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Fortsetzung Sport – wie eine Impfung für das Immunsystem

Wie lässt sich die Stärke des Immunsystems messen?

Grundsätzlich, so sind sich die Wissenschaftler allerorten einig, hat Sport eine Wirkung auf das Immunsystem. Das lässt sich über die Veränderung der Immunzellpopulationen gut erfassen. Deutlich schwieriger ist es, den Einfluss dieser Veränderung auf die Immunfunktion zu eruieren. Das Immunsystem umfasst eine große Vielzahl unterschiedlicher Zellen, die in unterschiedlichen Geweben gebildet werden oder unterschiedliche Funktionen ausüben. Die Abstimmung und die feine Regulation aller Elemente untereinander sind noch lange nicht verstanden.

Epidemiologische Untersuchungen, die versuchen, sich über die Verteilung der Krankheitsanfälligkeit zu nähern, sind sehr ungenau und tatsächliche Effekte sind schwer zu messen. Bei so genannten Challenge-Experimenten wird Studienteilnehmern eine antigene (immunstimulierende, nicht krankheits­relevante) oder eine pathogene (immunstimulierende, potenziell krankheitsverursachende) Substanz injiziert und die verschiedenen Effekte im Immunsystem gemessen. Solche In-vivo-Ansätze liefern (je nach Auswahl der gemessenen Parameter) ein ganzheitliches Bild der Immunfunktion. Allerdings sind hier ethische Aspekte von großer Bedeutung. Eine Variation dieses Vorgehens liegt darin, den Studienteil­nehmern Impfantigene zu injizieren (z. B. gegen Influenza oder Tetanus). Da die meisten Menschen aber zumindest mit einem Teil der Antigene über frühere Infektionen oder Impfungen bereits Kontakt hatten, ist die Interpretation der Ergebnisse schwierig, da eine Mischung aus primärer, sekundärer und tertiärer Immunantwort gemessen wird.

Prof. Bloch und sein Team untersuchen, ob spezifische Immunzellen durch Sport ihren Aktivitätsstatus verändern. Für eine Untersuchung wurden beispielsweise ehemalige Tumorpatienten auf einen Halbmarathon vorbereitet. Vor und nach dem Training bzw. dem Halbmarathon wurde der Aktivitätszustand der natürlichen Killerzellen (NK) erfasst. »Wir konnten beobachten, dass die natürlichen Killerzellen nach dem Training auf den Halbmarathon eine höhere Abwehrfunktion hatten und dass Oberflächenantigene, die für die Erkennung fremder Zellen zuständig sind, vermehrt präsentiert werden«, erklärt Prof. Bloch.

Balance verschoben

Jede Form von Stress (positiv wie negativ) wirkt sich auf das Immunsystem aus. Mit Sport setzt man einen zeitlich begrenzten Stress, der das Gesamtsystem beansprucht und auch für das Immun­system eine Trainingsphase darstellt. Durch dieses Training optimiert sich das Immunsystem auf die Anforderungen, die der Körper stellt.

Max Weinhold aus dem Team von Prof. Bloch hat mit Kollegen untersucht, auf welche Weise sich das antiinflammatorische System der Immunabwehr durch Sport optimiert. An 245 Leistungssportlern aus 27 olympischen Disziplinen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die übliche Balance aus Zellen, die für die Aktivierung und die Unterdrückung zuständig sind, durch intensive Aktivität stark verschoben werden kann. »Die Ausdauersportler bekommen eigentlich eine stärkere Bremse für die Immunreaktion eingebaut. Je stärker die Sportler durch das Training belastet sind, desto stärker ist der Anstieg bestimmter regulatorischer T-Zellen. Dennoch werden die Athleten nicht häufiger krank als einerseits Sportler mit weniger Ausdauer und andererseits Freizeitsportler. Offenbar stellt sich je nach Beanspruchung ein neues Gleichgewicht der Komponenten des Immunsystems ein«, erklärt Prof. Bloch die Ergebnisse (1, 2, 3). Es wird nun vermutet, dass diese Auslenkung dafür verantwortlich sein könnte, chronische Entzündungsreize, wie sie für die Entstehung von Diabetes, Krebs oder Arteriosklerose (mit)verantwortlich sind, zu unterdrücken.

Einmal Sportler – immer gesund?

Wenn sich das Immunsystem an den Stressreiz, der durch Sport gesetzt wird, anpasst oder optimiert – bleibt dieser Effekt dann auch erhalten, wenn man keinen Sport mehr treibt? Grundsätzlich ist hierbei anzumerken, dass es immer empfehlenswert ist, so lange wie möglich im Leben körperlich aktiv zu sein. Ein spannender Aspekt ist jedoch die Nachhaltigkeit der erzielten Effekte. Profitiert beispielsweise jemand, der in der Jugend Leistungssport betrieben hat, auch noch im Erwachsenenalter davon? Eindeutige Untersuchungen dazu liegen noch nicht vor. Prof. Bloch vermutet, dass Leistungssport in jungem Alter langfristige positive Effekte bis weit ins Erwachsenenalter haben könnte. Doch festlegen, ob der Nutzen vielleicht doch deutlich kürzer anhält, möchte er sich nicht.

Der wirksamste Umfang an sportlicher Aktivität ist schwer zu bestimmen. Es gibt keine für alle Altersgruppen und Lebensumstände einheitliche Empfehlung an körperlicher Aktivität – und kann es auch nicht geben. Nach den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation sollten möglichst 150 Minuten körperliche Aktivität pro Woche erreicht werden, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht und Diabetes zu verringern. Epidemiologische Daten zeigen ein Optimum bei einem Verbrauch von 1.200 bis 2.000 kcal pro Woche. Im Leistungssportbereich wird diese Menge bei Weitem überschritten. Hier kann bei höherer Trainingsintensität oder höheren Trainingsumfängen der Stress zu stark werden und das Immunsystem überlasten. Dann steigt die Wahrscheinlichkeit für akute Infekte und Entzündungen an. Derzeit fehlt es noch an geeigneten Methoden für eine individuelle sportimmunologische Leistungsdiagnostik. Die bestehenden Methoden sind im Alltag nicht anwendbar. Einfache Assays wären wünschenswert, welche die immunologische Belastung anzeigen.

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