Experten aktualisieren Therapieschema zu Muskelverletzungen
Steinbach-Talk: Update Muskelverletzungen
Egal ob beim Wintersport, in der Leichtathletik oder bei Fußballspielen: Mit Muskelverletzungen sind die Experten des Steinbach-Talks bestens vertraut. Alljährlich tauschen sie sich zu ihren Erfahrungen bei der Behandlung von Profi- und Hobbysportlern sowie zu aktuellen Erkenntnissen aus der Forschung aus. Darauf aufbauend erarbeiten sie praxisrelevante Diagnose- und Therapieempfehlungen für niedergelassene Orthopäden und Unfallchirurgen, Allgemeinmediziner und Internisten.
Die diagnostischen Möglichkeiten, die Behandlung und die Prognose von Muskelverletzungen hängen in erster Linie von der jeweiligen Art der Verletzung ab. Traditionell wird dabei zwischen Überlastungen wie dem Muskelkater bzw. der Delayed Onset Muscle Soreness (DOMS), indirekten Verletzungen wie einem Muskelfaser- oder Muskelbündelriss und direkten Verletzungen wie einer Prellung oder Muskeldurchtrennung unterschieden.
Prognose richtig einschätzen
»Bei Muskelfaser- und Muskelbündelrissen wird die Behandlungsdauer und Ausfallzeit maßgeblich durch den Anteil der Bindegewebsverletzung bestimmt«, erklärte Dr. Ralf Doyscher, Mannschaftsarzt der Borussia VfL 1900 Mönchengladbach. So könne sich die Regenerationszeit deutlich verlängern, wenn Faszien, Septen oder intramuskuläre Sehnen mitbeschädigt wurden. Dieser Tatsache wie auch der klinisch sinnvollen und relevanten Unterteilung der Muskelbündelrisse in solche mit und solche ohne funktionelle Defizite wurde im aktualisierten Therapieschema zu Muskelverletzungen Rechnung getragen (1). So werden dort Muskelverletzungen nicht nur differenzierter als in bisherigen Klassifizierungen eingeteilt, sondern es finden sich auch ungefähre Richtwerte für die entsprechend unterschiedlichen Behandlungsdauern.
NSAR nur vorübergehend einsetzen
Auch im Bereich der Therapie gab es Neuerungen. So weisen die Experten jetzt explizit darauf hin, dass Kortikoide bei Muskelverletzungen gar nicht zum Einsatz kommen dürfen und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac und Ibuprofen nur in den ersten zwei bis drei Tagen gegeben werden sollten. »NSAR verzögern die Regeneration von Muskeln und Sehnen«, erläuterte Doyscher.
Die wissenschaftliche Erklärung hierfür lieferte Prof. Oliver Werz, Leiter des Lehrstuhls für Pharmazeutische/Medizinische Chemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der als Gast zum diesjährigen Steinbach-Talk geladen war: »Im Anschluss an die Akutphase einer Entzündung erfolgt eine Umstellung von proinflammatorischen zu spezialisierten proresolvierenden Mediatoren (SPM), welche die Auflösung der Entzündung einleiten. Dieser Prozess ermöglicht die Wiederherstellung der Homöostase und schafft so die Voraussetzungen für die Regeneration. Doch Entzündungsblocker wie NSAR hemmen gewisse Botenstoffe, die auch für die Auflösung der Entzündung verantwortlich sind.«
Auflösung der Entzündung unterstützen
Eine Kombination aus 14 pflanzlichen und mineralischen Inhaltsstoffen (Tr14, Traumeel® S) würde die Entzündungsauflösung hingegen fördern, so Werz. Im Mausmodell und in vitro an humanen Makrophagen konnte gezeigt werden, dass Traumeel® S die Efferozytose (Phagozytose apoptotischer neutrophiler Granulozyten), die Produktion von Spezialized pro-resolving mediators (SPM) sowie das Verhältnis von proinflammatorischen zu proresolvierenden Mediatoren verbessert und die Auflösung der Entzündung beschleunigt (2).
Welche Erfolge sich in der Praxis mit dem natürlichen Arzneimittel erzielen lassen, verdeutlichte Andrew Lichtenthal, leitender Verbandsarzt des deutschen Leichtathletikverbandes, anhand von verschiedenen Fallbeispielen. Er setzt dabei nicht nur auf eine lokale Verabreichung in die betroffene Region, sondern auch auf eine segmentale Mitbehandlung der Lendenwirbelsäule. »Wenn es oben nicht stimmt, kann es unten nicht gut werden«, so Lichtenthal. Die medikamentöse Behandlung sollte deshalb am besten mit Physiotherapie kombiniert werden. Eine Übersicht zu den verschiedenen ergänzenden Methoden ist ebenfalls im neuen Therapieschema enthalten.
Verletzungen von Anfang an vorbeugen
Darüber hinaus liefern die Autoren wertvolle Hinweise zur Prävention von Muskelverletzungen. Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie mahnte Lichtenthal: »Wir haben während der vergangenen Welt- und Europameisterschaft gelernt, dass wir Infektionskrankheiten nicht unterschätzen dürfen.« Da ein Infekt das Risiko für eine Verletzung erhöht, sollte man bis zur Genesung besser auf das Training verzichten.
Der Steinbach-Talk ist ein jährlich stattfindendes interdisziplinäres Treffen von zwölf führenden Sportmedizinern und Physiotherapeuten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Expertenrunde setzt sich aus renommierten Medizinern und Betreuern zusammen, die u. a. für Profivereine, den Deutschen Olympischen Sportbund, den Deutschen Skiverband, den Deutschen Leichtathletik-Verband und in der individuellen Betreuung von Leistungssportlern aktiv sind.
Alle Therapieschemata, eine vollständige Liste der Experten des Steinbach-Talks und weitere Informationen finden sich auf dem Fachportal www.sportmed.info.
■ Heel GmbH
Quellen:
Doyscher R, et al. Abstract auf der 71. Jahrestagung der VSOU e. V. vom 27.–29.04.2023 in Baden-Baden; Abstract-Nr.: VSOU23-2031; Submission 05.01.2023
Jordan PM, et al. Pharmaceuticals (Basel). 2021; 14: 1123.