Gesundheit & Bewegung
ORIGINALIA
Analysis of Sedentary Times of Children and Adolescents

Analysis of Sedentary Times of Children and Adolescents between 4 and 20 Years

Analyse der Sitzzeiten von Kindern und Jugendlichen zwischen 4 und 20 Jahren

Zusammenfassung

Problemstellung: Epidemiologische Untersuchungen zeigen einen bedeutenden Zusammenhang zwischen Sitzzeiten und der Prävalenz von chronischen Erkrankungen. Es ist davon auszugehen, dass der sitzende Lebensstil zur Entwicklung von Adipositas beiträgt. Dies gilt auch für Kinder und Jugendliche. Allerdings wissen wir noch wenig darüber, wie lange und zu welchen Anlässen Kinder und Jugendlichen sitzen.
Methoden: Wir haben mit Hilfe eines validierten Fragebogens die Sitzzeiten von 4385 Kindern und Jugendlichen in Deutschland, Luxemburg und Österreich im Alter von 4-20 Jahren erfasst.
Ergebnisse: Die mittlere Sitzzeit der Kinder und Jugendlichen liegt bei 10,58h (SD=2,68) pro Werk- und 7,52h (SD=2,20) pro Wochenendtag, demnach werden 71% der Wachzeit an Werktagen bzw. 54% der Wachzeit an Wochenendtagen im Sitzen verbracht. Schulbezogene Sitzzeiten sind dominant. Ebenso zeigt die Kontrastanalyse die proportional zur Klassenstufe angenommene, stetig monotone Entwicklung der Sitzzeiten F(12,3262)=58,83 (p<.001) mit einer Varianzaufklärung von η2=17,8% (d=0,93) durch die Klassenstufe.
Diskussion: Unsere Daten bestätigen vorliegende Untersuchungen aus Nordamerika und liefern eine ausreichende empirische Basis, um geeignete Interventionen umzusetzen. Prioritäre Handlungsfelder sind dabei Schule, Schulweg und Mediennutzung.

SCHLÜSSELWÖRTER: Sitzender Lebensstil, Kinder, Jugendliche, Schule

Summary

Problem statement: Epidemiological studies show a significant correlation between sedentary time and the prevalence of chronic diseases. It can be assumed that sedentary lifestyle contributes to the development of obesity. This also applies to children and adolescents. However, we still do not know much about the occasions and the time the children and young people sit.
Approach and methods: With the help of a validated questionnaire we have examined the sedentary time of 4385 children and adolescents in Germany, Luxemburg and Austria aged 4 to 20 years.
Results: The average sitting time of children and adolescents is 10.58h (SD=2.68) per work day and 7.52h (SD=2.20) per weekend day, which means 71% of the time spent awake on working days and 54% on weekend days. School-related seating is dominant. The contrast analysis also shows the continuous monotonous development of the sedentary times F(12,3262)=58.83 (p<.001), which is proportional to the class level, with an explanation of variance of η2=17.8% (d=0.93) for the class level.
Conclusions: Our data confirm existing studies from North America and provide a sufficient basis to implement appropriate interventions. Priority areas for action are school, school path and media use.

KEY WORDS: Sedentary Lifestyle, Children, Adolescents, School

Einleitung

Der gesundheitliche Nutzen körperlicher Aktivität ist seit langer Zeit unbestritten. Neu sind dagegen die Erkenntnisse über die Schädlichkeit des Sitzens, quasi dem „Antipoden“ der körperlichen Aktivität. Das Sedentary Behaviour Research Network schlägt hierfür folgende Definition vor: „Unter dem Begriff sitzendes Verhalten versteht man jede Aktivität während der Wachzeit, die durch einen Energieverbrauch von weniger als 1,5 MET gekennzeichnet ist (eigene Übersetzung)”. Es zeigte sich, dass lange Sitzzeiten von über 8h massive gesundheitliche Auswirkungen haben und positiv mit dem Risiko einer vorzeitigen Sterblichkeit assoziiert sind (31). Inzwischen wurden diese Zusammenhänge durch eine Vielzahl von Studien belegt und differenzierter analysiert. Dabei zeigen sich signifikanten Korrelationen zwischen Sitzzeiten und der Prävalenz der meisten relevanten chronischen Erkrankungen (4, 30, 34).
Auch auf der Suche nach den Ursachen für die gestiegene Prävalenz der Adipositas bei Heranwachsenden geriet der sitzende Lebensstil in den Fokus der Forschung. Allerdings fehlen bis jetzt belastbaren Daten zur „Epidemiologie des Sitzens“ in Deutschland (37).

