Körperliche Aktivität
ORIGINALIA
Sportmotivation & Herzrehabilitation

Sportmotivation: Kritisches Moment in der Langzeit-Herzrehabilitation.

Sports Motivation: A Critical Moment in Cardiac Long Term Rehabilitation

ZUSAMMENFASSUNG

Kardiopräventive und -rehabilitative Wirkungen physischer Aktivität sind gut belegt, sportkardiologisch Ausdauer- und Krafttraining in Kombination optimal. Die Effizienz von lebensbegleitender Herzrehabilitation hängt patientenseitig von Selbstverantwortung und nachhaltiger Verhaltensmodifikation ab. Motivation zu gesundheitsfördernden, sportorientierten Maßnahmen ist entscheidend. Qualitative Untersuchungen an sportaktiven Herzpatienten der österreichischen Phase IV (Deutschland Phase III) weisen signifikant persönlichkeitsabhängige Charakteristika von Sportmotivation in fünf Kategorien nach: prozessual-handlungsorientiert, retrospektiv-biografisch, herzspezifisch-intentional, nicht-herzspezifisch intentional und identitätsgebunden. Überlagerungen expliziter und impliziter Motivation werden evident. Diese Faktoren werden von konventionellen Inventaren zur Messung von Sportmotivation nicht adäquat berücksichtigt. Das führt hier zur Entwicklung eines spezifischen Inventars (15 Items in 5 Parameter gruppiert) für Herz-Langzeitrehabilitation. Dem folgt eine quantitative Studie mit Herzpatienten, die regelmäßig an kardiovaskulär orientiertem Sport in Selbsthilfegruppen teilnehmen (n=201; Alter zwischen 41 und 91 Jahren, μ=71,4; =7,78). Die höchsten Motivationswerte beziehen sich auf intentionale Förderung und Erhaltung der Herzgesundheit sowie die Möglichkeit, durch eigene Aktivität rehabilitationsrelevante und kardioprotektive Faktoren kontrollieren zu können, also nicht allein von Medikamenten abhängig und der Herzkrankheit dominiert zu sein. Knapp unter diesen Motivationswerten liegen positive sozialkommunikative Gruppendynamik, die erlebte Ganzheit von Körper und Geist im Sport sowie die Erfahrung körperlicher Leistungssteigerung. Heterogen und teils hoch emotional besetzt sind sexuelle Motivationsfaktoren.
Individualspezifische Motivation ist am Übergang von klinischer zu selbstverwalteter Rehabilitation essentiell und stellt differenzierte Anforderungen an Ärzte, Selbsthilfegruppen und Sportvereine.

SCHLÜSSELWÖRTER:
Sportmotivation, Langzeitrehabilitation, sportmedizinische Rehabilitation, Kardiovaskuläre Prävention

SUMMARY

Positive effects of physical activity in cardiac prevention and rehabilitation are well proved, according to sports cardiology which recommends a gold standard combining endurance and resistance training. The efficiency of long-term cardiac rehabilitation (AHA phase III or IV CR) depends on self-responsibility and sustainable life-style-modification. Motivation for health-oriented sports is decisive.
Qualitative pre-investigations distinguish specific personality factors identifying process-oriented-behavioural, retrospective-biographical, heart-oriented intentional, non-heart-oriented intentional and identity-specific parameters in heart patients. Overlapping explicit and implicit motivational factors become evident.The lack of adequate sports motivation measures for cardiac long-term rehabilitation required the development of a new measurement instrument which was used to gain quantitative data of heart patients (n=201; age range 41-91; average 71.4; standard deviation 7.78) participating regularly in cardiovascular sports activities organised by self-help groups in an Austrian patient-support organisation.
Highest motivational ranking referred to explicit cardiac prevention as well as efficient self-control of health promotion by physical activities. Not to be completely dependent on pharmacologic treatment and dominated by one’s illness was defined a superior goal. Nearly equal importance was attached to socio-communicative group experiences, integrating body and soul in sports activities, and the awareness of possible enhancement of physical fitness. Sexual motivation showed heterogeneous characteristics, partly also of extremely high significance.
Successful transition from clinical rehabilitation to rehabilitative self-management and sustainable motivation for health-promoting sports in heart patients require appropriate interventions from physicians, patient-support groups and sports organisations. 

