Seite 3 / 3

Fortsetzung Schmerzen im Leistungssport: Biopsychosoziale Behandlungskonzepte

Sport gegen chronischen Schmerz

Das Avoidance-Endurance-Modell (2) zeigt deutlich: Je früher nach Beginn des Schmerzes gehandelt wird, desto geringer ist die Gefahr einer Chronifizierung. Dies trifft nicht nur nach Sportverletzungen zu, sondern auch für andere chronische Schmerzen, etwa bei Arthrose, Morbus Sudeck (CRPS), lumbalen Rückenschmerzen oder rheumatischen Erkrankungen. Professionell angeleitete Bewegungstherapie und Sport in vernünftigen Maßen können hier einen vielversprechenden Beitrag leisten – einerseits durch die rein physische Kräftigung bzw. Mobilisierung, andererseits durch die Auslösung schmerzlindernder Prozesse im Gehirn und natürlich durch die mannigfaltigen bereits erwähnten biopsychosozialen Zusammenhänge.

Die meisten Schmerzpatienten profitieren von aeroben »Low-impact-Ausdauerklassikern« wie Schwimmen, Laufen, Radfahren oder Nordic Walking. Studien zeigen jedoch, dass etwa bei Fibromyalgie Vorsicht walten sollte; hier ist der Grat zu einem erschöpfenden und damit hyper­sensibilisierenden Bewegungsausmaß schmal. Sportarten mit hohem Mental-Anteil wie z. B. Tai Chi scheinen hier, regelmäßig ausgeübt, die bessere Wahl zu sein.(3) Sich bei akuter Verletzung in den Schmerz hineinzubewegen, wird allgemein nicht empfohlen.

Schmerzmittelgebrauch und Doping

Wo Schmerz ist, sucht der Mensch Linderung, und oft geht es nicht ohne Medikamente. »Im Leistungs- und Wettkampfsportbereich ist der Konsum von Nichtsteroidalen Antirheumatika laut Studien oft substanziell«, berichtet Prof. Valderrabano. Derzeit sind gemäß Dopingrichtlinien Paracetamol und die meisten NSAR erlaubt, eine Vielzahl stärkerer Opioide und Cannabisprodukte jedoch verboten. Jegliche adjuvante Analgesie ist deshalb in Abstimmung mit den gültigen Listen der Welt-Dopingagentur WADA sowie der nationalen Dopingagenturen zu planen (5).

Status Quo und Ausblick

Zumindest im Profibereich hat die interdisziplinäre Betrachtung von Schmerz laut Prof. Valderrabano unbedingt ihre Wichtigkeit, insbesondere was der Return-to-Play und die Reduktion des Wiederverletzungsrisikos angeht. Er erlebt auch Trainer als zunehmend offen gegenüber der psychologischen Komponente von Schmerzcoping und Leistungsgrenzen – denn »ein optimales somatopsychosoziales Coaching ist die beste Prävention!«

Prof. Kleinert ergänzt: »Der sportpsychologische Ansatz behält ja neben der Leistung auch Dinge wie Persönlichkeitsentwicklung sowie die Schmerz- und Verletzungsbewältigung im Auge. Wünschenswert wäre eine routinemäßige Anwendung dieses erprobten Konzepts auch im Breiten- und Nachwuchsleistungssport. In wenigen Bundesländern ist die psychosoziale Nachwuchsbetreuung bereits etabliert, etwa in der sportpsychologischen Betreuungsinitiative www.mentaltalent.de unserer Deutschen Sporthoch­schule. Weitere Ansprechpartner sind die
Olympia-Stützpunkte und manche Fachverbände.«

■ Kura L

Ähnliche Beiträge zum Thema finden Sie weiter unten!

Quellen:

  1. Fischerauer SF, Talaei-Khoei M, Bexkens R, Ring DC, Oh LS, Vranceanu AM. What Is the Relationship of Fear Avoidance to Physical Function and Pain Intensity in Injured Athletes?. Clin Orthop Relat Res. 2018; 476: 754–763. doi:10.1007/s11999.0000000000000085

  2. Hasenbring MI, Verbunt JA. Fear-avoidance and endurance related responses to pain: new models of behavior and their consequences for clinical practice. Clin J Pain. 2010; 26: 747-753. doi:10.1097/AJP.0b013e3181e104f2

  3. Lima LV, Abner TSS, Sluka KA. Does exercise increase or decrease pain? Central mechanisms underlying these two phenomena. J Physiol. 2017; 595: 4141–4150. doi:10.1113/JP273355

  4. Richter M. »Schmerzen verstehen« in der Praxis. Manuelle Medizin. 2017; 55: 265-273. doi:10.1007/s00337-017-0300-6

  5. Vernec A, Pipe A, Slack A. A painful dilemma? Analgesic use in sport and the role of anti-doping. Br J Sports Med. 2017; 51: 1243-1244. doi:10.1136/bjsports-2017-097867