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  2. Chanam L, Jeongjae Y, Xuemei Z (2016) From sedentary to active school commute: Multi-level factors associated with travel mode shifts. Preventive Medicine. doi: 10.1016/ j.ypmed.2016.10.018

  3. Cooper AR, Andersen LB, Wedderkopp N, Page AS, Froberg K (2005). Physical activity levels of children who walk, cycle, or are driven to school. Am J Prev Med; 29(3):179-84.

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  5. DiGuiseppi C, Roberts I, Li L, Allen D (1998) Determinants of car travel on daily journeys to school: cross sectional survey of primary school children. BMJ; 316(7142):1426-8.

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