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Die Entstehung der experimentellen Sportorthopädie

Editorial der Ausgabe #5/2016 der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin (DZSM). Prof. Romain Seil berichtet darin gemeinsam mit Prof. Henning Madry über die Entwicklungen der experimentellen Sportorthopädie aus der Orthopädie heraus sowie deren gesamtes Gebiet der physiologischen, pathologischen und therapeutischen Aspekte von Geweben des Stütz- und Bewegungsapparates.

Die Entstehung der experimentellen Sportorthopädie
© Jackie Niam / AdobeStock

Ziel der Sportorthopädie ist es, das Verständnis von sportlicher Belastung und Verletzungen zu verbessern, um die muskuloskelettale Funktion und Lebensqualität von Athleten und Patienten zu erhalten (GOTS Leitbild; www.gots.org). Kaum eine medizinische Sparte hat in den vergangenen 2 Jahrzehnten eine derart rasante Entwicklung vollzogen wie die Sportorthopädie. Die Ursachen hierfür liegen einerseits in der schnellen Weiterentwicklung der medizinischen Technik, andererseits aber auch im schnellen gesellschaftlichen Wandel. Erstere hat dazu beigetragen, die Vielzahl von Sportverletzungen besser zu verstehen. Schnittbild- und arthroskopische Verfahren schafften die Voraussetzungen dafür, dass die anatomo-pathologischen Grundlagen der Verletzungen besser erfasst werden können. Die neu entstandenen, meist minimalinvasiven, operativen Techniken haben es uns ermöglicht, innerhalb kurzer Zeit erhebliche therapeutische Fortschritte zu erzielen und nicht selten die Anatomie nach einer Sportverletzung wiederherzustellen.

Obwohl die experimentelle Forschung an Gelenkerkrankungen seit fast 2 Jahrhunderten existiert, wurde der Begriff der experimentellen Orthopädie bislang selten mit dem Überbegriff „Sport“ assoziiert. Um dem o. a. Leitbild der Sportorthopädie aber gerecht zu werden, sind Ärzte und Forscher gefordert, immer neue Wege in Richtung Verständnis und Therapie von Sportverletzungen zu beschreiten.

Die immer höhere Präzision ihrer reparativen oder rekonstruktiven Arbeit am Patienten hat dazu geführt, dass sich die experimentelle Basis der Sportorthopädie immer häufiger in Richtung Grundlagenforschung bewegt, so dass der Begriff der experimentellen Sportorthopädie in den vergangenen Jahren entstanden ist (4). Besonders die schnelle Evolution der biomedizinischen Forschung in den vergangenen 30 Jahren hat unsere Sichtweisen zur Funktion des Stütz- und Bewegungsapparates im Kontext der Sportorthopädie auf molekularer und zellulärer Ebene deutlich erweitert.

Diese experimentelle Sportorthopädie beschäftigt sich mit dem gesamten Gebiet der physiologischen, pathologischen und therapeutischen Aspekte von Geweben des Stütz- und Bewegungsapparates, wie beispielsweise des hyalinen Gelenkknorpels, von Sehnen und Bändern, Menisken, des Knochens und anderer Gewebe. Wissenschaftliche Untersuchungen finden auf allen Ebenen, wie beispielsweise den molekularen, proteinbiochemischen, zellulären, organischen und biomechanischen Gebieten statt. Sie spannen einen Bogen bis hin zu sportorthopädisch relevanten translationalen Tiermodellen und ihrer Analysen mittels MRT, Computertomografie sowie präziser struktureller und funktioneller Bewertungssysteme – wie auch der Biomechanik. Somit vereinigt sich hier die Präzision und Kunst der rekonstruktiven Chirurgie mit der systematischen Methodik der Grundlagenforschung. Forschungstechnisch findet sich diese neue Disziplin demnach in der regenerativen Medizin verankert.

Bild Romain Seil
Prof. Dr. med. Romain Seil, Abteilung für Orthopädie, Centre Hospitalier de Luxembourg – Clinique d’Eich, Luxemburg, Luxemburg © Seil
Bild Henning Madry
Prof. Dr. med. Henning Madry, Lehrstuhl für Experimentelle Orthopädie und Arthroseforschung, Universität des Saarlandes, Homburg © Madry
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