Orthopädie
FALLBERICHT
Valgisierende hohe Tibiaosteotomie

Stellt die valgisierende hohe Tibiaosteotomie eine mögliche Therapiemethode bei Leistungssportlern dar?

High tibial osteotomy – A treatment option in high-perfomance athletes?

ZUSAMMENFASSUNG

Die Therapie von verletzten Knorpelflächen stellt den operativ tätigen Mediziner sowie die medizinische Wissenschaft anhaltendvor Schwierigkeiten. Abschließend zufriedenstellende Therapiewege stehen aus. Es werden verschiedene Techniken zur Therapie in der Knorpelchirurgie beschrieben.
Massive chondrale Defekte führen häufig zum individuellen Karriereende von Leistungssportlern. Liegt ein Malalignement, wie ein Genu varus der Beinachse vor, so können belastungsabhängige wiederholte Krafteinwirkungen zu einer Überlastung eines Kniegelenkabschnittes führen. In der Literatur finden sich bisweilen keine Berichte über Umstellungsosteotomien bei Athleten und deren Rückkehr in den Pofisport.
In dem vorliegenden Fall wird über einen professionellen Fußballspieler (2. Fußballbundesliga) mit beginnender medialer Gonarthrose und Varusdeformität berichtet. Der Spieler klagte nach mehreren Kniedistorsionstraumata über zunehmende Schmerzen. In der durchgeführten Kernspintomografie zeigte sich ein scharf begrenzter tibialer sowie femoraler Knorpeldefekt vierten Grades nach ICRS. Aufgrund einer frustranen konservativenTherapie (ACP Injektionen, Physiotherapie etc.) unterzog sich der Athlet in unserer Klinik einer arthroskopisch assistierten Mikrofrakturierung im medialen Kniegelenkkompartiment in Kombination mit einer hohen tibialen Umstellungsosteotomie. Mögliche Folgen und Komplikationen und Therapieoptionen wurden mit dem Patienten präoperativ ausführlich besprochen.
Trotz der erfolgreichen Rückkehr des Fußballspielers in den Profisport (2. Fußballbundesliga) erscheint es bezogen auf die große Variabilität von Knorpelschäden derzeit nicht möglich, einen Therapiestandard für Spitzensportler zu formulieren. Unter Berücksichtigung bestimmter individueller Parameter ist eine Rückkehr zu einem hohen sportlichen Niveau nach knorpelchirurgischer Operation auch in Kombination mit einer hohen valgisiserenden Umstellungsosteotomie möglich.

SCHLÜSSELWÖRTER:
Varusgonarthrose, Hochleistungssportler, valgisierende hohe Umstellungsosteotomie, Fußball

SUMMARY

Due to the factthat human hyaline articular cartilage cannot regenerate, medical science tries to stimulate the restoration of destroyed cartilage joint surfaces. There are variable option of treatment regarding cartilage lesions and the different types of impairment.
In the past, massive cartilage defects very often marked the end of the career in high-performance athletes. There are no reports in literature about high tibial osteotomies (HTO) in high performance athletes and their return to sport.
The present case reports on a professional soccer player (2. Bundesliga) with a beginning medial gonarthrosis and a varus deformity of the leg. The player suffered multiple knee distortions and complained of pain. An MRI identified a tibial and femoral chondromalacia 4° (ICRS). As conservative therapy (ACP Injections, physiotherapy) did not reduce the symptoms, an arthroscopy with microfractioning of the medial tibia and femur in combination with an HTO was performed. Possible unwanted effects and complications were reviewed extensively before surgery.
Despite the successful returnto professional sport (2. Bundesliga), it currently does not seem possible to define a gold standard for the treatment of high-performance athletes due to the wide variability of cartilage defests. Considering individual parameters of the athlete, a return to a high sportive level after an HTO in combination with a cartilage OP is possible.


