Sportorthopädie
EDITORIAL

Die Olympischen Spiele als Vorbild – Medizinisch interdisziplinär und langfristig auf Präventionsstrategien ausgerichtet

The Olympic Games as a Model – Oriented Medically to Interdisciplanary Cooperation and Prevention Strategies for the Long Term

Die Olympischen Spiele stehen seit jeher im Fokus der Öffentlichkeit. Gleiches gilt auch für den Gesundheitszustand der Athleten, welcher vor und während der Spiele auch zunehmend medial beachtet wird.

Bei den Olympischen Spielen in London 2012 nahmen insgesamt 10 568 Athleten (4676 Frauen und 5892 Männer) aus insgesamt 204 Staaten teil. Im Rahmen einer IOC-Erhebung wurden in dieser Periode 1361 Verletzungen und 758 Erkrankungen registriert. Dies entspricht einer Inzidenz von 128,8 Verletzungen und 71,7 Erkrankungen pro 1000 Athleten (2). Medizinische Probleme sind somit auch während der Wettkampfphase, in diesem Fall während der Olympischen Spiele, eine leistungsbeeinflussende Größe und sind in Bezug auf Erfolg oder Misserfolg der Athletinnen und Athleten, als relevant einzuschätzen.
Datenerhebungen dieser Art bilden einen wesentlichen Grundstein für die sportmedizinische Arbeit nach dem inzwischen weit verbreiteten van Mechelens 4-Stufen-Modell (Abb. 1).
Die Vermeidung von Verletzungen und Erkrankungen sollte innerhalb der Sportmedizin höchste Priorität haben, denn nur so kann eine sichere und kontinuierliche Ausübung der sportlichen Aktivität insbesondere auch ohne sportbedingte Folgeschäden gewährleistet werden. Vor allem das über Jahre stabile und verletzungsfreie Training ist aber auch eine der Grundvoraussetzungen für das Erbringen von Spitzenleistungen. Gerade in diesem Zusammenhang ist auch die Phase unmittelbar vor dem Wettkampf von besonderer Brisanz, zumal hier die Trainingsbelastungen in der Regel ein Maximum erreichen und ein krankheits- oder verletzungsbedingter Ausfall eine deutlich verminderte Leistungsfähigkeit oder gar das finale ‘Aus’ für den Vierjahres-Wettkampf-Höhepunkt bedeuten können. Die orthopädisch-traumatologische und die internistische Kompetenz kann, im sportmedizinischen Team gebündelt, bestmöglich zum Erhalt der individuellen Leistungsfähigkeit beitragen.
Die medizinische Betreuung während der Olympischen Spiele eignet sich im Besonderen, den Kontakt zwischen den unterschiedlichen Fachrichtungen der Medizin zu intensivieren und über die verstärkte Zusammenarbeit zu einem verbesserten Verständnis zwischen den unterschiedlichen Teildisziplinen der Sportmedizin beizutragen. Hiervon profitiert letztlich der Spitzenathlet genauso wie der Breitensportler in der Allgemein- und Regelversorgung.
Zusätzlich kann es dem Betreuerumfeld nur durch eine systematische Erkennung der Gesundheitsstörungen gelingen, das gesamte Spektrum der Sportverletzungen und sportbezogenen Erkrankungen zu überblicken, die langfristigen Konsequenzen für das Privat- und Berufsleben zu verstehen und Strategien zur Prävention zu entwickeln. Als Einzelperson und Vertreter einer einzelnen medizinischen Fachrichtung kann diesem Anforderungsprofil kaum nachgekommen werden. Der Sportarzt ist somit nicht nur Mediziner sondern auch und vor allem Teamplayer und gut beraten, sich interdisziplinär aufzustellen.
In diesem Zusammenhang ist es auch von großer Bedeutung nicht nur die Notwendigkeit von Präventionsstrategien zu erkennen, sondern auch den notwendigen wissenschaftlichen Hintergrund zu entwickeln, sodass die Verletzungs- und Erkrankungsrisiken im Leistungs- aber auch im Breitensport erkannt und minimiert werden können.
Der Aufgabenbereich des Sportmediziners in der Leistungssport-Betreuung beschränkt sich somit nicht nur auf die Behandlung von bereits manifest gewordenen Verletzungen und Erkrankungen. Insbesondere die - teils stiefmütterlich behandelte - Prävention wird mehr und mehr elementarer Bestandteil der Betreuung.
Grundlage für die Entwicklung von Präventionsstrategien in einer Sportart ist die eigentliche Standortbestimmung mit systematischer Datenerfassung und einer Ermittlung der Inzidenz und des Schweregrads von insbesondere sportartspezifisch relevanten Verletzungen und Erkrankungen. In den meisten Sportarten, auch auf Elite-Niveau, ist diese Grundlagenarbeit mit dem Monitoring von Verletzungen und Erkrankungen nicht standardisiert eingeführt und umgesetzt. So wäre, analog zu dem von Clarsen et al. im Zuge der Olympiavorbereitung vorgestellten und validierten System zur epidemiologischen Datenerfassung von Verletzungen und Erkrankungen (1), eine flächendeckende Implementierung dieser Tools in den deutschen Spitzensportverbänden wünschenswert. Im Interesse der Athleten des Spitzen- und Breitensports und der Verbände, wäre hiermit eine Grundlage geschaffen mit der strukturiert an Präventionsmaßnahmen gearbeitet werden kann, die in der gleichen Systematik dann auch auf ihre Wirksamkeit und Effektivität hin evaluiert werden können. Der Wissens- und Erkenntnis-Transfer vom Leistungs- in den Breitensport ist hierbei die logische Konsequenz.
Die sportmedizinische Betreuung erfolgt in der Regel durch einen Arzt mit eher internistischem oder eher orthopädisch-traumatologischem Schwerpunkt. Unabhängig von der Notwendigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit in der praktischen Sportlerbetreuung, soll diese Ausgabe der DZSM dem Thema Sportorthopädie gewidmet sein, um insbesondere die aktuellen Fragestellungen dieses Teilgebiets aus wissenschaftlicher Sicht zu beleuchten. Wir wünschen dem Leser viele Erkenntnisse und Anregungen bei der Lektüre.

LITERATUR

  1. CLARSEN B, RØNSEN O, MYKLEBUST G, FLØRENES TW, BAHR R. The Oslo Sports Trauma Research Center questionnaire on health problems: a new approach to prospective monitoring of illness and injury in elite athletes. Br J Sports Med. 2014; 48: 754-760.
    doi:10.1136/bjsports-2012-092087
  2. ENGEBRETSEN L, SOLIGARD T, STEFFEN K, ALONSO JM, AUBRY M, BUDGETT R, DVORAK J, JEGATHESAN M, MEEUWISSE WH, MOUNTJOY M, PALMER-GREEN D, VANHEGAN I, RENSTRÖM PA. Sports injuries and illnesses during the London Summer Olympic Games 2012. Br J Sports Med. 2013; 47: 407-414.
    doi:10.1136/bjsports-2013-092380
  3. VAN MECHELEN W, HLOBIL H, KEMPER HC. Incidence, severity, aetiology and prevention of sports injuries. A review of concepts. Sports Med. 1992; 14: 82-99.
    doi:10.2165/00007256-199214020-00002