KEY WORDS:
Sports motivation, long term rehabilitation, sports medicine rehabilitation, cardiovascular prevention

EINLEITUNG

Die Thematik der Arbeit spricht ein auch in Deutschland seit vielen Jahren bekanntes und schwer lösbares Problem an. Es fällt zunächst oft schon schwer, Herz-Patienten aus dem Akutkrankenhaus in eine Rehabilitationsklinik zu überführen. Besonders schwierig erweist sich dann aber vielfach deren Integration in ambulante Herzgruppen. Dabei spielen zum einen Altersunterschiede der Rehabilitanden mit sehr differenten Zielvorstellungen und daraus resultierendem unterschiedlichem Betreuungsbedarf eine zentrale Rolle. Zum anderen spielen Geschlechterunterschiede indie Problematik der Verfügbarkeit sowie der Integration in Rehabilitations-Sportgruppen hinein.
Spätestens seit dem Traktat zur Herzrehabilitation durch die Weltgesundheitsorganisation 1964 bemühen sich weltweit Selbsthilfeorganisationen um effiziente, lebensbegleitende Aktivitäten, die auch im Zusammenhang mit der Ottawa-Charta von 1986 zu sehen sind. Ab dem Zeitpunkt der vollständigen gesundheitsrelevanten Selbstverantwortung von Patienten entscheidet deren Motivation über die Aufnahme beziehungsweise Weiterführung physischer Aktivität, über Trainingsfrequenz und Trainingsintensität – und damit über rehabilitative Nachhaltigkeit. Die vorliegende Studie versucht dazu persönlichkeitsspezifische Parameter gesundheitsbezogener Sportmotivation zu identifizieren, zu charakterisieren und zu quantifizieren.

PHASEN DER HERZREHABILITATION

Während international speziell im kardiovaskulären Bereich übereinstimmend von der Sequenz Frühmobilisierung, Frührehabilitation und Langzeitrehabilitation ausgegangen wird, unterscheiden sich nationale Phasendefinitionen. So beziehen sich gemäß der American Heart Association Phase I auf stationäre Rehabilitation, Phase II auf Anschlussrehabilitation und Phase III beziehungsweise IV auf Langzeitrehabilitation.

In der Schweiz beginnt Phase I nach der OP im Akutkrankenhaus, Phase II bezieht sich auf ein ambulantes oder stationäres Intensivprogramm und Phase III auf die Sicherung der Nachhaltigkeit und des Langzeiteffekts von Phase II. Damit besteht eine Vergleichbarkeit zu den Phasen I, II und III des deutschen Systems, wo Phase II als stationäre, ambulante oder gemischtförmige Rehabilitation in einer zugelassenen Reha-Klinik definiert ist. Diese hat unabhängig von der Reha-Form gemäß Sozialgesetz stets eine Dauer von drei Wochen (21 Tage im stationären beziehungsweise 15 Tage im ambulanten Setting) – mit der Möglichkeit auf Antrag jeweils um ein bis zwei Wochen zu verlängern.

Die vorliegende Arbeit wurde mit Herzpatienten in Österreich durchgeführt, wo im Gegensatz zu Deutschland in vier Phasen unterteilt wird: Phase I als Frühmobilisierung im Akutkrankenhaus, Phase II stationär in einer Reha-Klinik, darauffolgend Phase III als ambulante, einjährige Anschlussbehandlung und Phase IV als lebensbegleitende Rehabilitation und Gesundheitserhaltung in Selbsthilfegruppen des Österreichischen Herzverbands. Analoge Aufteilungen finden sich auch international wieder, etwa am Executive Royal College of Physicians in Edinburgh.