KEY WORDS:
Gonarthrosis, soccer, osteotomy, HTO, high tibial osteotomy, valgus, knee, osteoarthritis

EINLEITUNG

Sport bzw. Spitzensport stellt ein hohes Anforderungspotential an das muskuloskeletale System dar und können im Kniegelenk traumatische und degenerative Knorpelschäden unterschiedlicher Ausprägung hervorrufen (21, 24). Diese Schäden können das Ende für die individuelle professionelle sportliche Karriere eines Athleten bedingen. In der Literatur werden verschiedene therapeutische Ansätze wie Mikrofrakturierung, OATS oder autologe Chondrozytentransplantation bei Sportlern beschrieben (2,6). Die valgisierende Umstellungsosteotomie stellt ein gängiges Verfahren bei Varusgonarthrosen dar. Es finden sich jedoch keine Fallberichte über tibiale Umstellungsosteotomien bei aktiven Spitzensportlern und deren Rückkehr in den Spitzensport.
Die Achskorrektur des Beines bei unilateraler Gonarthrose durch eine kniegelenksnahe Umstellungsosteotomie stellt ein gängiges Verfahren dar (9,13,29). Es gibt verschiedene Vorgehensweisen bei valgisierenden hohen Tibiaosteotomien (HTO), diese können medial öffnend oder lateral schließend sein (12,13). Ein Weg stellt die medialseitig öffnende Osteotomie der Tibia dar, bei der die Tragelinie des Beines aus dem durch die Varusarthrose geschädigten medialen Gelenkkompartiment in das nicht betroffene laterale Kompartiment zu verlagern ist (9,12,29). Die Umstellungsosteotomie scheint bei Patienten bei denen die Indikation für eine Knie-Totalendoprothese zeitlich noch zu früh erscheint sowie zuvor alle konservativen Therapiemaßnahmen ausgeschöpft wurden eine praktikable Methode zu sein (24). Wissenschaftliche Belege für eine Altersgrenze gibt es nicht (9). Als Vorteile der medial öffnenden Osteotomie gegenüber der lateral schließenden seien die nicht notwendige Fibula Osteotomie, die ausbleibende Traumatisierung des tibiofibularen Gelenkes, was bei Proximalisierung der Fibula zu einer Instabilität führen kann sowie mögliche Peronealnervenverletzungen, genannt (8,15,27).
Lavernia beschreibt die Implantation von Gelenkersätzen bei hohem sportlichen Anspruch als problematisch, da es hierbei zu einem vorschnellen Polyethylen-Abrieb des Inlays sowie zu periprothetischen Frakturen oder zu Spaltbildungen im Zement-Prothesen-Interface kommen kann (16).
Grundsätzlich gilt festzuhalten, dass das Ziel der valgisierenden hohen Tibiaosteotomie nicht die Rückkehr zum Spitzensport darstellt, aber eine erfolgreiche Korrektur der Achse die Rückkehr in den Spitzensport ermöglichen kann.

KASUISTIK

Die Erstvorstellung des damals 28-jährigen Fußballspielers einer Bundesligamannschaft erfolgte am 04.02.2008. Er berichtete von einem Distorsionstrauma des linken Kniegelenkes während eines Fußballspiels am Vortag mit anschließendem belastungsabhängigem, stechendem Schmerz über dem medialen Kniegelenkkompartiment.
Der Patient beklagte, dass insbesondere Rotationsbewegungen zu Schmerzen führen. Nach der klinischen Untersuchung erfolgte die MRT-Untersuchung des linken Kniegelenks (Abb. 1).