Forschungsstand und Fragestellung

Untersuchungen im Erwachsenenalter
Im Bereich der Erwachsenen konzentriert sich die Forschung auf drei übergeordnete Aspekte:
- Wie hoch ist der Umfang der Sitzzeit?
- Welches sind die gesundheitlichen Auswirkungen?
- Lassen sich die negativen Auswirkungen kompensieren?

Eine internationale Vergleichsstudie kommt zu der wenig überraschenden Erkenntnis: „Median sitting time varied widely across countries. Assessing sitting time is an important new area for preventive medicine…” (3). Sitzzeiten lassen sich durch Fragebogen oder Akzelerometrie erfassen. Healy et al. raten zur Kombination der beiden Verfahren: ”…. Should incorporate self-reported measures (to capture important domain- and behavior-specific sedentary time information) (23) and device-based measures (to measure both total sedentary time and patterns of sedentary time accumulation)” (14). Die Untersuchung größerer Stichproben ist aus ökonomischen Gründen oft nur mit Fragebögen zu bewältigen. Erste valide Messdaten zeigte die Untersuchung von Owen et al., aus der hervorgeht, dass die durchschnittliche Sitzzeit bei über 9h liegt (29). Es ist sicher von einer hohen interindividuellen Varianz auszugehen, allerdings ist klar, dass damit von zahlreichen Menschen das kritische Ausmaß von mehr als einem Drittel der Tageszeit erreicht wird. Die durchschnittlichen Sitzzeiten von 8-9h pro Tag wurden mit unterschiedlichen Messverfahren in unterschiedlichen Studien bestätigt (11, 23).
Welche gesundheitlichen Risiken sind damit verbunden? Auf der Grundlage der NHANES-Daten wurde von Koster et al. das Mortalitätsrisiko errechnet, welches ab etwa 8h täglicher Sitzzeit deutlich ansteigt (19). Eine Metaanalyse bestätigt den Einfluss der Sitzzeiten sowohl auf Inzidenz als auch auf Mortalität bei kardiovaskulären Erkrankungen, bei Krebs und bei Diabetes Mellitus Typ 2 (4). Vergleichbare Befunde zeigt eine epidemiologische Untersuchung, die ebenfalls die NHANES-Daten nutzt und für die ungünstige Kombination von hohen Sitzzeiten und geringem Bewegungsumfang eine extreme Risikoerhöhung fand “RR for all cause mortality: 7.79“ (34).
Damit wird auch die Frage nach den Kompensationsmöglichkeiten angesprochen. Ein aktuelles Review zeigt, dass moderate Aktivität von mehr als 60 Minuten pro Tag notwendig ist ”to eliminate the increased riks of death associated with high sitting time“ (12).

Untersuchungen von Kindern und Jugendlichen
Inzwischen liegen auch Untersuchungen zum Problem des sitzenden Lebensstils bei Kindern und Jugendlichen vor. Allerdings wurden diese mit sehr unterschiedlichen Methoden, in verschiedenen Altersstufen und in unterschiedlichen Settings erfasst und sind deshalb schwer vergleichbar (1, 2, 9). Einen wichtigen Beitrag liefert die internationale Idefics Studie, die den sitzenden Lebensstil als einen wichtigen Auslöser der Adipositas markiert: “Clusters characterised by high sedentary behaviour, low fruit & vegetables and sugar sweetened beverages consumption and low PA turned out to be the most obesogenic factors…” (33). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die International Study of Childhood Obesity (23). Im Rahmen der Studie ergab die Analyse der Sitzzeiten von kanadischen Kindern einen Durchschnitt von (“self report“) 8,5h pro Tag (22). Eine Querschnittsuntersuchung an über 6500 Kinder zwischen 9 und 11 Jahren zeigt ein enges Zusammenspiel von Sitzzeiten, Umfang der körperlichen Aktivität und dem Adipositasrisiko: “Sedentary time was positively associated with obesity, but not independent of MVPA” (18). In dieselbe Richtung gehen die Ergebnisse einer Untersuchung an 520 8-10-jährigen Kindern “Active children who accumulate >2h/d of screen time and inactive children are equally likely to be overweight/obese” (16). Körperliche Aktivität scheint als zumindest teilweise zur Kompensation von langen Sitzzeiten geeignet.
Mit der Einschulung ist ein Anstieg der Sitzzeiten der Kinder verbunden: “School transition was marked by increased sedentary time“ (7). Die Auswertung von KIGGS-Daten durch Hoffmann et al. zeigt einen „maximalen Zuwachs“ des Körpergewichtes im Alter von 7,2 Jahren (17). Ein Update zu den gesundheitlichen Auswirkungen des sitzenden Lebensstils liefern ebenfalls Carson und Kollegen (6). Der Gesundheitsreport einer Krankenversicherung adressiert in der Befragung das Sitzverhalten der 6-12-jährigen Kinder in Deutschland. Diese sitzen ca. 4h pro Tag, allerdings wurden Sitzzeiten in der Schule nicht erfasst (13).
Obwohl ausreichende Belege für die Gesundheitsrisiken langer Sitzzeiten vorliegen, wissen wir noch wenig darüber, wie lange und zu welchen Anlässen die Kinder und Jugendlichen an Werktagen und an Wochenenden insgesamt sitzen. Erst auf dieser Analyse der Sitzzeiten lassen sich weiterführende Forschungsarbeiten und Interventionen planen. Daraus ergaben sich für diese Untersuchung folgende Fragestellungen:
- Wie lange sitzen Kinder und Jugendliche?
- Wie verteilen sich die Sitzzeiten auf die verschiedenen Sitz-Domänen?
- Wie verändern sich die Sitzzeiten mit zunehmendem Alter?

