Sonderpublikation: Heel GmbH

Infiltrationstherapie bei Muskel-Sehnenverletzungen im Breiten- und Leistungssport

Infiltrationstherapie bei Muskel-Sehnenverletzungen im Breiten- und Leistungssport
© nickshot / Adobe Stock

Verletzungen der Muskulatur stellen in vielen Sportarten einen der häufigsten Gründe für Trainings- und Wettkampfausfallzeiten dar. Im Profi-Fußball entfallen z.B. mehr als 25 Prozent aller Verletzungen überhaupt auf diesen Bereich (5). Interessant dabei ist, dass mehr als 75 Prozent der Verletzungen nur durch indirekte Kontakte oder Non-Kontakt-Mechanismen entstehen (5). Obwohl es in den letzten Jahren zunehmend Evidenz zu den Risikofaktoren der Entstehung von Muskelverletzungen wie Belastungssteuerung/Ermüdung, Bewegungsqualität, Fitness- und Dehnungszustand der Athleten gesammelt werden konnte (3), ist die Datenlage zur Beeinflussung des Heilungsverlaufs und der Ausfallzeit nach Muskelverletzungen auch durch bereits klinisch etablierte Therapieformen wie z.B. Injektionen oder eine Infiltrationstherapie weiterhin sehr heterogen. Eine Ursache hierfür könnte darin liegen, dass die zugrundeliegenden Abläufe gerade auf zellbiologischer und biochemischer Ebene bisher nur vergleichsweise wenig untersucht sind und Verletzungsmuster und die individuellen Voraussetzungen und Verläufe sehr stark variieren.

Die Rolle von Entzündungsprozessen

Zwischenzeitlich ist weitgehend akzeptiert, dass sowohl bei strukturellen, wie funktionellen Verletzungen der Muskulatur Entzündungsprozesse eine zentrale Rolle spielen. Die Auflösung einer Entzündung ist ein aktiv regulierter Prozess und nicht bloß das passive Abklingen einer Gewebereaktion. Dabei spielen entzündungsauflösende Lipidmediatoren wie Resolvine und Protektine eine entscheidende Rolle (11), was aber bisher kaum Einzug ins klinische Verständnis und in die Praxis gefunden hat. Möglicherweise werden wir hier im Rahmen der Untersuchungen zu bioregulatorischen Systemen in den nächsten Jahren noch interessante und tiefere Einblicke erhalten (8). Eines belegen aber viele Studien schon jetzt: es scheint Entzündung im Körper ohne Heilung zu geben, aber keine Heilung ohne Entzündung.

Die komplexen Signaltransduktionswege, insbesondere der Arachidonsäure-Prostaglandin-Pathway (2) und biomechanischen Stimuli scheinen notwendig zu sein, um verletztem Gewebe eine Regeneration oder im Falle von Muskulatur oder Sehnen die Bildung von belastbarem Ersatzgewebe (Narbe) zu ermöglichen. Präzises Timing und die Feinabstimmung der verschiedenen Prozesse und Akteure, also die Regulation spielt dabei offenbar eine entscheidende Rolle.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund die verschiedenen Behandlungsmethoden und Medikamente, die in der klinischen Praxis zur Behandlung von Muskelverletzungen zum Einsatz kommen, legt dies den Schluss nahe, dass ein effektives Blockieren dieser Entzündungsprozesse, wie dies durch die Wirkung synthetischer Präparate wie z.B. Corticosteroide oder NSAID erfolgt, in höheren Dosierungen und v.a. über längere Zeiträume kontraproduktiv zu sein scheint und den Verlauf, aber auch das Ergebnis negativ beeinflussen kann (7).

