Neuroplastizität und Sport
CLINICAL REVIEW
Klinische Untersuchung des Hüftgelenks

Klinische Untersuchung des Hüftgelenks

Clinical examination of the hip joint

ZUSAMMENFASSUNG

Sowohl das Verständnis und Kenntnis verschiedener Hüft­erkrankungen als auch die Techniken der gelenkserhaltenden Hüftchirurgie haben sich in den letzten 10 Jahren rasant wei­terentwickelt. Zur präzisen Diagnosestellung und Einleitung einer adäquaten nichtoperativen oder operativen Behandlung sind eine standardisierte körperliche Untersuchung und radio­logische Diagnostik erforderlich.
Ziel dieses Artikels ist die Beschreibung der grundlegen­den Hüftuntersuchungstechniken. Nach Erhebung einer detaillierten Anamnese folgt die körperliche Untersuchung nach einem standardisierten Algorithmus, bestehend aus Inspektion, Palpation, neurovaskulärer Untersuchung, Be­weglichkeitsprüfung und speziellen Provokations­und Funk­tionstests. Vervollständigt durch die radiologische Diagnostik sollte der Chirurg oder Sportmediziner die Hüfte als Ursache der Beschwerden bestätigen oder ausschließen können, und die geschädigten Strukturen identifizieren und mögliche zugrundeliegende angeborene oder entwicklungsbedingte Erkrankungen erkennen können.

SCHLÜSSELWÖRTER:
Hüfte, Hüftgelenk, klinische Untersuchung, gelenkserhaltende Hüftchirurgie

SUMMARY

The understanding of pathologic hip conditions and the evolution of hip preserving surgery have been rapidly increas­ing in the last years. For a precise diagnosis and correct non operative and operative management of such conditions, a standardized systematic clinical examination and additional radiologic imaging are mandatory. ›
The aim of this article is to describe the basic hip clinical examination technique. After taking a detailed history the clinical examination needs to follow a standardized algorithm including inspection, palpation, neurovascular examination, range of motion testing and special provocation tests. Com­pleted by a standardized radiographic imaging, the surgeon or sports medicine physician should be able to confirm or exclude the hip as the source of pain and identify the pathologic struc­ture and potential underlying congenital or developmental disorder.

KEY WORDS:
Hip joint, clinical examination, joint preservation surgery, early hip disease

EINLEITUNG

Die Entdeckung und frühzeitigere Diagnose verschiedener Hüfterkrankungen und rasche Weiterentwicklung insbesondere der Gelenk-erhaltenden operativen Behandlung rückt die Untersuchungstechniken des Hüftgelenks in den Fokus. Als Aufgabe gilt die frühzeitige Erkennung möglicher Verletzungsfolgen bzw. präarthrotischer Hüfterkrankungen mit dem Ziel der Sportberatung, Einleiten einer adäquaten nichtoperativen oder operativen Behandlung, um Schmerzen zu beseitigen, die Funktion des Hüftgelenk wieder zu normalisieren und Folgeschäden bzw. eine Arthroseprogression zu vermeiden.
Das Hüftgelenk harmoniert mit Wirbelsäule, Becken und Knie, um die aufrechte Haltung und den horizontalen Blick zu ermöglichen. Probleme, welche Wirbelsäule, Becken oder Knie primär betreffen, können sekundär die Hüfte beeinflussen, wenngleich dies häufiger umgekehrt der Fall ist. Darüber hinaus können „Hüftschmerzen“ intra- oder extraartikuläre Ursachen haben, gelegentlich auch durch eine Kombination aus intra- und extraartikulären pathologischen Veränderungen entstehen. So führen intraartikuläre Hüftpathologien nicht selten zur muskulär bedingten Bewegungseinschränkung bis hinzu Kontrakturen der umgebenden Muskulatur. Bei globalen Fehlstellungen wie der azetabulären Retroversion können ein intraartikuläres femoroazetabuläres Impingement und ein extrarartikuläres subspinales Impingement gleichzeitig bestehen.Bei der körperlichen Evaluation des Hüftgelenks hat die Beantwortung folgender Fragen vorrangige Bedeutung:
1. Stammen die Beschwerden des Patienten aus dem Hüftgelenk, oder weist die klinische Untersuchung eher auf eine extraartikuläre Ursache oder einen von der Wirbelsäule oder von einem anderen entfernten Ort ausstrahlenden Schmerz hin?
2. Welche anatomischen Strukturen/Pathologien sind am ehesten involviert?
3. Ist die Funktion des Gelenks und der periartikulären Muskulatur ausreichend, um ein Gelenk-erhaltendes operatives Vorgehen zu rechtfertigen?


