SPORTKARDIOLOGIE
EDITORIAL
Sportmedizin und Kardiologie

Sportmedizin und Kardiologie – Schnittmengen und Synergien sind wichtig

Sports Medicine and Cardiology – common synergies are of importance

Es gibt immer wieder Patientenkontakte, die einem in besonderer Erinnerung bleiben werden. Meistens ereignen sich diese im Rahmen eines Ambulanzbesuches oder eines stationären Aufenthaltes, sind entweder mit positiven oder negativen Erinnerungen behaftet oder haben sich durch eine gewisse Situationskomik im ärztlichen Gedächtnis verankert.

Neulich kam es wieder zu so einer Situation, als ich in der Umkleide unseres Trainingszentrums einen unserer Patienten zufällig traf, der gerade eine Stunde „Kardio-Training“ hinter sich gebracht hatte und mich wohl gelaunt und sichtlich zufrieden freundlich begrüßte. Ich hatte ihn vor einigen Monaten in unserer Ambulanz untersucht und beraten. Trotz seines eher jungen Alters hatte er bereits mehrere Koronarinterventionen hinter sich und sein kardiovaskuläres Risikoprofil bot eigentlich alles, was ich meinen Studenten im Unterricht zu vermitteln versuchte. Neben Übergewicht und körperlicher Inaktivität zierte auch ein medikamentös therapierter Diabetes mellitus seine Diagnosenliste.
Ich konnte mich noch sehr gut an den Patienten erinnern, da ich ihm – wie eigentlich allen Patienten in dieser Situation – zu vermehrter körperlichen Aktivität geraten hatte, aber sehr skeptisch war, inwieweit meine Ratschläge auf fruchtbaren Boden fallen würden. Seine selbständige Tätigkeit, zeitliche Be- anspruchung durch Arbeit und Familie, der bereits längere Krankheitsverlauf (irgendjemand musste ihm das doch schon früher geraten haben, ging mir durch den Kopf) und mangelnde „Vorerfahrung“, was Sport und Bewegung betraf, sprachen gegen einen nachhaltigen Erfolg meiner Beratung. Umso erfreuter war ich, eines Besseren belehrt zu werden. Er fühle sich immer viel besser nach dem Training, sein Gewicht konnte er reduzieren und die Medikamente für den Diabetes mellitus hätte man bereits absetzen können, sprudelte es aus ihm heraus.
Ich gebe zu, kein besonders spektakulärer Fall. Keine medizinische „Glanzleistung“. Aber vielleicht ist gerade das die Besonderheit an diesem Beispiel. Patienten zu mehr Bewegung zu animieren, damit Prognose und Wohlbefinden zu verbessern, wird viel zu selten umgesetzt. Hätten wir mit einem neuen Medikament den gleichen Effekt erzielt (Steigerung der Leistungsfähigkeit und des Wohlbefindens, Gewichtsreduktion, Verbesserung des Glucosestoffwechsels etc.), wären uns Forschungsgelder der Pharmaindustrie sicher gewesen. Oft wird von der „Polypille“ im Zusammenhang mit den positiven Effekten von Sport auf die Gesundheit gesprochen. Und genauso oft wird erwähnt, dass das „Medikament Sport“ viel zu selten zum Einsatz kommt. Dabei ist der positive Effekt von Sport und Bewegung in der Primär- und Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen seit langem bekannt.
Doch erst in den vergangenen Jahren ist die „Sportkardiologie“ langsam aus ihrem Schatten- dasein herausgetreten. Zunehmend werden Fortbildungsveranstaltungen zu diesem Thema deutschlandweit angeboten und das Interesse an diesem Teilgebiet der Kardiologie wird immer größer. Dabei geht es nicht nur um die Betreuung und Beratung von Patienten mit bekannten kardialen Erkrankungen im Hinblick auf sekundärpräventives Training. Vielmehr befasst sich die „Sportkardiologie“ auch mit Anpassungsreaktionen des Herzkreislaufsystems an (intensiven) Sport und die Abgrenzung zu pathologischen Veränderungen oder der Beurteilung der Sporttauglichkeit bei kardialen Erkrankungen. Sie ist somit quasi Bindeglied zwischen „klassischer Kardiologie“ und „Sportmedizin“.
Häufig wird gerade von sportkardiologisch unerfahrenen Personen bei kardialen Erkrankungen eher zu restriktiv im Hinblick auf die Ausübung körperlicher Aktivität oder Sport beraten. Dadurch wird manchen Patienten ein essentieller Bestandteil der Therapie vorenthalten. Oder es wird von bestimmten sportlichen Aktivitäten abgeraten, die trotz kardialer Vorerkrankung möglich wären, was im Einzelfall mit einem Verlust an Lebensqualität verbunden sein kann.
Dies ist jedoch nicht nur den behandelnden Ärzten zuzuschreiben. Vielmehr fehlt es häufig an verlässlichen Daten, auf die sich Leitlinien stützen könnten. Somit sind es oft individuelle Entscheidungen, die auf persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen basieren und für andere nicht immer klar nachvollziehbar sind. Die Aufgabe der Sportkardiologie in den nächsten Jahren wird es deshalb sein, fundierte Daten zu erheben, sodass evidenzbasierte Empfehlungen zur körperlichen Aktivität bzw. Sporttauglichkeit bei kardialen Erkrankungen formuliert werden können. Als erster Schritt in diese Richtung sind beispielhaft die Ex-DHF-Studie (Exercise in Diastolic Heart Failure) (1) oder die Register zum plötzlichen Herztod beim Sport und das Myokarditis-Register bei Sporttreibenden (2) zu erwähnen.
Sicherlich wird es auch weiterhin so sein, dass zur Beantwortung vieler Fragestellungen im Bereich der Sportkardiologie ein breites kardiologisches als auch sportmedizinisches Wissen erforderlich sind. Auf europäischer Ebene wird der Komplexität des Themas bereits insofern Rechnung getragen, dass ein Curriculum zur „Sportkardiologie“ publiziert wurde (3).
Auch auf nationaler Ebene wird unter enger Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsgruppe Sportkardiologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation und dem Bund niedergelassener Kardiologen ein Curriculum erarbeitet, um sicherzustellen, dass die sportkardiologische Versorgung in Deutschland flächendeckend mit entsprechender Expertise gesichert ist. Dabei darf man in diesem Zusammenhang allerdings nicht vergessen, dass die Ermutigung zu Bewegung und körperlicher Aktivität eigentlich durch alle klinisch tätigen Ärzte erfolgen sollte.

