Seite 2 / 3

Fortsetzung Die wollen doch nur spielen! Trainingsgestaltung, Verletzungsprävention und Risikofaktoren bei Ü40-Sportlern

Risikofaktoren der Freizeitkicker

Um die Entstehung der Verletzungen, Risikofaktoren und Möglichkeiten der Prävention besser zu verstehen, lohnt es sich, die Zielgruppe genauer zu charakterisieren. Prof. Dr. Tim Meyer vom Institut für Sport und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes hat zusammen mit Kollegen die Gruppe der Altherrenfußballer näher unter die Lupe genommen: »Diese Männer sind eine wichtige Zielgruppe für die Sportmedizin. Wir haben festgestellt, dass sich Fußballspieler zwischen 40 und 60 Jahren in den klassischen Risikofaktoren, also Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Cholesterin, Übergewicht und Rauchen, kaum von einer Referenzgruppe gleichen Alters aus der Normalbevölkerung unterscheiden. Sie sind nur fitter, was natürlich durchaus vorteilhaft ist.«

Dass diese Sportler so wenig von den in Untersuchungen gezeigten zahlreichen positiven Effekten des Fußballs profitieren, hat wahrscheinlich mehrere Gründe. Zum einen wurden diese Untersuchungen zumeist an jüngeren Spielern gemacht, während Längsschnittstudien zu den Langzeiteffekten fehlen. Zudem folgen Training und Wettkampf im Ü-Fußball nicht oder nur selten den von der WHO oder dem American College of Sports Medicine empfohlenen Maßgaben zur körperlichen Aktivität (150 Minuten/Woche aerobe körperliche Aktivität mit moderater Intensität).

Die alten Herren trainieren im Durchschnitt maximal einmal wöchentlich für 60 bis 90 Minuten und absolvieren ein (Liga-)Spiel pro Woche; im Durchschnitt sind es mit Training und Wettkampf zusammengenommen 0,9 Aktivitäten pro Woche. Im Training liegt die durchschnittliche Herzfrequenz – ebenso wie im Spiel wohlgemerkt – bei zwischen 77 und 80 ± 8 bzw. 7 Prozent der HRmax (4). »Das Training ist oft recht unstrukturiert ohne spezielles Aufwärmen oder Taktiktraining.

Eigentlich wollen die Ü-Fußballer nur spielen«, fasst Professor Meyer das übliche Vorgehen zusammen. Er ergänzt: »Die so genannte dritte Halbzeit, also das Biertrinken danach, ist aus medizinischer Sicht natürlich auch nicht förderlich.«

Verletzungshäufigkeit wie im Profifußball

Das Training, das dem reinen Spielspaß dient, ist leider für die Prävention von Verletzungen nicht sehr hilfreich. Die Verletzungsinzidenz liegt in der Altherrenzielgruppe mit 4,5 Verletzungen pro 1000 Stunden Training und 26,7/1000 Stunden Spiel etwa genauso hoch wie im Profifußball (2). Am häufigsten sind Muskelverletzungen, die teilweise auch schwer sind.

Dr. Maren Witt ist Professorin für Sport­biomechanik an der Universität Leipzig und erklärt, wo die Ursachen für die hohe Zahl an Verletzungen in High-Impact-Sportarten liegt: »Solange die Sportler ausreichend trainiert sind und die intensiven Bewegungen durch eine gute muskuläre Koordination unterstützt wird, treten kaum Probleme auf. Doch in der Regel steigt mit zunehmendem Alter, durch sitzende Tätigkeiten und zu wenig Bewegung, die Körpermasse. Die Muskulatur und die sensomotorischen Fähigkeiten nehmen aber nicht im notwendigen Verhältnis zu, sondern meist sogar eher ab.«

Dennoch ist der Ehrgeiz noch (mindestens) genauso groß wie im Sturm und Drang der Jugend und jungen Erwachsenenjahre. Verletzungen der Muskulatur, wie sie auch beobachtet werden, sind die Folge. Mit zunehmendem Alter finden zudem biologische Änderungen am Knochen und an den Knorpeln statt. Der katabole Knochenstoffwechsel überwiegt und bedingt eine langsame und stetige Abnahme der Knochendichte, wenn nicht mit körperlicher Aktivität regelmäßig dagegen gearbeitet wird. Die Knorpelstrukturen speichern weniger Flüssigkeit, die beim Knorpel sowieso begrenzte Regenerationsfähigkeit nimmt weiter ab und die Abnutzungserscheinungen der vorhergehenden Jahrzehnte tun ihr Übriges.

Bild Maren Witt
Dr. Maren Witt, Professorin für Sportiomechanik an der Universität Leipzig © Witt M

Hat sich der Körperschwerpunkt durch eine Gewichtszunahme, die nicht durch adäquate Muskulatur und sensomotorische Fähigkeiten ausgeglichen wird, verschoben, ändert sich auch die Belastung der Lendenwirbelsäule. Bei Sprüngen, wie sie in High-Impact-Sportarten typisch sind, potenzieren sich die Kräfte und enorme Belastungen der Strukturen sowie große Muskelkraftmomente treten auf.

Nächste Seite: Präventionsarbeit — den Ehrgeiz drosseln