Methodik

Davon ausgehend, wurde ein Fragebogen entwickelt und bei einer internationalen Stichprobe mit über 4000 Kindern und Jugendlichen eingesetzt.

Fragebogen
Beim Fragebogen handelt es sich um den Heidelberger Fragebogen zur Erfassung des Sitzverhaltens von Kindern und Jugendlichen (24). Dieser erfasst, wie viele Stunden die Kinder und Jugendlichen an einem durchschnittlichen Werk- bzw. Wochenendtag auf 0,5h gerundet (sitzend) innerhalb der folgenden Domänen verbringen:
- Schlafen (Zeit im liegen)
- Essen (im Sitzen)
- Arbeiten im Sitzen in der Schule
- Arbeiten im Sitzen zu Hause
- Wegzeiten im Sitzen
- Sitzaktivitäten im der Freizeit (Spielen, Computer, TV, Kino, Lesen)
- Sonstige Tätigkeiten im Sitzen

Durch die Erhebung der Sitzzeiten in den verschiedenen Domänen sollen die Sitzzeiten erschöpfend erhoben und damit den Forderungen der “Canadian 24 hour Movement Guidelines for Children and Youth“ nachgekommen werden (35).
Die Test-Retest-Reliabilität des Fragebogens beträgt r=0,90, die Kriteriumsvalidität, gemessen an akzelerometrischen Daten, r=0,39 (24).

Statistik

Zur deskriptiven Datenanalyse wurden die Mittelwerte, Standardabweichungen und 95%-Konfidenzintervalle des Gesamtscores sowie der einzelnen Sitzdomänen gebildet. Zur Analyse der Gesamtsitzzeiten wurden die Werktage mit dem Faktor 5, die Wochenendtage mit Faktor 2 gewichtet. Waren Normalverteilung und Varianzhomogenität der Daten gegeben, erfolgte die Unterschiedsprüfung zwischen den Werk- und Wochenendtagen per abhängigem T-Test. Waren die Normalverteilungs- bzw. die Homogenitätsannahme verletzt, geschah die Unterschiedsprüfung mittels Wilcoxon-Test. Da es hierbei zu sieben simultanen Vergleichsrechnungen kommt, wurde das Alpha-Niveau nach Bonferroni auf α=0,008 korrigiert. Zur Interpretation der Unterschiede wurde auf die standardisierte Effektstärke d zurückgegriffen.
Die gerichtete Unterschiedsprüfung zwischen den Klassenstufen erfolgte per Kontrastanalyse, wobei die 13, den Klassenstufen zugeordneten Kontraste immer mit dem unmittelbar folgenden Kontrast verglichen wurden. Als Interpretationsgrundlage diente hierbei die Varianzaufklärung η2, sowie deren Umrechnung in d nach (5). Die Analyse erfolgte via IBM SPSS Version 23. Die Einordnung der Effektgrößen erfolgt entsprechend der Konventionen nach Cohen, Effektstärken von d<0,2 bzw. η2<1% werden als unbedeutend erachtet (10).

Datenbereinigung
Zur Bereinigung der Daten wurden die einzelnen Dimensionen zunächst auf ihre Plausibilität geprüft. Waren hier logisch nicht nachvollziehbare Ausreißer zu erkennen, wurde die Variable auf die 95% um den Mittelwert streuenden Datensätze reduziert. Die bereinigten Variablen wurden anschließend zur Gesamtsitzzeit summiert.

