Sonderpublikation: Heel GmbH

Muskelverletzungen im Breiten- und Leistungssport: Fallstricke auf dem Weg zur richtigen Diagnose

DKOU 2021, Symposium »Muskelverletzungen im Breiten- und Leistungssport: Praxis­orientiertes Update mit Falldiskussion«, 29. Oktober 2021, Veranstalter: Heel GmbH, Baden-Baden

Muskelverletzungen im Breiten- und Leistungssport: Fallstricke auf dem Weg  zur richtigen Diagnose
Dr. Ralf Doyscher, Mannschaftsarzt bei Borussia Mönchengladbach und Prof. Anja Hirschmüller, Leitende Ärztin im ALTIUS Swiss Sportmed Center in Rheinfelden © Heel, DKOU2021

Um bei einer Muskelverletzung schon früh eine verlässliche Prognose über Ausfallzeit und Behandlungsdauer geben zu können, ist eine möglichst exakte Einschätzung und Diagnose notwendig. Doch genau darin besteht die Schwierigkeit, erklärte Dr. Ralf Doyscher, Mannschaftsarzt bei Borussia Mönchengladbach, beim DKOU 2021 in Berlin. Bereits die Anamnese und die Eigenwahrnehmung des Sportlers können von der tatsächlichen Schwere der Verletzung abweichen und in die Irre führen. Manche Sportler neigen gerade unter Leistungsdruck dazu, Verletzungen zu relativieren oder zu verdrängen. Und auch die Schmerzwahrnehmung ist sehr individuell, erläuterte Doyscher. Daher sind Tastbefund und Funktionsuntersuchung sowie gegebenenfalls eine dynamische Sonographie­untersuchung nach wie vor die wichtigsten Erhebungen bei einer Muskelverletzung. Das erfordert allerdings viel Übung und Erfahrung in der klinischen Untersuchung. Im Profisport sind MRT-Untersuchungen bei Muskelverletzungen gängige Praxis. Im Breitensport hingegen besteht dafür nicht in jedem Fall eine Notwendigkeit. Bei der Interpretation der MRT-Aufnahmen ist nach den Erfahrungen des Sportmediziners jedoch große Vorsicht geboten. Als alleiniges Diagnostiktool ohne Abgleich zum klinischen Befund kann die MRT-Bildgebung sogar irreführend sein. Und die Korrelation von MRT, Tastbefund und Prognose ist nach neueren Studien mitunter eher schwach.

Heilungsverlauf engmaschig überwachen

Jede Muskelverletzung sollte individuell bewertet und behandelt werden und nicht nur nach ihrer Klassifikation. Generell soll die Klassifikation von Muskelverletzungen mit der Einteilung nach objektiven Kriterien Prognosen über Ausfallzeiten und typische Komplikationen ermöglichen sowie Therapieentscheidungen erleichtern. Alle gängigen Einteilungen zeigen ihre Limitationen. Doyscher half in der eigenen Praxis eine Differenzierung nach High-risk-Muskeln, die sehr verletzungsanfällig sind, (z. B. der M. biceps femoris) und Low-risk-Muskeln, die seltener von Verletzungen betroffen sind und anders behandelt werden können. »Bei den High-risk-Muskeln darf man keine Residuen akzeptieren und man muss sich sicher sein, dass das gut abgeheilt ist.« Entscheidend ist nach seinen Angaben die Befundung des Behandlungsverlaufs mittels Ultraschall und Tastbefund, ggf. auch MRT, sowie die Beachtung der Bindegewebsbeteiligung, um so die Therapie fortlaufend anpassen zu können und Komplikationen (z. B. Retraktion, Serombildung, überschießende Vernarbung) frühzeitig zu erkennen.

Reduzierung der Entzündungsaktivität

Bei der Ausheilung von Muskelverletzungen unterscheidet man eine Degenerationsphase, in der die zerstörten Strukturen gesteuert abgebaut werden, eine Entzündungsphase, in der die Myoproliferation beginnt, und eine Reparatur- und Regenerationsphase, erläuterte Prof. Anja Hirschmüller, Leitende Ärztin im ALTIUS Swiss Sportmed Center in Rheinfelden. Entzündungsprozesse, die sowohl in den ersten Tagen als auch im späteren Verlauf auftreten, haben durchaus positive Effekte und sollten nach derzeitigem Wissensstand nicht komplett medikamentös unterdrückt werden. Nicht-steroidale Antirheumatika, die initial zur Schmerzreduktion eingesetzt werden, sollten daher nach 48 Stunden wieder abgesetzt und durch natürliche Präparate ersetzt werden, empfahl Hirschmüller.

Um die Entstehung eines Hämatoms zu verhindern oder einzudämmen, sind eine möglichst rasche Kompression und Kühlung wichtig. »Für die erste halbe Stunde gilt als Faustregel: Jede Minute verzögerter Therapiebeginn verlängert die Rehabilitation um einen Tag.« Die Punktion eines relevanten Hämatoms sollte so früh wie möglich erfolgen, idealerweise innerhalb der ersten 36 Stunden. Wenn das Hämatom erst später diagnostiziert wird, aber eine entsprechende Größe hat, sollte auch dann eine Punktion angestrebt werden. Kortison kommt dagegen gar nicht zum Einsatz.

Zu den unterstützenden Therapien gehören Stützverbände mit Tape oder Ban­dagen sowie Nährstoffsubstitutionen. Für Infil­trationen stehen verschiedene Präparate zur Verfügung, darunter Traumeel® S und Zeel® sowie Actovegin®, Myopridin, Lokalanästhetika und PRP (plättchenreiches Plasma). Klinische Studien zu den verschiedenen Infiltrationstherapien liegen leider derzeit nur in sehr begrenztem Umfang vor. In-vitro-Studien zeigen aber die Wirkmechanismen und vielversprechende Ergebnisse im Tiermodell. Traumeel® S habe eine Reduktion der Entzündungsaktivität und eine Stimulation der Reparaturmechanismen gezeigt (2, 3). Darüber hinaus habe die Kombination von Traumeel® S und Actovegin® histologisch und immunhistochemisch eine beschleunigte Muskelregeneration bewirkt (1).

»Muskelverletzungen im Breiten- und Leistungssport«: Die Aufzeichnung des Symposiums mit den Vorträgen der beiden Referenten kann hier angesehen werden.
■ Heel GmbH, Autor: Stoschek Jürgen

Quellen:

  1. Belikan P et al. Intramuscular Injection of Combined Calf Blood Compound (CFC) and Homeopathic Drug Tr14 Accelerates Muscle Regeneration In Vivo. Int J Mol Sci. 2020; 21: 2112. doi:10.3390/ijms21062112

  2. Heine H et al. Induction of the immunological Bystander Reaction by plant extracts. Biomedical Therapy. 1998; 16: 224–226.

  3. Porozov S et al. Inhibition of IL-1beta and TNF-alpha secretion from resting and activated human immunocytes by the homeopathic medication Traumeel S. Clin Dev Immunol. 2004; 11: 143–149.