Da das deutsche Sozialgesetz eine sich an die stationäre Rehabilitation noch anschließende mehrmonatige ambulante Weiterbehandlung nicht kennt, gibt es die österreichische Phase III in Deutschland nicht. Die österreichische Phase IV, aus der unsere Studienpatienten stammen, entspricht damit der deutschen Phase III, die hier beide als Langzeitrehabilitation bezeichnet werden. Diese Systemunterschiede bedingen gerade am Beginn der Langzeitrehabilitation Differenzen bezüglich Trainingsbelastbarkeit, posttraumatischer Reaktion auf die Akuterkrankung, Lebensstiländerung und Sportmotivation. Dies ist besonders im Hinblick auf die Übertragbarkeit der Forschungsergebnisse der vorliegenden Arbeit zu berücksichtigen.

 

Fall eines (offenbar koronaren) Patienten, dessen Zustand sich deutlich durch eine halbe Stunde täglicher Waldarbeit verbesserte (11). Trotz wiederkehrender Hinweise auf die kurative Effizienz physischer Aktivität blieben Ruheverordnungen nach Myokardinfarkt lange Zeit Standard. Das Paradigma der „Schonung“ zieht sich so von James B. Herrick’s Empfehlungen von sechswöchiger Bettruhe nach koronarem Event mit negativer Verhaltenskonsequenz teils bis zum heutigen Patienten. Gegensteuerung erfordert kompetente wie empathische ärztliche Motivationsarbeit, welche nicht zuletzt auf der Kenntnis der Entwicklungsgeschichte von Reha-Bewegungsprogrammen (13), des aktuellen Stands rehabilitativer Sportmodelle sowie des epidemischen Charakters pathogenen Lebensstils beruht. Während Bewegungsinterventionen in den 1970er Jahren nach unkomplizierten Koronarevents zum Einsatz kamen (9) und positive Rehabilitationseffekte zu einer regelrechten Flut an Untersuchungen zur Frühmobilisierung nach Myokardinfarkt führten (10), blieben die Notwendigkeit nachhaltiger physischer Aktivität und deren Abhängigkeit von patientenseitiger Motivation weitestgehend undiskutiert.In den Folgejahren werden diese Ergebnisse in präziseren Forschungssettings wie etwa zur Frühmobilisation von Patienten mit unkompliziertem Myokardinfarkt (21) bestätigt. Zudem werden Fragestellungen differenziert: Unterschiede in der Frühmobilisierung von Patienten mit und ohne Komplikationen nach akutem Myokardinfarkt (1), prospektive Aspekte von Frühmobilisierung (14), Vergleich von klassischer und akzelerierter Frühmobilisierung nach Myokardinfarkt (12). Frühmobilisierung setzte sich schließlich international durch, wird Standard (7) und kann als wesentliche Einflussgröße auf spätere sportkardiologische Forschungen zur kardiovaskulären Rehabilitation angesehen werden. Diese Arbeiten fokussieren jedoch nahezu ausschließlich auf den physiologischen Aspekt. Persönlichkeitspsychologische und prospektiv sportmedizinische Fragestellungen bleiben weitgehend unberührt. Im Zusammenhang mit psychischen Faktoren nachhaltig betriebener physischer Aktivitäten spielt die Entwicklung von Frühmobilisierung nach akutem Myokardinfarkt in zweifacher Hinsicht eine bedeutende Rolle. Einerseits haben diese kardiologischen Erkenntnisse das Bewusstsein für sportliche Bewegung als Methode der Herzrehabilitation gefördert. Zum anderen dürfte Frühmobilisierung zur Verhinderung pathologischer Veränderungen des eigenen Körperbilds beitragen. Kontrollgruppenstudien dazu wären medizinethisch problematisch. Allerdings können wir retrospektive Fallstudien betreiben und induktive Schlüsse aufgrund verhaltensmedizinischer Theoriebildung führen. Insgesamt dürfen Sportaktivitäten im Gesundheitskontext jedenfalls nicht auf isolierte Fitness reduziert, sondern müssen als vielschichtig mit der Persönlichkeit verwoben angesehen werden (3), was letztlich Lebensqualität generell betrifft (8).