Christof Burgstahler, Tübingen

LITERATUR

  1. EDELMANN F, GELBRICH G, DUNGEN HD, FROHLING S, WACHTER R, STAHRENBERG R, BINDER L, TOPPER A, LASHKI DJ, SCHWARZ S, HERRMANN-LINGEN C, LOFFLER M, HASENFUSS G, HALLE M, PIESKE B. Exercise training improves exercise capacity and diastolic function in patients with heart failure with preserved ejection fraction: results of the Ex-DHF (Exercise training in Diastolic Heart Failure) pilot study. J Am Coll Cardiol. 2011;58(17):1780-1791.
    doi:10.1016/j.jacc.2011.06.054
  2. HANSEL J, BURGSTAHLER C, NIESS A. Diagnostische und therapeutische Pfade bei Sportlern mit Verdacht auf Myokarditis - eine Registerstudie. Dtsch Z Sportmed. 2014;65:50-54.
    www.zeitschrift-sportmedizin.de/artikel-online/archiv-2014/heft-2/diagnostische-und-therapeutische-pfade-bei-sportlern-mit-verdacht-auf-myokarditis-eine-registudie/
  3. HEIDBUCHEL H, PAPADAKIS M, PANHUYZEN-GOEDKOOP N, CARRE F, DUGMORE D, MELLWIG KP, RASMUSEN HK, SOLBERG EE, BORJESSON M, CORRADO D, PELLICCIA A, SHARMA S POSITION PAPER. Proposal for a core curriculum for a European Sports Cardiology qualification. Eur J Prev Cardiol. 2013;20(5):889-903.
    doi:10.1177/2047487312446673
Prof. Dr. med Christof Burgstahler
Abteilung Sportmedizin
Universitätsklinikum Tübingen
Silcherstrasse 5, 72076 Tübingen
christof.burgstahler@med.uni-tuebingen.de