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Fortsetzung Lebensstiländerung – Motivation und Erfolg sind entscheidend

Lebensstiländerung: Gute Beratung braucht medizinisches Wissen

Prof. Halle weist hingegen darauf hin, dass solche Angebote für Menschen mit leichteren oder beginnenden Erkrankungen sinnvoll sein können, aber für Patienten mit Herzkrankheiten oder Tumorerkrankungen umfangreiches medizinisches Wissen nötig ist. »Nur mit weitreichender Expertise kann sichergestellt werden, dass die Patienten entsprechend ihren individuellen Möglichkeiten trainieren. Sonst besteht die Gefahr, dass sie sich überfordern, was im schlimmsten Fall lebensgefährlich, mindestens aber demotivierend sein kann und dazu führt, dass die Patienten aufgeben. Ich sehe die Gefahr, dass die Kompetenz unterschätzt wird, die nötig ist, um schwer kranke Patienten medizinisch sicher zur Sporttherapie zu beraten«, gibt Prof. Halle zu bedenken. Dass jedoch insgesamt relativ wenige Ärzte ihre Patienten zu Lebensstil­interventionen umfassend beraten und diese fortwährend begleiten, liegt neben persönlichen Faktoren (Interesse, Tätigkeitsschwerpunkt) wahrscheinlich auch an der schlechten Vergütung. Pro zehn Minuten Beratung kann ein Arzt etwa zehn Euro mit der gesetzlichen Krankenkasse abrechnen. Hier ist die Politik gefragt, die Weichen Richtung Prävention versus Therapie zu stellen.

Neben den politischen Rahmenbedingungen ist geschulte Gesprächsführung nötig, um den Patienten dort abzuholen, wo er aktuell steht. Das sollte schon ins Studium integriert werden. »Ich erzähle den Patienten in der Ernährungsberatung nicht, dass sie mehr Gemüse essen sollen. Das wissen sie alles, tun es aber trotzdem nicht. Ich lasse mir Fotos von deren Mahlzeiten zeigen und schließe dann mit dem Patienten einen Vertrag, welche einzelne Sache er zuerst verändern will. Beim nächsten Termin schauen wir, ob das erfolgreich war, und planen den nächsten kleinen Schritt«, erklärt Prof. Halle sein Vorgehen. In der Beratung zur körperlichen Aktivität verfährt er ähnlich: »Motivation und Erfolg sind entscheidend, damit die Patienten dranbleiben. Sie müssen wieder – oder erstmals – lernen, wie ihr Körper tickt, und Interesse daran entwickeln. Es bringt nichts, jemandem, der sich Jahrzehnte nicht bewegt hat, 10 000 Schritte oder 30 Minuten Spazierengehen pro Tag zu ,verordnen‘. Wir schauen darauf, was die aktuelle tägliche Schrittzahl ist, und versuchen dann, diese mit erreichbaren Zielen zu steigern.«

Gesellschaftliche Verantwortung für ein gesundes Leben

Kritisch sieht Prof. Meißner, dass die Verantwortung für ein gesundes Leben fast vollständig dem Einzelnen zugeschrieben wird. »Dabei spielen die gesellschaftlichen Verhältnisse, also die Kennzeichnung von ungesunden Lebensmitteln, die Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum oder die Vermittlung von Gesundheitswissen schon ab dem Kita-Alter, eine ebenso wichtige Rolle.« Das erkennen auch Stadt- und Gebäudeplaner und versuchen, wissenschaftliche Erkenntnisse in ihre Projekte mit einzubeziehen. Im Projekt »München – gesund vor Ort« etwa werden verhaltens- und verhältnispräventive Ansätze kombiniert. Für Zielgruppen mit speziellem Bedarf werden in enger Zusammenarbeit zwischen Fachkräften und Bürgern vor Ort passende Angebote entwickelt.

Ein anderes Konzept verfolgt die Klinik Höhenried am Starnberger See. Das »Programm Beschäftigungsfähigkeit teilhabeorientiert sichern (Betsi)« ist eine Maßnahme der betrieblichen Gesundheitsförderung. In Kooperation mit Unternehmen können belastete Mitarbeiter an dem Programm teilnehmen, das die Teilnehmenden nach einer Initialphase in der Klinik über neun Monate begleitet. So soll erreicht werden, dass Mitarbeiter, bei denen erste Beeinträchtigungen aufgetreten sind, ihre Erwerbs- und Leistungs­fähigkeit erhalten.

Erfolgreiche Konzepte – egal ob in Prävention oder Therapie – setzen auf langsame Veränderungen, die langfristig durchgehalten werden können. »Dabei sollte auch der Genuss und der Spaß nicht vergessen werden«, betont Prof Meißner. Und weiter: »Der Fokus sollte in der Beratung besonders darauf liegen, die Lust an der Bewegung oder an gesünderer Ernährung zu wecken, ohne nur zwanghaft auf das Körpergewicht oder die Verfehlungen zu schauen. Gesundes Leben kann doch viel Spaß machen.«

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. de Boer MC, Wörner EA, Verlaan D, van Leeuwen PAM. The Mechanisms and Effects of Physical Activity on Breast Cancer. Clin Breast Cancer. 2017; 17: 272-278. doi:10.1016/j.clbc.2017.01.006

  2. Friedenreich CM, Shaw E, Neilson HK, Brenner DR. Epidemiology and biology of physical activity and cancer recurrence. J Mol Med (Berl). 2017; 95: 1029-1041. doi:10.1007/s00109-017-1558-9

  3. Kimata C, Willcox B, Rodriguez BL. Effects of Walking on Coronary Heart Disease in Elderly Men with Diabetes. Geriatrics (Basel). 2018; 3. doi:10.3390/geriatrics3020021

  4. Prochaska JO, DiClemente CC. Self change processes, self efficacy and decisional balance across five stages of smoking cessation. Prog Clin Biol Res. 1984; 156: 131-140.