FRÜHMOBILISIERUNG UND SPORTMOTIVATION IM MEDIZINGESCHICHTLICHEN KONTEXT

Der durch sein epochales Paper Some Account of a Disorder of the Breast (4) berühmt gewordene William Heberden beschreibt den Fall eines (offenbar koronaren) Patienten, dessen Zustand sich deutlich durch eine halbe Stunde täglicher Waldarbeit verbesserte (11). Trotz wiederkehrender Hinweise auf die kurative Effizienz physischer Aktivität blieben Ruheverordnungen nach Myokardinfarkt lange Zeit Standard. Das Paradigma der „Schonung“ zieht sich so von James B. Herrick’s Empfehlungen von sechswöchiger Bettruhe nach koronarem Event mit negativer Verhaltenskonsequenz teils bis zum heutigen Patienten.
Gegensteuerung erfordert kompetente wie empathische ärztliche Motivationsarbeit, welche nicht zuletzt auf der Kenntnis der Entwicklungsgeschichte von Reha-Bewegungsprogrammen (13), des aktuellen Stands rehabilitativer Sportmodelle sowie des epidemischen Charakters pathogenen Lebensstils beruht.
Während Bewegungsinterventionen in den 1970er Jahren nach unkomplizierten Koronarevents zum Einsatz kamen (9) und positive Rehabilitationseffekte zu einer regelrechten Flut an Untersuchungen zur Frühmobilisierung nach Myokardinfarkt führten (10), blieben die Notwendigkeit nachhaltiger physischer Aktivität und deren Abhängigkeit von patientenseitiger Motivation weitestgehend undiskutiert.
In den Folgejahren werden diese Ergebnisse in präziseren Forschungssettings wie etwa zur Frühmobilisation von Patienten mit unkompliziertem Myokardinfarkt (21) bestätigt. Zudem werden Fragestellungen differenziert: Unterschiede in der Frühmobilisierung von Patienten mit und ohne Komplikationen nach akutem Myokardinfarkt (1), prospektive Aspekte von Frühmobilisierung (14), Vergleich von klassischer und akzelerierter Frühmobilisierung nach Myokardinfarkt (12).
Frühmobilisierung setzte sich schließlich international durch, wird Standard (7) und kann als wesentliche Einflussgröße auf spätere sportkardiologische Forschungen zur kardiovaskulären Rehabilitation angesehen werden. Diese Arbeiten fokussieren jedoch nahezu ausschließlich auf den physiologischen Aspekt. Persönlichkeitspsychologische und prospektiv sportmedizinische Fragestellungen bleiben weitgehend unberührt.
Im Zusammenhang mit psychischen Faktoren nachhaltig betriebener physischer Aktivitäten spielt die Entwicklung von Frühmobilisierung nach akutem Myokardinfarkt in zweifacher Hinsicht eine bedeutende Rolle. Einerseits haben diese kardiologischen Erkenntnisse das Bewusstsein für sportliche Bewegung als Methode der Herzrehabilitation gefördert. Zum anderen dürfte Frühmobilisierung zur Verhinderung pathologischer Veränderungen des eigenen Körperbilds beitragen.
Kontrollgruppenstudien dazu wären medizinethisch problematisch. Allerdings können wir retrospektive Fallstudien betreiben und induktive Schlüsse aufgrund verhaltensmedizinischer Theoriebildung führen. Insgesamt dürfen Sportaktivitäten im Gesundheitskontext jedenfalls nicht auf isolierte Fitness reduziert, sondern müssen als vielschichtig mit der Persönlichkeit verwoben angesehen werden (3), was letztlich Lebensqualität generell betrifft (8).

