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Prävention von Kletterverletzungen

Prävention von Kletterverletzungen
© alfa27 / Adobe Stock

Der Klettersport macht seit Jahren eine sehr dynamische Entwicklung durch, die mit der Aufnahme in das Register der olympischen Sportarten sicherlich nicht enden wird. Nicht nur, dass immer mehr Menschen in ihrer Freizeit klettern (und das immer ambitionierter) – auch die Nachwuchskader im Leistungsklettern verzeichnen Mitgliederzuwächse. Diese Entwicklung lässt sich bis zu einem gewissen Grad auch an der Art der Kletterverletzungen bzw. den Verletzungsbildern ablesen. Früher waren bei Kletterern vor allem Fingerverletzungen typisch (2). Bestimmte Veränderungen im Klettersport scheinen nun auch die Verletzungsbilder zu verändern. Hinzugekommen sind Verletzungen der Schultern und Ellbogen.

»Wir beobachten zunehmend Beschwerden des unteren Rückens, die wir vor zehn Jahren noch kaum gesehen haben«, erklärt Dr. Andreas Vantorre, Sportwissenschaftler und hessischer Landestrainer für Wettkampfklettern. Zusammen mit einem Netzwerk aus Fachärzten aus den Bereichen der Orthopädie, Sportmedizin, Radiologie und Chirurgie betreut er verletzte Kletterer in der Rehabilitation und im Trainingsmanagement. Auch Knie- und Sprunggelenksverletzungen kommen vor, die aber hauptsächlich auf die Technik des Eindrehens und hohen Aufhockens (z. B. Meniskusverletzungen) oder Stürze (z. B. Frakturen) zurückzuführen sind.

Dr. Andreas Vantorre
Dr. Andreas Vantorre, bietet Fortbildungen für die Landeskammer Hessen an (Zusatzausbildung Sportmedizin). © Vantorre

Charakteristika von Bouldern und Seilklettern

Unter der Bezeichnung »Klettern« subsummieren sich Bouldern, also seilfreies Klettern in Absprunghöhe (bis ca. 4 m, in Kletterhallen oder an Felsen), und Seilklettern. Bouldern ist kraftlastig mit häufig submaximalem Charakter. Seilklettern kann man grob in Sportklettern (in Kletterhallen und am Fels) und Alpinklettern (im alpinen Berggelände) unterteilen. Sportklettern ist gekennzeichnet durch kurze Routen (i. d. R. 10–30 m), die alpinistisch wenig, dafür sportlich mitunter sehr anspruchsvoll sowie gut abgesichert sind. Alpinkletterer wollen hingegen einen Berg oder eine Felswand (meist mehrere hundert Meter) kletternd erklimmen. Die beiden Arten unterscheiden sich vor allem durch die Länge der Routen, die Art der Absicherung (je alpiner, desto weniger Absicherung ist vorhanden) und objektive Gefahren wie Felsqualität, Frequentierung der Routen, Steinschlag etc. Klar ist, dass Kletterverletzungen meist umso schwerer ausfallen, je alpiner das Gelände ist. Nachfolgend soll es jedoch um typische Kletterverletzungen beim Bouldern und Sportklettern gehen, die beim Klettern an künstlichen Anlagen und in Klettergärten vorwiegend auftreten.

Häufige Verletzungen beim Bouldern und Sportklettern

Die Verletzungsrisiken beim Bouldern und Klettern sind vergleichsweise gut untersucht, obwohl es sich um eine situative Sportart handelt (1, 3). Allein mehr als 100 Publikationen gehen auf Prof. Dr. Volker Schöffl zurück, der selbst im 10. Schwierigkeitsgrad am Fels unterwegs ist. »Die zahlenmäßig meisten Schäden beim Klettern sind Überlastungsverletzungen insbesondere in der oberen Körperhälfte, an den Fingern, Armen und Schultern. Daneben gibt es spontane Verletzungen, beispielsweise eine Ringbandruptur im Finger, und durch Traumata verursachte Verletzungen, vor allem durch Stürze«, erklärt der Sektionsleiter der Sportorthopädie, Sporttraumatologie, Sportmedizin und Chirurgie der oberen Extremität am Klinikum Bamberg (8).

Stürze können nicht immer verhindert werden. Zwar kann man beim Bouldern das Aufkommen auf der Matte und das Abrollen üben, doch ist die Verletzungsgefahr trotzdem gegeben. Beim Seilklettern sind Stürze ins Seil meist wenig verletzungsträchtig und Sturz- und Sicherungstraining können das Risiko weiter verringern. Dennoch sind Verletzungen – etwa Frakturen – bei weitem Sturz und hartem Anprall an die Wand oder sogar auf dem Boden manchmal nicht zu verhindern. Die Prävention setzt deshalb vor allem an anderer Stelle an.

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