Multikomponenten-Präparate: Effekte auf verschiedenen Ebenen

Daneben haben sich in den letzten Jahren jedoch viele Präparate auf biologischer Basis etabliert (sog. „Orthobiologics“). Bei diesen findet keine (bio)chemische Blockade von einzelnen Zielproteinen oder Stoffwechselwegen wie z.B. der Cyclooxygenase bei den NSAID statt. Es handelt sich zumeist um Multikomponenten-Präparate mit vielen Hundert bis Tausend kleinen Molekülen, die bioaktiv werden und auf vielen verschiedenen Ebenen einen Effekt auslösen können. Beispiele hierfür sind die Blutplasma-Derivate wie Platelet-Rich-Plasma (PRP) und autologes conditioniertes Serum (ACS, BCS), aber auch schon seit längerem etablierte Arzneimittel mit pflanzlichen Bestandteilen wie z.B. Traumeel und Zeel (10). Die Art und Stärke der Wirkung dieser Präparate hängt dabei neben der Zusammensetzung des Ausgangsmaterials entscheidend vom Zustand des Gewebes bzw. des Regulationssystems ab, in das sie appliziert werden. Es konnten hierbei Wirkungen auf zellulärer, molekularer und auch auf Ebene der Genexpression identifiziert werden, deren Summe eine Down-Regulation bzw. Auflösung von Entzündungsprozessen nahelegt (10, 12).

Ein wichtiges Entscheidungskriterium zur Auswahl, Einsatz und Kombination biologischer Injektionspräparate ist die Verletzungsart und -ausdehnung, sowie die angestrebte Wirkung hinsichtlich einer reinen Modulation der Gewebsprozesse oder der Stimulierung von bindegewebiger Heilung. So kann bei falscher Indikation oder Anwendung das Risiko für eine überschießende Narbenbildung oder Kalzifikationen, sowie für Re-Verletzungen gerade beim Einsatz von Blutderivaten erhöht werden (13). Andererseits scheinen diese gerade zur Behandlung von größeren Muskelverletzungen insbesondere mit Faszien- oder Sehnenbeteiligung besonders wertvoll zu sein. Ein möglicher Grund hierfür kann in der effektiven Stimulation von Granulations- und Bindgewebsbildung, sowie der Kollagenfasersynthese durch Blutbestandteile liegen.

Für Muskelprobleme mit geringer struktureller Schädigung und starker entzündlicher Komponente, wie bei Verhärtungen (funktionelle Muskelverletzungen), Zerrungen oder schwerer DOMS hat sich eine Injektionstherapie z.B.  mit ausschließlich Traumeel in Kombination mit einem kurzwirksamen Lokalanästhetikum mit geringer Gewebetoxizität (z.B. Meaverin 0,5 %) über viele Jahre in der Praxis der Autoren bewährt. Oft ist bereits am Tag nach der Behandlung ein deutlicher Erfolg mit Schmerzreduktion und Regulation des Muskeltonus zu beobachten.

Infiltrationstherapie
Abb. 1: Infiltrationsbehandlung einer funktionellen Muskelverletzung mittels Injektion von Traumeel (Tr14) und Meaverin 0,5% unter Verwendung einer sog. Dentalkanüle zur atraumatischen Applikation unter sterilen Kautelen © Doyscher

Auch legen Studien nahe, dass eine Kombination von Traumeel mit Plasmaderivaten (z.B. Actovegin, BCS etc.) einen additiven positiven Effekt auf die verletzte Muskulatur zu haben scheint (1, 6).

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Infiltrationstherapie ist keine Stand-alone-Therapie

Neben den biochemischen Prozessen spielen aber auch mechanische und physikalische Stimuli in den Heilungsphasen eine entscheidende Rolle und interagieren mit den biochemischen und zellulären Regelkreisen. Neben den Wirkungen zur Lymphdrainage und Wärmetherapie, sowie den Trainingsstimuli in den späteren Remodellingphasen gibt es hierzu aber leider bislang kaum gefestigte wissenschaftliche Evidenz. Es kann aber wohl als weitgehend anerkannt gelten, dass Injektionsbehandlungen bei Muskelverletzungen nicht als Stand-alone-Therapie eingesetzt werden sollten, sondern vielmehr in ein umfassendes Behandlungskonzept, bestehend aus physikalischen und manuellen Anwendungen, sowie aktiver Beübung (MTT) eingebettet sind, die an die Phasen des individuellen Heilungsverlaufs angepasst werden (4, 9).

Leider gibt es auch zum Mehrwert von Therapiekombinationen und deren genauer zeitlichen Abfolge kaum Evidenz. Behelfsweise kann bzw. muss man sich in der Praxis daher am Lokalbefund des Gewebes (Schwellung, Muskeltonus, Druckschmerzhaftigkeit) und dem subjektiven Empfinden des Athleten, sowie nicht zuletzt der eigenen Erfahrung oder dem Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen und Kollegen orientieren, um den richtigen Zeitpunkt für die individuellen Behandlungstermine und Zeitabstände zu definieren.