Stichprobe
Über den Zeitraum eines Jahres wurden insgesamt 4385 Schüler aus Deutschland (n=2891), Luxemburg (n=992) und Österreich (n=502) im Alter von vier bis 20 Jahren befragt. Hierbei handelt es sich um Ad-Hoc-Stichproben einzelner Schulkassen. Die Kinder und Jugendlichen rekrutierten sich von der Vorschule bis zur zwölften Klasse und waren zu 49,7% männlichen und 50,3% weiblichen Geschlechtes. Das mittlere Alter der Probanden lag bei 11,0 Jahren (SD=3,0 Jahre). Die Fragebögen wurden innerhalb der Schulen, bzw. im Fall der Vorschulkohorte an einer Kindersportschule (KISS), den Kindern und Jugendlichen ausgeteilt. Befanden sich die Kinder im Vor- bzw. Grundschulalter wurde der Fragebogen zu Hause von den Eltern ausgefüllt. Kinder und Jugendliche ab der 5. Klasse füllten den Fragebogen direkt vor Ort aus.

Ergebnisse

Verteilung der Sitzzeiten an Werk- und Wochenendtagen
Die mittlere Sitzzeit der Kinder und Jugendlichen liegt bei 10,58h (SD=2,68) pro Werk- und 7,52h (SD=2,20) pro Wochenendtag, wonach die Befragten 71% der Wachzeit an Werktagen bzw. 54% der Wachzeit an Wochenendtagen im Sitzen verbringen. Das gewichtete Mittel entspricht demnach einer täglichen Sitzzeit von 9,71h (SD=2,12).
Bezüglich der Werktage fallen hierbei die Sitzzeiten während der Schulzeit mit 4,86h (SD=1,24) (etwa 6,5 Schulstunden) am stärksten ins Gewicht. Die Sitzzeiten während des Lernens zu Hause belaufen sich im Mittel auf 1,14h (SD=0,79). Entsprechend kann der mit der Schule assoziierten Sitzzeit ein Anteil von ca. 57% an der Gesamtsitzzeit eines durchschnittlichen Werktages, bzw. 40% der gesamten werktägigen Wachzeit zugesprochen werden. Sitzzeiten denen Freizeitaktivitäten, insbesondere Bildschirmzeiten, zugeordnet werden können, machen an Werktagen im Mittel 1,85h (SD=1,27) und am Wochenende 3,07h (SD=1,96) aus. Die Schlafzeiten bzw. Zeiten im Liegen werden am Werktag mit 9,11h (SD=1,38) und am Wochenende mit 10,03h (SD=1,25) beziffert (Abb. 1 und 2, Tab. 1).

Unterschiede zwischen Werk- und Wochenendtag
Hinsichtlich der Gesamtsitzzeit zeigt sich ein mit großem Effekt (d=1,2) signifikanter Unterschied zwischen Werk- und Wochenendtag [t(2612)=-69,19 (p<0,001), r(2612)=0,588 (p<0,001)] zugunsten ersterer. Der Zeitaufwand für sedentäre Freizeitaktivitäten liegt hingegen am Wochenende höher, als unter der Woche (d=0,74) [t(3669)=-51,93 (p<0,001), r(3669)=0,683 (p<0,001)]. Weitere Unterschiede zwischen den Werk- und Wochenendtagen zeigen sich in einer Zunahme (d=0,46) der Essenszeiten [t(3237)=-35,73 (p<0,001), r(3237)=0,748 (p<.001)] und dem Anstieg der sonstigen Sitzzeiten (d=0,69) [Z(3345)=-18,91 (p<0,001), rsp(3345)=0,663 (p<0,001)] am Wochenende. Auch gaben die Schüler an, am Wochenende länger zu schlafen, als unter der Woche (d=0,73) [t(3213)=-41,15 (p<0,001), r(3213)=0,344 (p<0,001)]. Die Werktag-Wochenend-Unterschiede zwischen den verbleibenden Domänen können als unbedeutend erachtet werden (d<0,2).

Klassenunterschiede
Die Kontrastanalyse bestätigt die proportional zur Klassenstufe angenommene, proportionale Entwicklung der Sitzzeiten F(12,3262)=58,83 (p<0,001) mit einer Varianzaufklärung vonη2=17,8% (d=0,93) durch die Klassenstufe. Hierbei zeigten elf der zwölf Kontraste, mit Ausnahme des Vergleiches zwischen Klassenstufe 8 und 9 (p=0,568), negative Kontrastschätzer und demzufolge eine Zunahme der Sitzzeit zur vorangegangenen Klassenstufe. Sechs (50%) dieser direkten Klassenvergleiche wiesen eine statistische Signifikanz auf (p<0,05). Dieser Zusammenhang konnte sich auch für die Wochenendtage, wenngleich bei wesentlich geringerer Varianzaufklärung von η2=3,4% (d=0,38) bestätigen [F(11,3174)=7,73 (p<0,001)].