Die klinische Untersuchung wird komplettiert durch eine Röntgenuntersuchung in mindestens 2 Ebenen, eine Beckenübersichtsaufnahme und eine seitliche Aufnahme. Meistens wird diese, sofern die Röntgenuntersuchung noch keine fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen zeigt, durch eine Kernspintomographie ergänzt. Die sterile, Röntgenbildwandler- oder sonographischgesteuerte Hüftinjektion mit einem lokalen Anästhetikum mit oder ohne Kortison stellt einen wichtigen diagnostischen Test dar, wenn Beschwerdebild und klinische Untersuchung nicht deutlich auf eine Verursachung der Beschwerden durch eine intraartikuläre Pathologie hinweisen. Ein positives Ergebnis für eine intraartikuläre Hüftpathologie liegt bei Beschwerdelinderung von mehr als 50% vor (5). Aussagekräftig ist dabei insbesondere der Hinweis auf eine kurzfristige Schmerzreduktion innerhalb der ersten Stunden nach der Injektion. Ein späterer Wirkeintritt und anhaltende Besserung kann auch durch eine systemische Wirkung bei Kombination des Lokalanästhetikums mit Kortison auftreten.

ANAMNESE

Bereits eine detaillierte Anamneseerhebung kann auf die Ursache der Hüftschmerzen hinweisen (s. Abb. 1). Gibt der Patient an, dass nach Geburt eine Abspreizbehandlung über einen längeren Zeitraum erfolgte, ist der Patient weiblich, werden belastungsabhängige Schmerzen in die Leistenregion projiziert und gibt die Patientin eine gute Gelenkbeweglichkeit an, besteht eine große Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer residualen Hüftdysplasie. Beschreibt ein männlicher Patient im Alter zwischen 20 und 40 Jahren primär bewegungsabhängige Schmerzen beim Kontaktsport, besteht ein großes Risiko für das Vorliegen eines femoroazetabulären Impingements. Geben Patienten eine vorausgegangende Kortisoneinnahme oder Immunsuppession an wie im Rahmen der Behandlung einer Leukämie, weisen plötzlich aufgetretene Hüftschmerzen auf das Vorliegen einer Hüftkopfnekrose hin.
Fragen nach Sportart, Niveau des Freizeit- oder Leistungssports und ursächlichen Aktivitäten oder Bewegungen beim Sport stellen einen wichtigen Teil der Anamneseerhebung dar. So findet sich ein FAI häufiger bei Kontaktsportlern, bei denen häufige und ruckartige Richtungswechsel notwendig sind und die Hüfte mit Schnelligkeit und Kraft in Extrempositionen gebracht wird (Fußball, Eishockey, Kampfsport). Bei Balletttänzerinnen liegt häufiger eine Dysplasie vor, da diese eine bessere Gelenkbeweglichkeit ermöglicht und ein positives Selektionskriterium für diese Sportart darstellt.


