Sport mit Babybauch – eine runde Sache

Sport mit  Babybauch – eine runde Sache
© Romario Ien / fotolia

Die ersten 1000 Tage ab der Empfängnis, über die Stillzeit bis zur Umstellung auf die normale Ernährung gelten als sensible Entwicklungsphase. In diesem Zeitraum können sowohl die Gesundheit des Kindes als auch das Risiko für nicht übertragbare Krankheiten wie Übergewicht oder Diabetes modifiziert werden – ebenso wie die generelle metabolische Stoffwechsellage. Besonders eine ausgewogene Ernährung und körperliche Aktivität der Mutter sind hierfür entscheidend.

Es ist noch nicht so lange her, dass Schwangerschaftssport als potenziell gefährlich angesehen wurde und Gynäkologen schwangeren Frauen davon abrieten. Inzwischen gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die günstige Effekte bei Mutter und Kind nachweisen konnten. So profitieren körperlich aktive Schwangere von besserer kardiorespirativer und muskulärer Fitness, weniger Rückenschmerzen und Wassereinlagerungen. Zudem sind Kaiserschnitte seltener nötig, die Rate an Geburtskomplikationen ist geringer und die Erholungszeit nach der Geburt kürzer. Inaktive Schwangere nehmen im Vergleich zu aktiven häufig deutlicher an Gewicht zu und haben ein erhöhtes Risiko, an Gestationsdiabetes oder Präeklampsie zu erkranken.

Besonders wenn die Mutter bereits vor der Schwangerschaft übergewichtig war, ist bei den Kindern langfristig das Risiko metabolischer Dysfunktionen (z. B. Insulinresistenz, Übergewicht, metabolisches Syndrom) erhöht. Einige Studien zeigten, dass Babys aktiver Mütter minimal bessere APGAR-Scores aufweisen. Andere fanden ein etwas geringeres Geburtsgewicht, weitere wiederum konnten diesen Effekt nicht bestätigen. Insgesamt wird postuliert, dass die Stoffwechsellage bei Kindern aktiver Mütter – langfristig – besser ist. Ob körperliche Aktivität auch den Eintritt einer Schwangerschaft erleichtern kann, ist bisher nicht untersucht. Bei Patientinnen aus Kinderwunschsprechstunden allerdings fand ein systematischer Review eine höhere »Baby take home rate» von körperlich aktiven Patientinnen.

Bewegungsempfehlungen für Schwangere – was und wie viel?

Der Umfang an Aktivität sollte einerseits den Bedürfnissen der Mutter gerecht werden und andererseits die Entwicklung des Kindes nicht beeinträchtigen. Ob Sport einen direkten Einfluss auf die Versorgung über die Plazenta hat, wird aktuell in einer Studie an der Uniklinik Ulm untersucht. Grundsätzlich gelten für die Schwangerschaft dieselben Bewegungsempfehlungen wie für jeden gesunden Erwachsenen: An (mindestens) fünf Tagen pro Woche (mindestens) 30 Minuten moderate körperliche Aktivität. Das bundesweite Netzwerk »Gesund ins Leben« hat im August 2018 aktuelle Empfehlungen zu Ernährung und Lebensstil vor und während der Schwangerschaft veröffentlicht (3). Diese Empfehlungen weisen auch darauf hin, dass nur dann auf Sport verzichtet werden soll, wenn bestimmte relative oder absolute Kontraindikationen (Tab. 1) vorliegen.

Tabelle: Kontraindikationen Sport in der Schwangerschaft
Tabelle 1: Warnsignale, relative und absolute Kontraindikationen für Sport in der Schwangerschaft (1) © DZSM 2018
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Neben einer moderaten aeroben Aktivität von etwa 30 Minuten an möglichst vielen Tagen der Woche wird moderates Krafttraining mit rumpfstabilisierenden Übungen empfohlen. Das dient der Vorbeugung von schwangerschaftsbedingten Rückenschmerzen und wirkt Gleichgewichts-Unsicherheiten entgegen. Abgeraten wird von Sportarten, die ein hohes Sturz- und Verletzungsrisiko bergen. Darunter fallen Kampf- und Kontakt­sportarten, Mountainbiken, Surfen, Reiten, Abfahrtsskilauf oder Flaschentauchen. Frauen, die bereits vor der Schwangerschaft Sport getrieben haben, können die Aktivität meist beibehalten, wenn sie Intensität und Umfang entsprechend anpassen. Hier ist das Körpergefühl der Sportlerin ein entscheidendes Kriterium. Bei Leistungssportlerinnen hingegen besteht eher die Gefahr einer zu intensiven Belastung. Eventuell müssen konkrete Limitierungen ausgesprochen werden.