Hier zeigte sich bei Zustand nach Innenmeniskusteilresektion ein regelrecht verbliebener Innenmeniskusanteil. Weiterhin zeigt sich am Condylus medialis und am medialen Tibiaplateau eine oberflächliche, teils auch tiefergehende Knorpelläsion im Sinne einer Chondromalazie 2°- 3°ICRS sowie ein angrenzendes Spongiosaödem im Condylus medialis. Im lateralen Gelenkkompartiment zeigten sich keine Auffälligkeiten.
Da sich der Athlet in der Vorbereitungsphase für die folgende Fußballsaison befand und er rasch in das Training zurückkehren wollte, wurde zunächst eine Injektionsserie (fünf Injektionen) des linken Kniegelenks mit einem autologen konditionierten Plasma (ACP der Firma Arthrex, Naples) durchgeführt. Es gibt einige Beispiele in der Literatur welche einen positiven Einfluss von autologen Plasma bei Gonalgien belegen.
Weiterhin unterzog sich der Sportler einer intensiven Physiotherapie. Er kehrte am 01.03.2008 in das Mannschaftstraining und den Spielbetrieb zurück. Drei Monate später suchte der Spieler erneut unsere Praxis auf und berichtete über zunehmende Schmerzen im linken medialen Kniegelenkkompartiment. Die MRT-Kontrolle zeigte eine zunehmende Vergrößerung des femoralen und tibialen Knorpelschadens mit einem scharf begrenzten tibialen sowie femoralen Knorpeldefekt. Eine erneut durchgeführte ACP-Injektionsserie des linken Kniegelenks führte nicht zu einer signifikanten Schmerzreduktion. Es zeigten sich wiederkehrende Kniegelenkergüsse sowie ein forcierter Belastungsschmerz. In einer erneuten MRT Untersuchung des linken Knies wurde femoral ein Knorpeldefekt von 1,5 x 2 cm und tibial mit einer Größe von 0,5 x 1 cm diagnostiziert. Der Knorpeldefekt zeigte sich intraoperativ als Grad 4A nach ICRS.
Aufgrund der Schmerzpersistenz und der Größenzunahme des Knorpeldefekts entschlossen wir uns nach intensiver Abwägung mit dem Patienten zu einem operativen Vorgehen. In der radiologischen präoperativen Planung zeigte sich in der Ganzbeinaufnahme im Stehen ein Varuswinkel von 6°. Der Durchtrittspunkt der Tragelinie am Tibiaplateau lag bei ca. 20% TPB (Tibiaplateaubreite). Der laterale distale Femurwinkel betrug 95°, der mediale proximale Tibiawinkel 84° (siehe Abb. 2).
Am 09.01.2009 erfolgte die komplikationslose Operation. Die präoperative Planung der Valgisierung geschah nach der von Fujisawa 1979 beschriebenen Methode, wonach die Traglinie postoperativ durch den „Fujisawa-Punkt“ laufen soll. Die Tragachse soll hiernach das Tibiaplateau bei 62%, von der medialen Tibiakortex gemessen, schneiden (10). Nach Umstellungsosteotomie gemäß Fujisawa wird eine leichte valgische Überkorrektur erreicht (25). Operativ wurden Knorpeldefekte über der medialen Femur- und Tibiakondyle bis auf die subchondrale Platte debridiert, ohne diese zu penetrieren. Anschließend wurde eine Mikrofrakturierung an entsprechender Stelle durchgeführt (siehe Abb.3). Es erfolgte die hohe tibiale valgisierende Umstellungsosteotomie mittels Puddu Platte (Arthrex, Naples, Florida) (Abb.4). Hierzu wurde ein ca. 8 cm langer Schnitt vom anterioren Anteil des Pes anserinus im posterocranialen Verlauf durchgeführt. Der Pes anerinus wurde dargestellt und nach distal weggehalten, so dass das Innenband sichtbar wurde. Mit dem Elevatorium wurde das Innenband anschließend partiell vom Knochen abgehoben. Mit dem Skalpell wurden Innenbandanteile abgelöst um den posterioren Anteil der Tibia darzustellen. Unter Bildwandlerkontrolle wurde in a.p. Projektion ein erster Kirschnerdraht vom kranialen Anteil des Pes anserinus in Richtung des Fibulaköpfchens eingebracht. Ein weiterer Kirschnerdraht wurde parallel hierzu eingebracht, um hierrüber anschließend die transversale Osteotomie mittels Säge durchzuführen. Um den Tibiaslope beizubehalten müssen die Kirschnerdrähte parallel zum Tibiaplateau eingebracht werden. Zum Verhindern von Rotationsfehlern haben wir eine zusätzliche anteriore aufsteigende Insertion mittels Säge durchgeführt. Nach Eröffnen des Osteotomiespaltes mittels eines ersten 10 mm Meißels wird anschließend mit einem 25 mm und einem 35 mm Meißel der Spalt erweitert, um eine Korrektur von 6° zu erreichen. Somit wurde der Spalt auf 81 mm erweitert. Anschließend einpassen der Puddu Platte und fixieren derselben mittels zweier 6,5 mm Schrauben im proximalen Plattenanteil und zweier 4,5 mm Schrauben im distalen Anteil der Platte wobei die proximalen Schraube keinen Kontakt mit dem Tibiaplateau hatte, um eine Verletzung des subchondralen Knochens und des Knorpels zu verhindern. Nach Bildwandlerkontrolle wurde der Osteotomiespalt mittels autologem Spongiosamaterial aus dem Beckenkamm aufgefüllt.

