Plättchenreiches Plasma in der Sportmedizin

Plättchenreiches Plasma in der Sportmedizin
© gaetan / AdobeStock

Provokant gesagt, reichen die Standpunkte zu Methoden, die plättchenreiches Plasma (PRP) einsetzen, im Expertenkreis von einem neuen Allroundmittel zur Behandlung zahlreicher orthopädischer Beschwerden bis zu einer guten Methode, Geld mit einer IgeL zu verdienen. Plättchenreiches Plasma (Platelet Rich Plasma oder PRP) erhitzt die Gemüter. Im Leistungssport, besonders in verletzungsreichen Sportarten, in denen zudem Geld eine große Rolle spielt, wird das Verfahren bereits flächendeckend eingesetzt. Doch auch im Freizeitsportbereich und bei niedergelassenen Orthopäden wird es immer stärker nach­gefragt und verbreitet sich stetig.  PRP wird durch Zen­trifugation aus autologem Patienten­vollblut hergestellt. Durch die Zentrifugalkraft ordnen sich die einzelnen Blutbestandteile (Erythrozyten, thrombozytenarmes Plasma, thrombozytenreiches Plasma) entsprechend ihrem unterschiedlichen spezifischen Gewicht schichtweise an. Je nach Verfahren wird nur das plättchenreiche oder auch das plättchenarme Plasma verwendet. Verschiedene Hersteller bieten für die möglichst unkomplizierte Anwendung in der Praxis Kits und Systeme an. Die daraus resultierenden Eigenblutprodukte unterscheiden sich teilweise erheblich.

Welche Zusammensetzung der Blut­bestandteile ist die beste?

Entscheidend für die Wirkung sollen die im PRP enthaltenen Stammzellen, Wachstumsfaktoren und Zytokine sein. Ob Leukozyten bei der Anwendung von PRP eher störend oder förderlich sind, wird noch intensiv beforscht. Einige Studien zeigten bessere Ergebnisse mit leukozytenarmen Präparationen. Insgesamt sind viele Fragen zur effektivsten Form der Behandlung, zur Aufbereitung des Plasmas, zu den Indikationen, bei denen der Einsatz von PRP als weitere oder sogar primäre Behandlungsoption in Frage kommt, sowie zu den zu erwartenden Wirkungen noch nicht abschließend beantwortet. Ganz im Gegenteil: Auch unter Experten sind die Meinungen gespalten und sehr konträr. Dazu trägt bei, dass die Studienergebnisse inkonsistent sind und qualitativ hochwertige randomisierte kontrollierte Studien zu gegenteiligen Ergebnissen kommen.

Dabei hat sich die Studienlage in den letzten Jahren deutlich verbessert – zahlreiche gute Studien wurden publiziert. Die unterschiedlichen Ergebnisse deuten darauf hin, dass besonders die Aufbereitung des Plasmas und die verwendeten Fraktionen von entscheidender Bedeutung für eine Wirkung sind. Da diese aber zwischen  den Präparationsmethoden sehr unterschiedlich ist, ist die Vergleichbarkeit gering. Folglich ist es eigentlich nicht möglich, allgemein über die Wirksamkeit von PRP zu sprechen. Im Hinterkopf muss behalten werden, dass abhängig vom genutzten Verfahren vollkommen verschiedene PRP, respektive Medikamente verwendet werden.

Hinzu kommt, dass es sich um autologe Produkte handelt, sodass sich die Zusammensetzung des verabreichten PRPs auch noch von Patient zu Patient unterscheidet. Zu diesen interindividuellen Unterschieden und deren klinischer Bedeutung gibt es noch wenige Untersuchungen. Doch dass ein Einfluss vorhanden ist, gilt als sehr wahrscheinlich. Denn sogar intraindividuell ändert sich die Zusammensetzung des Plasmas bis hin zum Aussehen – in Abhängigkeit von Tageszeit, Nahrung oder der Einnahme von Medikamenten. Da die Konzentration der Blutplättchen nach dem Essen niedriger ist, wird die Blutabnahme in nüchternem Zustand empfohlen. Auch sollten Patienten während der PRP-Therapie keine NSAR einnehmen, um den Effekt durch die verabreichten Thrombozyten nicht zu inhibieren. Gespritzt wird das PRP in der Regel drei- bis fünfmal im Abstand von einer Woche.