Sofern Kontraindikationen bestehen, ist es – außer wenn die in der dritten Spalte von Tabelle 1 genannten Erkrankungen vorliegen – nicht zwingend erforderlich, ein komplettes Sportverbot auszusprechen. Möglicherweise ist eine Anpassung der Bewegungsform, des Umfangs oder der Intensität ausreichend. »In der Tat gibt es eine Reihe von Gründen, weshalb in der Schwangerschaft von Sport abgeraten werden sollte«, erklärt PD Dr. Florian Ebner, Chefarzt der Frauenklinik am HELIOS Amper-Klinikum in Dachau. »Allerdings sollte die Schwangere mit ihrer sportlichen Vergangenheit und ihrem Berufsalltag nicht übergangen werden. Arzt und Patientin sollten einen informierten Konsens finden. Optimal ist der gesunde Mittelweg zwischen keinem Sport und Extremsport«, erklärt der Gynäkologe weiter.

Bild: PD Dr. Florian Ebner
PD Dr. Florian Ebner, Chefarzt der Frauenklinik am HELIOS Amper-Klinikum, Dachau © HELIOS Amper-Klinikum Dachau

Ärzte sind wichtige Multiplikatoren

In den Fachkreisen, also bei Gynäkologen und Hebammen, stoßen die neuen Untersuchungen und Empfehlungen auf großes Interesse, wie Dr. Nina Ferrari, Projektkoordinatorin am Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft der Deutschen Sport­hochschule in Köln weiß. »Dennoch ist das Wissen noch nicht überall angekommen. Immer noch hören Schwangere von ihren Ärzten, dass sie sich besser schonen sollen. Das verunsichert die Frauen und führt dazu, dass die tägliche Aktivität noch weiter abnimmt«, erklärt sie.

Mehrere Untersuchungen zeigen, dass nur zwischen 15 und 20 Prozent der Schwangeren die Bewegungsempfehlungen umsetzen. Rund 80 Prozent werdende Mütter bewegen sich folglich zu wenig oder gar nicht. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Viele Frauen haben sich schon vor der Schwangerschaft zu wenig bewegt. Im ersten Schwangerschaftsdrittel kommt hinzu, dass sie besorgt sind, ob Sport dem Kind schaden könnte. Müdigkeit und/oder Übelkeit lassen das Aktivitätsniveau weiter sinken.

Dass typische unangenehme Begleiterscheinungen einer Schwangerschaft wie beispielsweise Rückenschmerzen oder Wassereinlagerungen mit regelmäßiger Bewegung erst gar nicht in dem Umfang und der Schwere wie sonst verbreitet auftreten, wird häufig nicht bedacht und eventuell auch von Gynäkologen zu wenig betont. »Der Gynäkologe ist nach meiner Auffassung der Vermittler zwischen den Leitlinien und den Fragen und Wünschen der Patientin. Dabei wird er häufig den sicherheitsorientierten Partner darstellen. Ob sich die Patientin an die Empfehlungen der Ärzte hält oder nicht, ist zunächst zweitrangig. Wichtiger ist, dass sie ihrem Arzt dies nicht verheimlicht und bei Beschwerden oder Fragen ein offenes gynäkologisches Ohr findet«, betont Dr. Ebner.

Gleichzeitig ist die Schwangerschaft eine Phase, in der Frauen sehr motiviert sind, Empfehlungen und Ratschläge umzusetzen, um dem Baby einen guten und gesunden Start ins Leben zu ermöglichen. So zeigen Umfragen, dass sie sich mehr Informationen zu Bewegung in der Schwangerschaft wünschen würden. Fachkräfte wie Gynäkologen und Hebammen haben gute Einflussmöglichkeiten.

Bild: Dr. Nina Ferrari
Dr. Nina Ferrari, Projektkoordinatorin am Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft der Deutschen Sporthochschule in Köln © Ferrari
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Muss es denn Sport sein?

