Sprunggelenkinstabilität: konservative Therapie und Einlagen
Während der Corona-Pandemie war lange Zeit an Mannschaftssport nicht zu denken. Der Individualsport erlebte einen Aufschwung. Das Laufen in der Natur, aber auch „Homesport“ waren Möglichkeiten, Bewegung und Sport beizubehalten. Ein Studienprojekt der Universität Potsdam zusammen mit der Iowa State University und dem Lehman College in New York untersuchte, wie sich das Sportniveau in der pandemischen Situation veränderte. Dabei wurden knapp 13.700 Menschen aus 18 Ländern befragt. Die Ergebnisse zeigen ein differenziertes Bild: 44,2 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, dass sich an ihrem sportlichen Verhalten nichts geändert habe. 23,7 Prozent sprachen von einem Rückgang ihrer Aktivität und 31,9 Prozent von einem Anstieg (1). Eine weitere Studie spricht, gerade bei Läufern, von einem Anstieg der Verletzungsgefahr in der Pandemie (2). Ob dies auch tatsächlich zu einem Anstieg der Sportverletzungen führt, ist bisher nicht geklärt. Dabei sollten auch die Langzeitfolgen möglicher Fehlbelastungen, z.B. eine funktionelle Sprunggelenkinstabilität, betrachtet werden. Aufgrund dieser Erkenntnisse ist die Behandlung von Sportverletzungen präsenter denn je.
Sprunggelenksverletzung – nur eine Frage der Zeit?
Zu den häufigsten Sportverletzungen gehören jene des Sprunggelenks. Circa ein Drittel aller Sporttraumata treten in dieser Körperregion auf. Dabei sind es zu 85 Prozent Distorsionen (7). Die Behandlungsrate im Anschluss ist nicht all zu hoch, daher ist die Dunkelziffer weitaus höher einzuschätzen. Was folgt, sind Gefühle der Instabilität im Sprunggelenk und oft wiederkehrende Verletzungen an der betroffenen Stelle. Diese Entwicklung einer funktionellen Sprunggelenkinstabilität ist bei 30 Prozent der Distorsionsverletzungen des lateralen Bandes gegeben. Patienten haben dabei oft das Gefühl eines nach außen „Wegdriftens“ des betroffenen Sprunggelenks.
Die Behandlungsstrategien sind vielseitig. Aufgrund der Komplexität und der Auswirkungen auf die gesamte Körperstatik, ist bei der funktionellen Sprunggelenkinstabilität eine konservative Therapie zu bevorzugen. Geeignete Maßnahmen können trainingstherapeutische Ansätze aber auch eine Hilfsmittelversorgung beinhalten. Die Zielsetzung ist hierbei keineswegs widersprüchlich sondern ergänzend.
Auswirkungen der Sprunggelenkinstabilität
Studien belegten bei einer Sprunggelenkinstabilität ein Defizit der posturalen Kontrolle sowohl bei statischen als auch bei instabilen Untergründen. Diese verstärkten sich, wenn die Probanden die Augen geschlossen hatten (5). Auch propriozeptive Defizite konnten am betroffenen Sprunggelenk erkannt werden. So wurde der Kraftsinn und der Gelenkstellungssinn auf bilaterale Unterschiede untersucht. Kraftreproduktionsaufgaben der Peronealmuskulatur zeigten Defizite im kontralateralen Vergleich (4) als auch im Vergleich mit einer Kontrollgruppe (3) auf.
Zudem scheint sich das Bewegungsmuster zu verändern. Es konnte eine erhöhte Inversion des Sprunggelenks kurz vor und während des initialen Fußkontakts gezeigt werden (6). An dieser Stelle kann ein Hilfsmittel – im definierten Sinne eine Einlagenversorgung – die erhöhte Inversionsbewegung minimieren und zu einem individuell verbesserten Bewegungsmuster führen: Die Rückfußstabilität wird erhöht und der Abrollvorgang optimiert. Auch die lateral zu medial wirkende Beschleunigung der Ganglinie kann mittels Rückfußstabilität minimiert werden, wodurch mediale Krafteinwirkungen auf das obere Sprunggelenk ebenfalls auf ein Minimum gesenkt werden können.
Einlagenversorgung – ein neuer therapeutischer Ansatz?
Unerforscht ist bisher das Zusammenspiel einer solchen Einlagenversorgung mit einer Trainingstherapie über einen bestimmten Interventionszeitraum. Aufgrund der aufgezeigten bisherigen Studienlage, wäre eine trainingstherapeutische Begleitung in Form einer Intervention zur posturalen Stabilität, zur Kräftigung der unteren Extremitäten sowie unter sensomotorischen Aspekten zu empfehlen und anzuwenden. Hierbei ist die Sensomotorik durch die Einlagenintervention als auch die Trainingsintervention abzudecken und vereint damit beide Konzepte als neuen Therapieansatz. Eine Validierung des Therapiekonzepts ist bisher noch nicht erfolgt. Die praktische Erfahrung im Umgang mit den Patienten zeigt hier jedoch bereits erste Erfolge.

■ Bresser M, IOS Innovative Orthopädie Systeme GmbH
Quellen:
Brand R, Timme S, Nosrat S. When pandemic hits: exercise frequency and subjective well-being during COVID-19 pandemic. Frontiers in psychology. 2020; 11: 2391. doi: 10.3389/fpsyg.2020.570567
DeJong AF, Fish PN, Hertel J. Running behaviors, motivations, and injury risk during the COVID-19 pandemic: A survey of 1147 runners. PloS one. 2021; 16: e0246300. doi: 10.1371/journal.pone.0246300
Docherty CL, Arnold BL. Force sense deficits in functionally unstable ankles. Journal of Orthopaedic Research. 2008; 26; 1489-1493. doi: 10.1002/jor.20682
Docherty CL, Arnold BL, Hurwitz S. Contralateral force sense deficits are related to the presence of functional ankle instability. Journal of orthopaedic research. 2006; 24: 1412-1419. doi: 10.1002/jor.20195
Hiller CE, Nightingale EJ, Lin CWC, Coughlan GF, Caulfield B, Delahunt E. Characteristics of people with recurrent ankle sprains: a systematic review with meta-analysis. British journal of sports medicine. 2011; 45: 660-672. doi: 10.1136/bjsm.2010.077404
Monaghan K, Delahunt E, Caulfield B. Ankle function during gait in patients with chronic ankle instability compared to controls. Clinical Biomechanics. 2006; 21: 168-174. doi: 10.1016/j.clinbiomech.2005.09.004
Steib S, Pfeifer K. Sensorimotor deficits in functional ankle instability. Zeitschrift für Orthopadie und Unfallchirurgie. 2015; 153: 253-258. doi: 10.1055/s-0034-1396293