Interessant sind die Ergebnisse von Vingard et al., dass Männer mit einer erhöhten Sportbelastung ein 4.5 fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Koxarthrose aufweisen (6).
Beginn der Symptome kann akut oder allmählich sein. Akute Schmerzen können auf eine Infektion, eine rasche Ergussbildung wie bei einer reaktiven Arthritis oder nach einem traumatischen Ereignis auftreten. Während hoch energetische Traumen zu eindeutigen Luxationen und Frakturen führen, können Folgen nach niedrig energetischen Traumen mit Subluxationen, Verdrehverletzungen etc. übersehen werden. Wichtige Informationen liefert dabei die detaillierte Beschreibung des Trauma-Mechanismus, ob der Patient gleich nach dem Ereignis fähig war seine Aktivität weiter durchzuführen und der Hinweis auf vorbestehende Schmerzen als Hinweis auf eine degenerative Vorschädigung. Ist der Beginn der Symptome allmählich und nehmen die Schmerzen langsam über Monate oder Jahre zu, besteht ein großes Risiko einer angeborenen Fehlstellung, entwicklungsbedingten Fehlform bzw. eines kindlichen Fehlwachstums, einer synovialen Erkrankung oder Prädisposition für eine Früharthrose, oftmals kombiniert mit einer vermehrten sportlichen Aktivität.Die möglichen auftretenden Symptome umfassen Schmerzen, Bewegungseinschränkung, Hinken, und mechanischeIrritationen wie Klicken, Schnappen und Blockierungen. Die Schmerzlokalisation ist die weitaus wichtigste Information zur Beurteilung des Ursprungs der Beschwerden. Aufgrund der tiefen Lages des Gelenks können die Schmerzen häufiger nicht auf einen schmerzhaften Punkt lokalisiert werden. Der Patient beschreibt seine Schmerzen durch das sogenannte C-Zeichen, mit dem Daumen über der Leiste und die Finger abgespreizt zur Seite, Trochanter major und in Richtung der glutealen Region. Die klinische Erfahrung ergibt, dass der häufigste Schmerzpunkt ventral bzw. Leisten-nah liegt, etwas weniger häufig die Schmerzen nach lateral proximal der Trochanterspitze, seltener um den Trochanter und nach gluteal projiziert werden. Häufige Differentialdiagnose bei ventralen Hüftschmerzen sind Schmerzen, die vom Leistenkanal ausgehen oder der Psoassehne. Nach distal in den ventralen Oberschenkel ausstrahlende Schmerzen weisen häufig auf ventrolateral liegende Knorpel-Labrum-Schäden hin. Bei Kindern und Jugendlichen manifestieren sich Hüfterkrankung nicht selten ausschließlich durch ventrale Knieschmerzen.
Rein gluteale Schmerzen oder Schmerzen ausschließlich im Trochanterbereich sind für eine intraartikuläre Pathologie der Hüfte weniger typisch, aber schließen eine solche nicht aus. Im Zweifelsfall ist in solchen Fällen ein differentialdiagnostischerInfiltrationstest hilfreich.
Weitere Hinweise zur Identifizierung der beschwerdeursächlichen Pathologie liefern Charakter und zeitliches Auftreten der Schmerzen (2). Stechende, einschießende Schmerzen weisen eher auf einen Labrumeinriss oder freie Gelenkkörper hin, während dumpfe Schmerzen, die mit Belastung zunehmen, eher typisch sind für Knorpelschäden und einen Gelenkerguss. Letztere sind häufig nach der Belastung am Abend, in der Nacht und gelegentlich bis zum nächsten Tag anhaltend. Nächtliche Schmerzen bei Drehbewegungen, aber auch einschießende Schmerzen bei Drehbewegungen im Alltag können auf eine instabile Ruptur des Labrum acetabulare hinweisen. Mechanische Phänomene wie ein Springen, Klicken oder Schnappen können unterschiedliche Ursachen haben. Ein im Trochanterbereich sichtbares, manuell spürbares aber nicht hörbares Schnappen ist typisch für eine Coxa saltans externa (Traktusschnappen), während ein hörbares und manuell spürbares Schnappen meist ein Hinweis auf eine schnappende Psoassehne ist (Coxa saltans interna) (1). Differentialdiagnostisch kann die Coxa saltans interna seltener auch durch intraartikuläre Pathologien wie freie Körper oder instabile Labrumrupturen provoziert werden.

KÖRPERLICHE UNTERSUCHUNG

Eine umfassende körperliche Untersuchung sollte neben beiden Hüftgelenken auch die umliegenden Weichteile, entferntere potentiell ursächlichen Strukturen wie Wirbelsäule, Leiste und Unterbauchorgane und die Erhebung eines neurovaskulären Status umfassen. Empfehlenswert ist die Entwicklung eines strukturierten Untersuchungsgangs, dem routinemäßig gefolgt werden sollte. Er besteht aus Inspektion des Gangbilds, des Entkleidungsprozesses und des entkleideten Patienten gefolgt von der Palpation, Beweglichkeits- und funktionellen Untersuchung im Stehen, Rückenlage und ggfs. in Bauch- und Seitenlage (s. Abb. 2).