Bei Sport denkt man an Joggen, Schwitzen, Anstrengung, Außer-Puste-Sein. Frauen, die sich schon vor der Empfängnis nicht damit anfreunden konnten, werden es in der Schwangerschaft noch viel schwerer schaffen. Doch vielleicht ist Sport ja gar nicht unbedingt nötig? Schon mit (Alltags-)Bewegung wäre viel gewonnen. Die berühmten 10 000 Schritte pro Tag dürfen – und sollten – selbstverständlich auch in der Schwangerschaft gegangen werden, Treppen inklusive. Auch Radfahren eignet sich zur (Fort-)Bewegung im Alltag. Vielleicht kann eine werdende Mutter, die mit Rückenschmerzen, Beckenbodenschwäche oder anderen Beschwerden zum Arzt geht, auch über die »Autorität« eines Rezepts für Bewegung mit konkreten Bewegungsempfehlungen motiviert werden.

Rund 30 Prozent der Frauen im reproduktionsfähigen Alter sind übergewichtig. Für sie wäre es wichtig, einerseits die damit assoziierten Risiken und Komplikationen in der Schwangerschaft zu verringern. Andererseits sollte versucht werden zu verhindern, dass die ungünstigen Stoffwechselmodifikationen durch prä- und neonatale Prägung aufgrund von Übergewicht und Bewegungsarmut an das Kind weitergegeben werden. »Wir wünschen uns natürlich, dass Frauen schon vor einer Schwangerschaft aktiv sind und gesund und normalgewichtig in eine Schwangerschaft starten«, erklärt Dr. Ferrari. »Ab einem Alter von 35 Jahren gilt eine Frau als Risikoschwangere. Gerade für die Frauen, die erst in höherem Alter Kinder bekommen, ist es wichtig, körperlich aktiv zu sein, um weitere Risiken zu reduzieren.«

Epigenetische Vererbung von Übergewicht

Forschungen im Maus- und Rattenmodell zeigen, dass epigenetische Modifikationen an Stoffwechselgenen, die beispielsweise durch hochkalorische Diät (2, 4) hervorgerufen werden, über die Keimzellen (Spermien und Eizellen) an die Nachkommen weitergegeben werden können (2). Diese Tiere haben ein erhöhtes Risiko für Übergewicht, Glukoseintoleranz, verringerte Insulinsensitivität und Typ-2-Diabetes. Damit tragen beide Eltern, besonders aber die Mutter, eine große Verantwortung dafür, etwaige Fehlprägungen möglichst zu vermeiden.

Mit diesen Erkenntnissen haben Ärzte auch gute Argumente an der Hand: Es geht nicht einfach um ein paar Kilo weniger für die Mutter auf der Waage. Vielmehr geht es schon weit vor der Geburt um die lebenslange Gesundheit des Kindes.

Weitere Informationen

Netzwerk Gesund ins Leben: https://www.gesund-ins-leben.de

Informations- und Serviceportal zu Sport & Schwangerschaft der Deutschen Sporthochschule Köln:
https://www.dshs-koeln.de/sport-und-schwangerschaft/themen/top-thema/

■ Hutterer C

 

Quellen:

  1. Ferrari N, Graf C. Körperliche Aktivität in der Schwangerschaft. Der Gynäkologe. 2016; 49: 232-235. doi:10.1007/s00129-016-3851-z

  2. Huypens P, Sass S, Wu M, Dyckhoff D, Tschöp M, Theis FJ, Marschall S, Hrabě de Angelis M, Beckers J. Epigenetic germline inheritance of diet-induced obesity and insulin resistance. Nat. Genet. 2016; 48: 497-499. doi: 10.1038/ng.3527

  3. Koletzko B, Cremer M, Flothkötter M, Graf C, Hauner H, Hellmers C, Kersting M, Krawinkel M, Przyrembel H, Röbl-Mathieu M, Schiffner U, Vetter K, Weißenborn A, Wöckel A. Ernährung und Lebensstil vor und während der Schwangerschaft – Handlungsempfehlungen des bundesweiten Netzwerks Gesund ins Leben. Geburtsh Frauenheilk. 2018; 78: 1–22. doi: 10.1055/a-0713-1058

  4. Plagemann A, Roepke K, Harder T, Brunn M, Harder A, Wittrock-Staar M, Ziska T, Schellong K, Rodekamp E, Melchior K, Dudenhausen JW. Epigenetic malprogramming of the insulin receptor promoter due to developmental overfeeding. J Perinat Med. 2010; 38: 393-400. doi: 10.1515/JPM.2010.051