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Fortsetzung Cannabis – bei Sportlern beliebt: Rauschmittel, Medizin oder Doping?

Nicht leistungssteigernd, aber angstlösend

Aus den oben genannten potenziell leistungssteigernden oder die Risikobereitschaft erhöhenden Gründen ist Cannabis im Wettkampf verboten. Um Athleten zu überführen, die es einsetzen, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, hat man die Grenze zum Dopingvergehen auf 150 ng/ml Urin festgesetzt. Da Abbauprodukte des THC mehrere Tage bis sogar Wochen nach dem Konsum nachgewiesen werden können, war die Abgrenzung zwischen Freizeitkonsum und Wettkampfdoping beim früheren Grenzwert von 15 ng/ml Urin schwieriger. Athleten, die ohne Dopingvorsatz hin und wieder einen Joint rauchen, werden so geschützt.

Neben dem Aspekt der Leistungssteigerung verstößt die Einnahme von Cannabis vor allem gegen das zweite und dritte Kriterium der WADA: Sie gefährdet die Gesundheit, verstößt gegen den Sportsgeist und negiert sportliche Werte wie Ethik, Fair Play und Ehrlichkeit.

Körperliche Auswirkungen und Abhängigkeit

Auch wenn die körperlichen Auswirkungen von Cannabis relativ gering sind, kann die Erhöhung von Herzschlag und Blutdruck zu Problemen führen. Es sind Fälle bekannt, in denen Cannabis Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkte und vermutlich auch Schlaganfälle verursacht oder begünstigt hat. Hierzu ist vermutlich eine Disposition notwendig. Zudem scheint die Häufigkeit des Konsums von Bedeutung. Gelegenheitskonsumenten haben ein deutlich geringeres Risiko (2,3-fach erhöht) als Personen, die wöchentlich oder öfter Cannabis zu sich nehmen (4,7-fach erhöht) (10).

Cannabis besitzt ein Abhängigkeitspotenzial. Es ist jedoch deutlich geringer als bei vielen anderen Substanzen und tritt nur beim chronischen Konsum größerer Mengen auf. Nicht zu unterschätzen ist die Tatsache, dass der THC-Gehalt bei illegal erworbenem Cannabis in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist. Über die Konsummengen bei Sportlern gibt es keine konkreten Untersuchungen. Da bei chronischem Konsum weitere negative Effekte auftreten (Lungenprobleme durch das Rauchen, Husten, kardiovaskuläre Schäden, Fettleber, psychische Störungen), scheint er mit Hochleistungssport schwer zu vereinbaren. Über kurz oder lang wäre ein positiver Dopingtest wahrscheinlich. Besonders der Cannabiskonsum von Jugendlichen ist kritisch zu bewerten, da zahlreiche Untersuchungen langfristige negative Wirkungen auf die Gehirnentwicklung, die Neigung zu Depressionen und die Selbstmordraten bestätigen (4).

Die Einflussmöglichkeiten von Canna­bis auf das Gehirn sind im Endocannabinoidsystem verortet. Es wirkt während der Kindheit an einer Reihe von Reifungsprozessen mit, z. B. an der kortikalen Entwicklung, der Regulation der Zelldifferenzierung oder der Differenzierung, Migration und dem Überleben von Nervenzellen. Strukturen im Gehirn, in denen eine große Anzahl von Cannabinoidrezeptoren vorhanden sind, sind bei Cannabiskonsumenten vorrangig von Strukturänderungen betroffen, so etwa die Amygdala, der Hippocampus, das Striatum und das Zerebellum. Während der massiven Umstrukturierungen des Gehirns in der Pubertät reagiert es besonders empfindlich auf äußere Einflüsse. Das bestätigen auch Untersuchungen, die zeigen, dass die strukturellen Unterschiede im Gehirn umso größer sind, je früher im Leben der Cannabiskonsum begonnen wurde. Zuletzt fand eine Untersuchung sogar Veränderungen im Gehirn nach einem selbst angegebenen Konsum von nur insgesamt zwei Joints (8).

Analysen ergaben, dass das Volumen der Grauen Substanz in Hirnregionen, in denen das Endocannabinoidsystem stark aktiv ist (z. B. Amygdala und Hippocampus), höher war als bei der Vergleichsgruppe. Ergänzend fanden die Wissenschaftler, dass die Jugendlichen aus der Cannabisgruppe in neuropsychologischen Tests schlechter abschnitten als die Kontrollgruppe. Logisches Denken, Arbeitsgeschwindigkeit und manuelle Geschicklichkeit waren schlechter als in der gleichaltrigen Kon­trollgruppe. Offenbar können bereits wenige Konsumereignisse ausreichen, um die Entwicklungsvorgänge im jugendlichen Gehirn zu verändern. Das ist auf jeden Fall eine wichtige Erkenntnis, die unbedingt in der Aufklärung über die Wirkungen von bewusstseinserweiternden Substanzen Raum finden muss.

CBD als Schmerzmittel im Sport?

CBD in Form von Ölen erfährt derzeit einen großen Hype. Im Sport wird es wegen seiner schmerzlindernden und antientzündlichen Eigenschaften eingesetzt. Das Nebenwirkungsprofil ist häufig günstiger als bei anderen Schmerzmitteln (z. B. NSAR und Opioide). Dass Schmerzen im Sport Alltag sind, zeigen immer wieder Untersuchungen über die Einnahme von Schmerzmitteln bei Hochleistungsathleten. Viele Sportler sagen selbst, sie seien an keinem Tag schmerzfrei. In der amerikanischen Football-Liga NFL ist offenbar die Einnahme von Cannabis zu medizinischen Zwecken Standard. Der Spieler Martellus Bennett schätzt die Verbreitung in der NFL auf 89 Prozent (9). Wie weit er daneben liegt, ist unklar. Untersuchungen über die »sportliche« Nutzung von Cannabis haben ergeben, dass bei Selbstauskunft weniger Athleten die Verwendung zugeben, als bei toxikologischen Tests positiv auffallen. Doch die Aussage von Bennett stimmt nachdenklich.

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