Inspektion
Die Inspektion beginnt mit der Beobachtung des Gangbildes mit vorhandenem Schuhwerk und dem Entkleidungsprozess des Patienten. Muskelinsuffizienzen oder schwere Bewegungseinschränkungen fallen bereits jetzt auf. Im entkleideten Zustand wird auf die Körperhaltung und sagittale Balance des Patienten geachtet. Beachtet werden eine mögliche Skoliose,Hyperlordose, Beckenkippungen, Schiefstände oder andere Fehlstellungen der Wirbelsäule.
Das Gangbild sollte von vorne, von der Seite und von hinten beobachtet werden. Hierbei ist besonders auf ein mögliches Trendelenburg- oder Duchenne-Hinken zu achten. Drehbewegungen des Beckens um die Vertikalachse als Hinweis auf eine verminderte Extension und beginnende Beugekontraktur sind häufig erst bei sorgfältiger Inspektion zu entdecken.
Ein möglicher Beckenschiefstand, eine Beinlängendifferenz oder ein Verkürzungshinken werden im Barfußstand mit und ohne Unterlegen von Brettchen, beim Gehen und im Liegen untersucht. Zu berücksichtigen sind funktionelle Beinlängenunterschiede bei muskulären Dysbalancen oder Kontrakturen und knöcherne Ursachen durch Wirbelsäulenfehlstellungen, Wachstumsstörungen im Becken-, Hüft- und Beinbereich oder Gelenkdestruktionen. Im Zweifelsfall ist Röntgen-Ganzbeinstandaufnahme erforderlich.

Palpation
Die Hüftkapsel und ein möglicher Erguss können aufgrund der tiefen Lage im Gegensatz zum Kniegelenk nicht direkt palpiert werden. Nur selten kann eine kräftige Ergussbildung der Psoassehnenscheide (Bursa iliopectinea) im Leistenbereich gesehen oder ertastet werden. Dennoch gehört die Palpation in Rücken- und Seitenlage der Knochenvorsprünge, Muskelbäuche und Sehnen im Becken, Oberschenkel und Rücken zur systematischen Untersuchung dazu. Schmerzen, Verhärtungen oder Dellen über dem Iliosakralgelenk, der Symphyse, an den prominenten Muskelansätzen und Apophysen von Becken und proximalem Femur, im Verlauf von Sehnen und Muskeln liefern wichtige Hinweise über Ursachen und Folgeprobleme von Hüftbeschwerden. Der untere Teil der Bauchwand und der Leistenkanal sind auf mögliche Hernien abzutasten.

Neurovaskuläre Untersuchung
Eine Überprüfung der Sensibilität, der Muskelkraft und der Muskeleigenreflexe beider unterer Extremitäten inklusive der Palpation der distalen Pulse gehören zur Routineuntersuchung dazu. Ein von der unteren Lendenwirbelsäule in den Hüft- und Leistenbereich projizierter Schmerz ist häufig. Bei auffälligen körperlichen Untersuchungsbefunden und unklaren Hüftschmerzen ist hier unbedingt differentialdiagnostisch ein vertebragener Schmerz auszuschließen.

Beweglichkeitsprüfung
In der Rückenlage wird das Becken durch eine Hand des Untersuchers fixiert, die passive Flexion, Abduktion, Adduktion, Innen-und Außenrotation wird gemessen und dokumentiert ebenso wie das Auftreten von Schmerzen. Eine Beugekontraktur wird durch den Thomashandgriff, der die Lendenlordose beseitigt, überprüft und bestimmt. Die Hüftstreckung wird in der Bauch-oder Seitenlage gemessen. Die Innenrotation ist in der Regel die erste Bewegungsrichtung, die durch eine längere Zeit bestehende intraartikuläre Hüftpathologie eingeschränkt ist. Besteht bereits eine deutliche Beugekontraktur und ist die Rotationsamplitude auf weniger als ca. 30° eingeschränkt, muss von einer deutlichen Gelenkschädigung ausgegangen werden.

FUNKTIONS- UND PROVOKATIONSTESTS

Mittlerweile liegt eine Vielzahl von Tests vor, mit denen die Funktion des Gelenks und der periartikulären Sehnen- und Muskulatur überprüft und unterschiedliche Anteile des Hüftgelenks “provoziert“ werden können. Die Spezifität der einzelnen Tests ist häufig gering, so dass die Zusammenschau der Testergebnisse wichtig ist, um zur korrekten Diagnose zu gelangen (3). Zudem ist bei der Provokation unbedingt der Patient zu befragen, ob der Test die Symptome des Patienten reproduziert. Nicht selten gibt der Patient an, dass ein Test andere Schmerzen auslöst, als solche, die er normalerweise beklagt. Hier ist in Frage zu stellen, ob die Struktur oder evtl. sogar die Hüfte das Problem des Patienten darstellt. Die Auswahl der folgenden wichtigen Funktions-und Provokationstest sollte Bestandteil jeder körperlichen Hüftuntersuchung sein:

Impingementtest
Beim klassischen ventrolateralen Impingementtest wird die Hüfte passiv in Beugung, Adduktion und Innenrotation geführt. Dieser Test ist häufig positiv bei einer Schädigung des ventrolateralen Knorpel-Labrum-Komplexes, wie sie beim FAI, einer Dysplasie und anderen Hüfterkrankungen zu finden ist. Der klassische ventrolaterale Impingementtest ist damit keinesfalls spezifisch für ein femoroazetabuläres Impingement, jedoch sehr sensitiv (4). Damit ist es unwahrscheinlich, dass bei negativem, schmerzfreiem Test die Hüfte für die Schmerzen des Patienten ursächlich ist.
Beim posterolateralen Impingementtest wird die Hüfte gebeugt, abduziert und außengedreht. Bei diesem Test kommender weiter lateral und dorsolateral liegende Pfannenrand-Knorpel-Labrum-Komplex in Kontakt mit dem Kopf-Hals-Übergang und Pfannenrand. Läsionen in diesem Bereich finden sich häufiger bei Vorliegen einer Koxa profunda.

Apprehensiontest
Auf dem Rücken liegend wird der Patient ipsilateral direkt an der Kante der Untersuchungsliege positioniert. Das Bein der zu untersuchenden Hüfte wird abduziert, außenrotiert und hyperextendiert. Bei diesem Test kommt es wahrscheinlich zu einer vermehrten Scherbelastung des ventralolateralen Pfannenrandes am Übergang zwischen Knorpel und Labrum. Ein positiver Test spricht etwas spezifischer für einen Labrum-Knorpelschaden im vorderen seitlichen Pfannenrandbereich (2). (s. Abb. 3)

FABERE Test nach Patrick (Vierer-Test)
Bei FABERE-Test (Flexion, ABduction, External Rotation, Extension) wird die zu untersuchende Hüfte des auf dem Rücken liegenden Patienten in die Vierer- Position gebracht, die Provokation erfolgt unter leichtem Druck auf das gebeugte Knie in Richtung Untersuchungsliege. Je nach Schmerzlokalisation (ISG vs. Leiste) und Reproduktion des Schmerzes hat dieser Test Bedeutung zur Differentialdiagnostik Iliosakralgelenk (ISG)-assoziierte Schmerzen vs. Hüftproblematik. Ein geringerer Abstand zwischen den Kniegelenkaußenseiten und der Untersuchungsliege weist im Seitenvergleich auf eine Hüftproblematik hin. (s. Abb. 4)

Beinhebetest gegen Widerstand
Der Patient liegt auf dem Rücken, das zunächst im Kniegelenk gebeugte Bein wird vom Untersucher in eine Hüftbeugung von ca. 90° gebracht, dann im Kniegelenk langsam gestreckt. Verkürzungen der ischiokruralen Muskulatur werden umso auffälliger, desto mehr die Hüftbeugung dabei zurückgenommen werden muss. Aus der maximalen Hüftbeugung bei Streckung wird der Patient aufgefordert, das Bein gegen die Schwerkraft zunächst zu halten und anschließend langsam abzusenken. Bei ca. 30° Beugung und nochmals bei ca. 15° Beugung wird der Patient aufgefordert, das Bein gegen die Hand des Untersuchers bei weiterhin gestrecktem Knie hochzuheben. Der aktive Hebetest bei gestrecktem Kniegelenk überprüft in den ersten 30° Hüftbeugung die Kraft der vorderen Hüft-übergreifenden Muskulatur einschließlich Iliopsoas und Rectus femoris. Besondere Bedeutung hat der Test zur Überprüfung eines Psoassehnenimpingements am vorderen Pfannenrand, insbesondere bei liegenden Hüftprothesen. Liegt ein Impingement der Psoassehne vor, kommt es typischerweise unterhalb etwa 30° Beugung zu einem plötzlichen starken ventralen Leistenschmerz mit Kraftverlust, nicht selten fällt dabei das Bein auf die Untersuchungsliege zurück. Ursächlich ist ein Kontakt bzw. Impingement der auf Pfannenhöhe unter dem Muskelbauch des Iliakus liegenden Psoassehne mit einem möglicherweise prominenten ventralen Rand einer in zu geringer Anteversion oder zu weit lateralisiert implantierten Gelenkpfanne. (s. Abb. 5)