Der Patient wurde am ersten postoperativen Tag mobilisiert, es erfolgte eine physiotherapeutische Behandlung mit Lymphdrainage, manueller Therapie und passiver Mobilisierung des Kniegelenks mit einer Motorbewegungsschiene. Die postoperative Nachbehandlung erfolgte nach dem in Tabelle 1 abgedruckten Schema.
In der Nachkontrolle sechs Wochen postoperativ zeigte sich das Kniegelenk nahezu reizfrei. Die angefertigte Röntgenaufnahme zeigte einen guten Konsolidierungsprozess des Osteotomiespalts (Abb. 5). Das Bewegungsausmaß betrug 0/0/120° Extension/Flexion. Der Patient wechselte von der Entlastung auf eine Teilbelastung des linken Beins von 20kg. Es wurde ein leichtes isometrisches Muskelaufbautraining sowie eine aktive Mobilisierung des Kniegelenks auf dem Fahrradergometer durchgeführt. Acht Wochen postoperativ lag die Teilbelastung des linken Beins bei 50% des Körpergewichts, 10 Wochen postoperativ erfolgte die Vollbelastung. Vier Monate postoperativ begann der Athlet das Training auf dem Cross-Trainer, zusätzlich wurde ein moderates Krafttraining der Beinmuskulatur. Im Verlauf der zunehmenden Trainingsbelastung entwickelte der Patient moderate Schmerzen über dem Pes anserinus links. Sechs Monate postoperativ begann er das Lauftraining auf dem Laufband, um im folgenden Monat eine erste individuell durchgeführte Fußballtrainingseinheit zu absolvieren. Der Patient beklagte anhaltend Schmerzen über dem Pes anserinus, es konnten jedoch weitere Trainingseinheiten durchgeführt werden. Acht Monate postoperativ erfolgte die Belastungssteigerung mit submaximalen Sprinteinheiten, welche mit Richtungswechseln kombiniert wurden. Auch hierauf zeigte das Knie keinerlei Symptome. Aufgrund anhaltender Beschwerden am Pes anserinus wurde 10 Monate postoperativ die Osteotomieplatte entfernt. Hiernach begann der Sportler mit einem kurzen Rehabilitationstraining, um 10 Tage nach erfolgter Materialentfernung das fußballspezifische Training fortzusetzen. Abbildung 5 zeigt eine 20 Monate postoperativ durchgeführte MRT Kontrolle in welchem noch ein Ödem nach Mikrofrakturierung sichtbar ist, die mikrofrakturierten Areale zeigen sich mit Ersatzgewebe ausgekleidet.
Nachdem das sportartspezifische Training weiter an Intensität zunahm und das linke Kniegelenk keine unerwünschten Reaktionen zeigte (kein Pes anserinus-Syndrom, keine Schwellung, kein Erguss) nahm der Fußballer am 22.02.2010 (also 13 Monate post-operativ) das Mannschaftraining auf. 14 Monate nach der Knorpelbehandlung absolvierte er erfolgreich sein erstes Fußballbundesligaspiel und unterschrieb einen neuen Zweijahresvertrag.
Aufgrund weiterer Sportunfälle mit Kniedistorsionen links konnte das Knie des Patienten im Verlauf zwei weitere Male nachuntersucht werden. Bei der letzten Vorstellung im März 2013 berichtete der Patient eine Kniedistorsion erlitten zu haben. Bei der Untersuchung zeigte sich ein geringer Erguss, die Beweglichkeit lag bei Extension/ Flexion 0/0/135°, der Bandapparat war stabil, es zeigte sich ein femoropatellares Reiben. In der durchgeführten MRT Untersuchung (siehe Abb. 6) konnte ein Defekt des tibialen mikrofrakturierten Bereiches dargestellt werden, der femorale Abschnitt zeigt weiterhin kräftige Schichten des Knorpelersatzgewebes. Das zurückgebildete subchondrale Ödem lässt vermuten, dass die präoperativ, vor Umstellungsosteotomie bestehende Belastung im medialen Gelenksabschnitt reduziert wurde. Der Patient ist weiterhin hauptberuflich als Fußballspieler beschäftigt.

