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Die wachsende Bedeutung immunregulatorischer Effekte von körperlicher Aktivität

Editorial der Ausgabe #12/2017 der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin und Prävention (DZSM) von Prof. Karsten Krüger. Der Wissenschaftler arbeitet schwerpunktmäßig an molekularen und zellulären Grundlagen trainingsinduzierter Anpassungen und Mechanismen anti-entzündlicher Effekte von Sport. In seinem Beitrag beleuchtet er die Rolle chronisch-subklinischer Entzündungen in der Pathogenese zahlreicher innerer, orthopädischer, neurologischer und psychischer Erkrankungen.

Die wachsende Bedeutung immunregulatorischer Effekte von körperlicher Aktivität
© Artem / Adobe Stock

Die Evidenzen für eine bedeutende Rolle chronisch-subklinischer Entzündungen in der Pathogenese zahlreicher innerer, orthopädischer, neurologischer und psychischer Erkrankungen verdichten sich stetig. Betrachtete man systemisch-entzündliche Veränderungen noch vor einigen Jahren als Epiphänomen oder Symptom vieler Erkrankungen, hat sich nun der Fokus verstärkt auf immunologische Ursachen entsprechender pathophysiologischer Prozesse gerichtet. Ein Beispiel hierfür ist der Diabetes Typ II, bei dem das Zytokin Tumornekrosefaktor (TNF)-α eine bedeutende Rolle in der Störung der Insulinsignale zu haben scheint. Gleichzeitig verstärken sich Evidenzen, welche die Rolle des Interleukin (IL)-1β bei der Entstehung von Zellschäden der Beta-Zellen des Pankreas anzeigen.

Mit der Bedeutung von Entzündungsprozessen in der Entstehung von Tumorerkrankungen beschäftigen sich mittlerweile viele spezialisierte Arbeitsgruppen und sogar ein DFG-Sonderforschungsbereich. Bei anderen inflammatorischen Erkrankungen, wie der rheumatoiden Arthritis, ist die Entzündung nicht nur maßgeblich an der Pathogenese beteiligt, sondern bedingt auch kardiovaskuläre Komorbiditäten. Eine Entzündung scheint also ein bedeutender pathophysiologischer Mediator zwischen Grunderkrankung und vergesellschafteten Risikofaktoren bzw. Komorbiditäten zu sein (1, 3, 11).

„Inflammaging“ und „Metaflammation“

Gleichzeitig geht auch der Alterungsprozess in der zweiten Lebenshälfte mit einer erhöhten systemisch-inflammatorischen Aktivität einher, weshalb der Begriff Inflammaging derzeit häufig in der wissenschaftlichen Literatur gebraucht wird. Inflammaging impliziert, dass sich mit steigendem Lebensalter die basale Aktivität des angeborenen und adaptiven Immunsystems hochreguliert (8). Dabei spielt die Akkumulation seneszenter Zellen eine wichtige Rolle, die erstarrt in einer Phase des Zellzyklus große Mengen inflammatorischer Zytokine bilden. Man spricht von einem zellulären Switch zu einem Senescent-Associated Secretory Phenotype (SASP), welcher derzeit im Fokus altersbedingter Dysfunktionen von Organen und damit als Ursache altersbegleitender Erkrankungen steht (12).

Lebensstilbedingte Risikofaktoren oder Erkrankungen, wie die Adipositas, beschleunigen und verstärken das Inflammaging, da in Adipozyten des viszeralen Fettgewebes stoffwechsel-induzierte Stresssignale ebenfalls Entzündungsprozesse einleiten. Ein solcher metabolisch-induzierter, steriler Entzündungsprozess, der primär seinen Ausgangspunkt in metabolischen Zellen hat, wird als Metaflammation bezeichnet (7, 12).

Bild Karsten Krüger
Prof. Dr. rer.nat. Karsten Krüger, Leitung des Arbeitsbereichs „Sport und Gesundheit“, Leibniz Universität Hannover © Krüger
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