Psoassehnenschnapptest
Ein tast- oder manchmal auch hörbares Psoassehnenschnappen kann während der Untersuchung reproduziert werden. Der Patient liegt auf dem Rücken und die Hüfte wird aktiv durch den Patienten selbst von einer Position der Beugung, Innenrotation und Abduktion in einer Vollstreckung und Außenrotation gebracht. Häufig kennt der Patient die auslösende Bewegung und kann diese selber aktiv präsentieren. Pathologische Bedeutung erlangt diese Beobachtung meistens nur bei gleichzeitiger Schmerzauslösung. Das solitäre Schnappen ohne Schmerzen ist wahrscheinlich als normal zu werten (1).

Piriformis-Provokationstest
In Rückenlage des Patienten wird die Hüfte durch den Untersucher tief gebeugt, etwas adduziert und außenrotiert. Die Außenrotatoren einschießlich Piriformis kommen dabei unter kräftigen Zug, was bei einem Engpass des N. Ischiadicus am Eintritt ins Foramen ischiadicum durch Irritationen durch den Piriformis zur Schmerzprovokation medial des Trochanter maior mit Ausstrahlung in den dorsalen Oberschenkel führt. (s. Abb. 6)

Adduktoren-Stress-Test
Kraft und Schmerzhaftigkeit der Adduktoren werden in Rückenlage und Hüftstreckung überprüft. Der Untersucher steht am Fußende zwischen den bereits etwas abgespreizten Beinen/Füßen des Patienten, stützt beiden Ellenbogen mit den Unterarmen auf der Untersuchungsliege auf und schiebt den rechten Fuß des Patienten mit der rechten Hand und den linken Fuße des Patienten mit der linken Hand in eine leichte Hüftabduktion. Der Patient wird dann aufgefordert, beide Beine/Füße gegen die Hände des Untersuchers zu pressen. Eine reduzierte oder am Adduktorenansatz oder im Muskelverlauf schmerzhafte passive Abduktionsfähigkeit sowie Schmerzen beim aktiven Stresstest weisen auf Adduktoren-assoziierte Schmerzen hin.
Es liegt eine Vielzahl anderer Tests vor, die bei Bedarf zur Differenzierung der Beschwerden durchgeführt werden sollten.

FAZIT

Viele Hüfterkrankungen und Hüftverletzungen lassen sich bereits durch eine ausführliche Schmerzanamnese und umfassende systematische Untersuchung der Hüfte erkennen. Hüftchirurg und Sportmediziner sind angehalten, einem standardisierten Befragungs- und Untersuchungsalgorithmus zu folgen, um Fehldiagnosen zu vermeiden oder pathologische Veränderungen zu übersehen. Die Diagnosestellung erfolgt nach Ergänzung des körperlichen Untersuchungsbefundes durch eine adäquate röntgenologische und weiterführende radiologische Diagnostik. Eine fluoroskopisch oder sonographisch kontrollierte Hüftinjektion bei weiterhin unklaren Beschwerden dient letztendlich zur Bestätigung oder Ausschluss von Hüftschmerzen.

LITERATUR

  1. ALLEN WC, COPE R. Coxa Saltans: The Snapping Hip Revisited. J Am Acad Orthop Surg. 1995;3:303-8.
  2. BACHELIER F, SEIL R, KOHN D, DIENST M. Erkrankungen und Verletzungen des Hüftgelenks im Sport – Untersuchungsalgorithmus und Indikationsstellung zur Hüftarthroskopie. . Sport-Orthopädie Sport-Traumatologie. 2003;19: 185-95.
  3. DIENST M. Lehrbuch und Atlas , Hüftarthroskopie. München: Elsevier GmbH; 2010.
  4. GANZ R. Bewegung als Initiator der Koxarthroseentstehung. Der Unfallchirurg. 2005;108:7-8.
  5. MARTIN RL, IRRGANG JJ, SEKIYAJK. The diagnostic accuracy of a clinical examination in determining intra-articular hip pain for potential hip arthroscopy candidates. Arthroscopy. 2008;24:1013-8.
  6. VINGÅRD E, ALFREDSSON L, GOLDIE I, HOGSTEDT C. Sports and osteoarthrosis of the hip: An epidemiologic study. The American Journal of Sports Medicine. 1993;21:195-200.
Michael Dienst, Orthopädische Chirurgie
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