Die erfassten Scores wie Modified Cincinnati Rating System Questionnaire, Tegner Lysholm Knee Scoring Scale sowie der Tegner Activity Score zeigten im Vergleich der Zeitpunkte vor der Verletzung, präoperativ sowie 3, 6, 9 und 12 Monate postoperativ, dass der Patient im Verlauf zu einer hohen Aktivität zurückkehrte. So lag beispielsweise der Tegner Activity Score 12 Monate postoperativ bei 9. Der Wert lag vor dem Unfall bei 10 (siehe Tab.2).

DISKUSSION UND SCHLUSSFOLGERUNG

Es gibt verschiedene Ansätze zur Therapie von Knorpelschäden des Kniegelenkes (6). In der Literatur finden sich gute Ergebnisse zur Kniefunktion nach Mikrofrakturierung, autologem Knorpel-/ Knochentransfer oder autologer Chondrozytentransplantation (2,26). Die optimale Behandlungsstrategie ist abhängig von der chondralen Defektcharakteristik sowie von biomechanischen Faktoren wie der Mikulicz-Linie, Rotationsfehlstellungen, Position der frontalen Beinebene, saggitales Alignment (4,12). Liegen Achsfehlstellungen vor, so zeigen alleinige knorpel- oder bandchirurgische Eingriffe schlechte Ergebnisse. Es bedarf einer Achskorrektur um einen langfristigen Erfolg zu erzielen (12,14,17). Dies verdeutlicht die Tatsache, dass wenn beispielsweise eine Varusfehlstellung von 10° vorliegt, so beträgt der Tibiaplataeustress 80% für das mediale Kompartiment (12). Führt man in diesem Bereich isolierte knorpelchirurgische Eingriffe vor, so ist die Wahrscheinlichkeit langfristig gute Erfolge zu erzielen gering. Hofmann erwähnt eine Umstellungsosteotomie als präventive Maßnahme bevor es zu einer ausgeprägten Arthrose kommt (12).
Die grundsätzliche Entscheidung über mögliche therapeutische Wege bei beginnenden Osteoarthrosen gestaltet sich häufig schwierig. Folgt man den Empfehlungen der International Society of Arthroscopy, Knee Surgery and Orthopaedic Sports Medicine (ISAKOS) (26) so stellt die Umstellungsosteotomie in unserem Fall eine Behandlungsoption dar. Die ISAKOS und andere Autoren empfehlen Faktoren wie das Alter, isolierte Schmerzen auf einer Gelenkspaltseite, das Bewegungsausmaß, den BMI, die Aktivität des Patienten und den Arthrosegrad in die Planung mit einzubeziehen. Ist der Patient z.B. älter, liegt eine größere Fehlstellung vor, besteht eine Beugekontraktur, liegt der Grad der Knorpelabnutzung nach ICRS (International Cartilage Repair Society) bei vier, so handelt es sich nach der Empfehlung der ISAKOS nicht mehr um einen idealen Kandidaten für eine Umstellungsosteotomie (13,18,20,26). Grundlegende Empfehlungen oder Berichte, ob die Umstellungsosteotomie bei Spitzensportlern in Stop-and-go Sportarten zu empfehlen ist, finden sich jedoch in der Literatur nicht, es werden meist nur postoperative Aktivitäten wie Jogging beschrieben (22).Prinzipiell können Sportler nach knorpelchirurgischen Eingriffen