■ Heel GmbH
Autoren: Dr. med. Ralf Doyscher, Borussia VFL 1900 Mönchengladbach GmbH, Mönchengladbach, Prof. h.c. Dr. med. Almut Tempka, Zentrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Campus Virchow Klinikum, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin und Physiotherapie- und Präventionszentrum GbR, Campus Virchow Klinikum, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin.

 

Quellen:

  1. Belikan P, Nauth L, Färber LC, et al. Intramuscular Injection of Combined Calf Blood Compound (CFC) and Homeopathic Drug Tr14 Accelerates Muscle Regeneration In Vivo. Int J Mol Sci. 2020; 21: 2112. doi:10.3390/ijms21062112

  2. Dolkart O, Liron T, Chechik O, et al. Statins enhance rotator cuff healing by stimulating the COX2/PGE2/EP4 pathway: an in vivo and in vitro study. Am J Sports Med. 2014; 42: 2869-2876. doi:10.1177/0363546514545856

  3. Gabbett TJ. The training-injury prevention paradox: should athletes be training smarter and harder?. Br J Sports Med. 2016; 50: 273-280. doi:10.1136/bjsports-2015-095788

  4. Heiderscheit BC, Sherry MA, Silder A, Chumanov ES, Thelen DG. Hamstring strain injuries: recommendations for diagnosis, rehabilitation, and injury prevention. J Orthop Sports Phys Ther. 2010; 40: 67-81. doi:10.2519/jospt.2010.3047

  5. Klein C, Bloch H, Burkhardt K, Kühn N, Pietzonka M, Schäfer M.VBG Sportreport 2020 – Analyse des Unfallgeschehens in den zwei höchsten Ligen der Männer: Basketball, Eishockey, Fußball, Handball. VBG. 2020.

  6. Langendorf EK, Klein A, Rommens PM, Drees P, Ritz U, Mattyasovszky SG. Calf Blood Compound (CFC) and Homeopathic Drug Induce Differentiation of Primary Human Skeletal Muscle Cells. Int J Sports Med. 2019; 40: 803-809. doi:10.1055/a-0915-2306

  7. Mackey AL, Kjaer M, Dandanell S, et al. The influence of anti-inflammatory medication on exercise-induced myogenic precursor cell responses in humans. J Appl Physiol. 2007; 103: 425-431. doi:10.1152/japplphysiol.00157.2007

  8. Markworth JF, Maddipati KR, Cameron-Smith D. Emerging roles of pro-resolving lipid mediators in immunological and adaptive responses to exercise-induced muscle injury. Exerc Immunol Rev. 2016; 22: 110-134.

  9. Pas HI, Reurink G, Tol JL, Weir A, Winters M, Moen MH. Efficacy of rehabilitation (lengthening) exercises, platelet-rich plasma injections, and other conservative interventions in acute hamstring injuries: an updated systematic review and meta-analysis. Br J Sports Med. 2015; 49: 1197-1205. doi:10.1136/bjsports-2015-094879

  10. Schneider C. Traumeel - an emerging option to nonsteroidal anti-inflammatory drugs in the management of acute musculoskeletal injuries. Int J Gen Med. 2011; 4: 225-234. doi:10.2147/IJGM.S16709

  11. Schwab JM, Chiang N, Arita M, Serhan CN. Resolvin E1 and protectin D1 activate inflammation-resolution programmes. Nature. 2007; 447: 869-874. doi:10.1038/nature05877

  12. St Laurent G 3rd, Seilheimer B, Tackett M, et al. Deep Sequencing Transcriptome Analysis of Murine Wound Healing: Effects of a Multicomponent, Multitarget Natural Product Therapy-Tr14. Front Mol Biosci. 2017; 4: 57. doi:10.3389/fmolb.2017.00057

  13. Wright-Carpenter T, Klein P, Schäferhoff P, Appell HJ, Mir LM, Wehling P. Treatment of muscle injuries by local administration of autologous conditioned serum: a pilot study on sportsmen with muscle strains. Int J Sports Med. 2004; 25: 588-593. doi:10.1055/s-2004-821304