Bild Anja Hirschmüller
PD Dr. Anja Hirschmüller, ALTIUS Swiss Sportmed Center und Klinik für Orthopädie und Traumatologie am Universitätsklinikum Freiburg © Hirschmüller

Früherer Return to Sport bei Bandverletzungen

PD Dr. Anja Hirschmüller vom ALTIUS Swiss Sportmed Center und der Klinik für Orthopädie und Traumatologie des Universitätsklinikums Freiburg setzt das Verfahren, autologes plättchenreiches Plasma zu spritzen, regelmäßig bei Sportlern ein: »Bei vielen Bandverletzungen gehört PRP für mich bei Leistungssportlern, zusätzlich zu den klassischen konservativen Maßnahmen, zum Standardschema. Für Syndesmosenverletzungen beispielsweise gibt es eine gute Studie, die zeigt, dass sich der Return to Play deutlich früher erreichen lässt.

Bei Erkrankungen mit oft langen Verläufen wie dem Patellaspitzensyndrom, dem Tennisarm oder der Plantarfaszientendo­pathie, ist PRP eine hilfreiche additive Therapie, wenn die Standardanwendungen wie evidenzbasierte Trainingsprogramme, Physiotherapie oder Stoßwellentherapie nicht den gewünschten Effekt erreichen. Auch bei der Früharthrose des Kniegelenks kann PRP sinnvoll eingesetzt werden.« Damit umreißt Dr. Hirschmüller sehr gut, wofür es auch Evidenz gibt. Wissenschaftlich betrachtet, sind es diese Bereiche, in denen die Datenlage gut ist.

Für Leistungs- und Profisportler, die möglichst schnell wieder ins Training zurückkehren müssen, ist jeder Tag ein gewonnener Tag. Im Freizeitsportbereich ist der Zeitfaktor nicht so essenziell. Bei sehr langwierigen Verletzungen, die den Betroffenen auch in seinem psychischen Wohlbefinden belasten, kann ein weiterer Impuls, wie ihn PRP setzen kann, durchaus sinnvoll sein.

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Selbstheilung aktivieren – das funktioniert nicht überall

Im Prinzip ist PRP ein Verfahren, das die Selbstheilung des Körpers unterstützen kann. Es ist keine Allheilmethode, und auch wenn die Logik noch eine Vielzahl weiterer Anwendungsbereiche zulässt, so gibt es doch auch gute Metaanalysen, die bei bestimmten Indikationen keinen Effekt zeigen. So beispielsweise bei Tendopathien der Achillessehnen (1) oder Muskelverletzungen (2). Gute Evidenz für PRP liegt für die beginnende Arthrose vor. Hier zeigt die Anwendung von PRP Vorteile gegenüber einer Behandlung mit Hyaluronsäure (3).

Prof. Dr. Holger Schmitt von der ATOS Klinik Heidelberg nutzt das Verfahren eher verhalten. »In Fällen, wo tatsächlich Gewebe verletzt ist, erscheint es mir logisch, dass durch die enthaltenen Stammzellen und Wachstumsfaktoren der Heilungsvorgang unterstützt werden kann. Ich setze PRP daher als weitere, nicht aber als primäre Behandlungsmöglichkeit bei Sportverletzungen ein, wenn eine Verletzung nicht gut oder sehr verzögert heilt. Normalerweise schafft der Körper das ja alles von alleine«, erklärt er sein typisches Vorgehen.