Diskussion

Unsere Befunde zeigen einen stetigen altersbezogenen Anstieg der Sitzzeiten von Kindern und Jugendlichen. Dieser positive Zusammenhang von Sitzzeit und Klassenstufe bzw. Alter konnten bereits Matthews und Kollegen an einer Stichprobe von 1281 US-amerikanischen Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 19 Jahren zeigen (26). Ebenso kamen Ruiz et al. zu einer mit jedem Lebensjahr stetigen Zunahme der mittleren Sitzzeit bei 2200 Jugendlichen im Alter von 12,5 bis 17,5 Jahren (32). Dies zeigen auch längsschnittliche Daten von Ortega et al., es findet sich eine signifikante Zunahme der Sitzzeit schwedischer bzw. estnischer Kinder und Jugendlicher: “Sedentary time significantly increased from childhood to adolescence to a yearly rate of 20 and 15 min/d, in boys and girls respectively;“ (28).
Die erhobene gewichtete mittlere Sitzzeit von 9,7h überschätzt etwas die internationale Datenlage zur Thematik. So liegen die per Akzelerometer objektiv erhobenen Sitzzeiten von Kindern und Jugendlichen in der westlichen Welt im Mittel zwischen 7,5 und 9,5h, wobei hier unklar ist, inwieweit die Tragezeit der Akzelerometer den gesamten Tag abdeckt (8, 21, 25, 28, 32, 38). Im Gegensatz hierzu berichten Witzel et al. in einer aktuellen deutschen Fragebogenuntersuchung an 1300 Schülern der 8. Klasse eine mittlere Sitzzeit von 7h (37). Allerdings liegt der Unterrichtsumfang in dieser Klassenstufe bei mindestens 5h, so dass 7h Gesamtsitzzeit eher auf eine Unterschätzung hindeuten. Der beträchtliche Unterschied zwischen Werktagen und Wochenende ist ein Beleg für die Bedeutung schulbedingten Sitzzeiten. Dafür steigen die Sitzzeiten für Freizeittätigkeiten am Wochenende. Ebenfalls bestätigt wird in unseren Daten der sprunghafte Anstieg der Sitzzeiten zur Einschulung, dies ist sicher auch im Zusammenhang mit der deutlichen Zunahme der Adipositasprävalenz relevant (20).

Limitationen

Eine Limitierung unserer Studie liegt sicher im Einsatz des Fragbogens. Gerade für Kinder unter zehn Jahren bestehen hierbei allgemeine Zweifel an Validität und Reliabilität (36). Auch ist die Kriteriumsvalidität, gemessen an akzelerometrischen Daten mit r=.39 an der hinsichtlich des Alters mit im Mittel 11,4 Jahren (SD=2,9) vergleichbaren Stichprobe, nicht überragend. Allerdings entspricht die Stärke des Zusammenhanges, dem anderer Aktivitätsfragebögen (15). Im Sinne der größeren Stichprobe bieten sich jedoch nur unter großem Kostenaufwand validere Alternativen an. Ebenfalls wurden die Klassen zufällig ausgewählt, es gab keine Quotenstichprobe die Wohnortgröße und Region berücksichtigt.
Allerdings zeigt die Konsistenz der Daten, dass damit eine ausreichende empirische Basis geschaffen wurde, die es rechtfertigt, geeignete Interventionen nicht nur zu entwickeln, sondern möglichst schnell zu implementieren und auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Prioritäres Handlungsfeld ist hier die Schule aber auch der Schulweg. Gegenstand zukünftiger Analysen muss ferner die Exploration von Determinanten des Sitzen sein, also inwieweit Medienbesitz oder die Vereinszugehörigkeit der Kinder und Jugendlichen, die Sitzzeiten beeinflussen. Eine zentrale Fragestellung wird auch der Zusammenhang von Sitzzeiten und Übergewicht bzw. Adipositas sein, optimalerweise in prospektivem Design.

Fazit

Unter Berücksichtigung der dargelegten Evidenz und dem gewaltigen Anteil, welchen sitzende Tätigkeiten im Alltag der Kinder und Jugendlichen einnehmen, müssen empirische Untersuchungen z. B. im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung neben der bis dato noch ungenügenden Aktivitätserfassung auch die Sitzzeiten erheben.

Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen:
Keine

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Prof. Dr. Gerhard Huber
Institut für Sport und Sportwissenschaft
Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 700
69120 Heidelberg
gerhard.huber@issw.uni-heidelberg.de