wieder ihrem vor dem Eingriff ausgeübten Sport nachkommen. So zeigt Mithoefer anhand einer Literatur-Datenanalyse von 1966-2009 die Wiedererlangung der Sportfähigkeit nach chondraler Intervention auf. Sie konnten anhand von 20 Studien zeigen, dass mehr als 70% der Patienten nach knorpelchirurgischem Eingriff ihren jeweiligen Sport wieder ausüben konnten. In dem hier beschriebenen Fall konnte der Athlet wieder seinem professionellen Sport auf gleichem Niveau nachgehen (21).
Ob die Varusfehlstellung bei Sportlern lediglich neutralisiert werden soll oder gar eine valgisierende Korrektur durchgeführt werden sollte, ist nicht abschließend geklärt. In der Literatur finden sich Empfehlungen keine starke Überkorrektur durchzuführen (31). In unserem Fall wurde eine milde Überkorrektur durchgeführt. Die Tragachse schnitt somit das Kniegelenk nicht genau im Zentrum sondern bei ca. 62% von der medialen Tibiakortex gemessen.
Wie einige Untersuchungen aufzeigen sind die funktionellen Ergebnisse sowie die Zufriedenheit der Patienten nach hohen tibialen Umstellungsosteotomien häufig gut (19,23). Die Patienten zeigen sich zufrieden, Schmerzen sind reduziert und die Funktionalität auch in Langzeituntersuchungen verbessert. Man muss jedoch festhalten, dass das Durchschnittsalter der hier nachuntersuchten Patienten über dem Alter unseres Patienten lagen. Schulz verglich in einer Untersuchung Ergebnisse und Knorpelqualitäten bei Patienten mit Umstellungsosteotomien ohne zusätzlichen knorpelchirurgischen Eingriff sowie Ergebnisse von kombinierten Umstellungsosteotomien mit knorpelchirurgischen Eingriffen (Pridie-Bohrungen, Arthroplastiken). Hier zeigten sich in den Biopsien, welche im Zuge der Materialentfernung des Osteotomieimplantates gewonnen wurden bessere regenerierte Knorpelareale (dickerer, stabilere Areale, teilweise den ganzen Defekt bedeckend) (28). Er propagiert somit, dass bei Umstellungsosteotomien und gleichzeitig vorliegenden Knorpelläsionen diese entsprechend therapiert werden sollten.
Abbildung 6 zeigt die Kernspintaufnahmen 20 Monate postoperativ. Der Sportler erreichte 13 Monate postoperativ wieder das Mannschaftstraining, um 14 Monate postoperativ sein erstes Fußballspiel erfolgreich zu beenden. Dieses Beispiel zeigt ein mögliches Comeback in den professionellen Leistungssport nach einer operativen Knorpeltherapie (Mikrofrakturierung) mit kombinierter hoher tibialer öffnender Umstellungsosteotomie (HTO). Der Patient konnte erfolgreich wieder an Bundesligaspielen der zweiten Liga als Stammspieler teilnehmen. Shim et al. berichtet über eine Untersuchung, in der 19 Patienten mit einem mittleren Alter von 26 Jahren drei Jahre nach hoher tibialer Osteotomie nachuntersucht wurden. Shim beschreibt die hohe tibiale Osteotomie als gutes Verfahren zur Therapie des symptomatischen, konservativ austherapierten Genu varum junger Patienten. Der HSS Score als Aktivitätsparameter belegt, dass es postoperativ zu einer Verbesserung kommt. Junge Patienten haben den Anspruch postoperativ sportlich aktiv zu bleiben (29).