Das große Plus: keine Nebenwirkungen

Die breite Anwendung wird vermutlich dadurch begünstigt, dass das Verfahren praktisch nebenwirkungsfrei ist. Außer einem minimalen Infektionsrisiko durch die Injektion und einer leichten Entzündungsreaktion, die erwünscht ist, um den Heilungsprozess in Gang zu setzen, gibt es keine unerwünschten Wirkungen. Im Gegensatz zum Einsatz von beispielsweise Kortison, das eine Reihe von Nebenwirkungen haben kann, kann man einen Zustand durch PRP kaum verschlechtern. »An Sehnen spritze ich niemals Kortison, PRP hingegen schon«, erklärt Dr. Hirschmüller. Versicherungs- und haftungsrechtlich betrachtet, wird der anwendende Arzt zum Hersteller eines Medizinprodukts und muss das Verfahren bei den entsprechenden Behörden anmelden.

Plättchenreiches Plasma steht nicht mehr auf der Dopingliste

Ab dem Jahr 2010 stand PRP auf der Dopingliste der WADA. Begründet wurde das damit, dass sich nach der Zentrifugation im Plasma körpereigene Wachstumsfaktoren in konzentrierter Form befinden. Einige Beispiele sind das IGF-1, das einen anabolen Effekt haben kann, und das VEGF, das die Ausdauerleistung verbessern kann. Doch bereits 2011 entfernte die WADA PRP wieder von der Liste der unerlaubten Verfahren mit der Begründung, dass die Konzentration der körpereigenen Wachstumsfaktoren im Plasma zu gering sei, um jenseits des therapeutischen auch einen leistungssteigernden Effekt zu erzielen.

Bild Holger Schmitt
Prof. Dr. Holger Schmitt, ATOS Klinik, Heidelberg © Schmitt

Doping für die Praxiskasse

Von niedergelassenen Orthopäden wird das Verfahren mitunter gerne eingesetzt. Es fällt unter die Individuellen Gesundheitsleistungen und ermöglicht so, eine private Leistung abzurechnen. Bei drei bis fünf Injektionen à 100–150 Euro ist der finanzielle Anreiz sicherlich vorhanden. Doch Prof. Schmitt erklärt, dass das Verfahren deutlich stärker von Patienten angefragt wird, als er es direkt anbietet. Prof. Hirschmüller weiß um die finanziell interessanten Aspekte für den Arzt, dreht aber die Argumentation auch um: »Viele Sportler geben sehr viel Geld für ihre Sportausrüstung und Sportschuhe aus, sind aber ungern bereit, Zusatzleistungen für die Gesundheit zu bezahlen.« Das Feld wird sich weiterentwickeln und weitere Studien werden dabei helfen, die Anwendungsfelder noch gezielter zu umreißen. Vorrangig erscheint es sinnvoll, auch die Wirkmechanismen unter die Lupe zu nehmen, um die ideale Zusammensetzung und Konzentration des Plasmas zu bestimmen.

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. de Vos RJ, Weir A, Tol JL, Verhaar JA, Weinans H, van Schie HT. No effects of PRP on ultrasonographic tendon structure and neovascularisation in chronic midportion Achilles tendinopathy. Br J Sports Med. 2011; 45: 387-392. doi:10.1136/bjsm.2010.076398

  2. Gholami M, Ravaghi H, Salehi M, Yekta AA, Doaee S, Jaafaripooyan E. A systematic review and meta-analysis of the application of platelet rich plasma in sports medicine. Electron Physician. 2016; 8: 2325-2332. doi:10.19082/2325

  3. Meheux CJ, McCulloch PC, Lintner DM, Varner KE, Harris JD. Efficacy of Intraarticular Platelet-Rich Plasma Injections in Knee Osteoarthritis: A Systematic Review. Arthroscopy. 2016; 32: 495-505. doi:10.1016/j.arthro.2015.08.005