Sischek beschreibt in einer Untersuchung mit 37 Patienten, dass es nach 24 Monaten postoperativ zu einer Verbesserung der sportlichen Funktionalität kam (30). Andere Autoren stehen der Wiederkehr in den Spitzensport kritischer gegenüber, so zeigt Bonin in einer Studie auf, dass junge aktive Patienten wieder belastende Sportarten ausüben können, ein postoperativer Schmerz sowie das Nichtwiedererreichen der vorherigen sportlichen Aktivität ist jedoch möglich (5). Üblicherweise werden Osteotomien durchgeführt um schmerzfreie Alltagsaktivitäten zu erreichen. In unserem Fall konnte der Sportler auf eigenen Wunsch zu seinem hohen Aktivitätsniveau zurückkehren. Es ist ersichtlich, dass der Fußballsport hohe biomechanische Anforderungen an das Kniegelenk stellt. Beim normalen Gehen wirken tibiofemoral Kräfte bis zum 7,1fachen Körpergewichts, bei sportlicher Aktivität liegen diese noch höher, ebenfalls die mediolateralen Scherkraftkomponenten liegen beim bis zu 3,9fachen des Körpergewichts (11). Somit muss dem Spieler präoperativ dargestellt werden, dass das primäre Ziel der Umstellungsosteotomie zunächst die Therapie der medialen Gonarthrose ist und nicht der Wiedereintritt in den Profisport.
Mögliche Komplikationen einer Umstellungsosteotomie stellen eine Infektion, ein Knochenbruch, die Verletzung des N. peroneus, eine Nonunion des Osteotomiespaltes oder eine Infektion dar. Die Inzidenz von intraoperativen Frakturen wird mit 11% beschrieben (31). Das Risiko einer Nonunion des Osteotomiespaltes gibt Warme mit 0,7 – 4,4% an (31). Eine Möglichkeit das Risiko einer Nonunion zu minimieren ist den Osteotomiespalt mit autologem Knochenmaterial, wie in unserer Kasuistik geschehen, zu füllen. Die Entnahme von autologem Knochenmaterial besteht nach Young ein Risiko von 8,6%, dass es zu einer Komplikation kommt. Als mögliche Komplikationen führt er die Bildung eines Hämatoms (3,3%), die Entstehung einer Infektion (2,5%) oder Sensibilitätsstörungen (1,2%) an (1). Das Risiko einer Infektion bei hoher tibialer Umstellungsosteotomie liegt nach Billings bei 4% (3).
Zusammenfassend stellt die Umstellungsosteotomie für uns eine mögliche Therapiemethode bei Spitzensportlern dar. Über postoperativ möglicherweise resultierende Funktionseinschränkungen, Schmerzzustände oder Komplikationen welche das Karieereende bedingen könnten muss der Sportler aufgeklärt werden.

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Dr. med Stefan Schneider
Mediapark Klinik Köln
Orthopädie/Unfallchirurgie/Sportmedizin
Im Mediapark 3
50670 Köln
schneider@orthopaedie-mediapark.de