SPORTKARDIOLOGISCHE FUNDIERUNG VON LANGZEITREHABILITATION

Sportmedizinisch sind in Bezug auf Prävention die Klientel der gesunden Bevölkerung, der Personen mit kardialen Risikofaktoren und der Patienten mit manifester Erkrankung (19) zu unter-scheiden. Die vorliegende Studie bezieht sich auf die letzte Gruppe, wobei Integration sportkardiologischer Parameter und differentialpsychologischer Motivationsaspekte eine zentrale Rolle für die Nachhaltigkeit von Rehabilitationseffizienz spielen.
In der Praxis zeigen sich zwei kritische Momente: zum einen potentiell psychologische Motivationshemmnisse, zum anderen die oft defizitäre Angebotsbreite möglicher, sport-kardiologisch sinnvoller Betätigung. Besonders subjektive Verunsicherung, niedrige Einschätzung der Selbstkompetenz sowie Angstfaktoren demotivieren.
Obwohl traditionelle sportorientierte Kardiorehabilitation auf Ausdauertraining mit kontinuierlicher Belastung beruht, eröffnen Untersuchungen zum Intervall- und Krafttraining (dynamic resistance training) Möglichkeiten, die physische Aktivitäten selbsthilfeorientierter Rehabilitation hinsichtlich persönlicher Neigungen und Motivationen zu spezifischen Bewegungsmodi und Sportarten enorm erweitern und entscheidend zur Nachhaltigkeit im Sinne von Lifelong Training beitragen können.
Während klassische Untersuchungen auf kontinuierliches aerobes Ausdauertraining fokussieren, messen neuere Studien Intervalltrainings mit höheren Intensitäten hinsichtlich spezifischer Regenerationsprozesse und der Verbesserung myokardialer Funktionen gegenüber moderatem Ausdauertraining mehr Effizienz bei (22). Kraftausdauer ist in der Herzrehabilitation als Trainingsperspektive inzwischen etabliert und durch zahlreiche Studien gut belegt. Das verlangt nach Erweiterung des Reha-orientierten Sportangebots.
Kardiorehabilitative Effekte, welche durch physisches Training im Rahmen von (stationärer beziehungsweise ambulanter) Rehabilitation erzielt werden, nehmen ohne weiterführendes Training rasch ab (20). Dieses Faktum macht Motivation von Herzpatienten zu lebenslang ausgerichtetem, gesundheitserhaltendem Sport zu einem zentralen Thema (5, 16, 18), das die grundlegendeEinstellung und Bereitschaft zu regelmäßiger physischer Aktivität (15), sozial-kognitive Faktoren (17) und identitätsrelevante Mitgliedschaft in freien Patientengruppen (6) einschließt.

UNTERSUCHUNGSMETHODIK UND DATENGENERIERUNG

Die Wichtigkeit kardiovaskulär gesundheitsfördernder Sportaktivitäten, Eigenverantwortung in Selbsthilfegruppen und Abhängigkeit von patientenseitiger Motivation zu Sport erforderten eine Studie zu persönlichkeitsspezifischen motivationalen Faktoren. Auf dieser Grundlage wurde ein Messinventar zur Sportmotivation für Langzeit-Herzpatienten entwickelt, das den differenzierten Kanon verfügbarer Sportmotivationstests und –skalen spezifisch ergänzen soll.
Datengenerierung erfolgte qualitativ und zufallsverteilt mit einmaligen, problemzentrierten Interviews (PZI) von Mitgliedern des Österreichischen Herzverbands ÖHV (n=73) mit mindestens 6-monatiger aktiver Teilnahme an Herzsportgruppen. Das Sample der sportaktiven Mitglieder des ÖHV ist kardiovaskulär dominiert, hinsichtlich Polymorbidität heterogen (Diabetes II, psychische und neurodegenerative Prozesse etc.) sowie geschlechts- und altersgemischt (jüngste Untersuchung μ=71,8 Jahre, =7,8 Jahre). Aufgrund dessen erfolgte die Datengenerierung als nicht-selektive Kohortenstudie.
PZI-Fokus lag auf verhaltensbedingender Sportmotivation sowie situativen und psychischen Hinderungsgründen für die regelmäßige, aktive Wahrnehmung sportrehabilitativer Angebote. Datenanalyse und Theoriebildung erfolgte nach Standards qualitativer Sozialforschung und führte zur Identifizierung von fünf Typen mit prozessualer, retrospektiv-biografischer, kardial-intentionaler, nicht-kardial-intentionaler und identitätstypischer Charakteristik von Motivation.
Auf dieser Basis wurde ein intervallskalentypischer Fragebogen (Ratings von 0 bis 10) erstellt, jeder Motivationstyp mit drei Items belegt (insgesamt 15 Items). Da keine standardisierten Tests mit analoger Motivationskategorisierung bekannt sind, die als Referenz herangezogen werden können, entfällt hier auch die sonst übliche Testvalidierung. Als „Latent variables“ und deren Ausprägung wird damit das definiert, was die Items und deren Ratings bestimmen (Tab. 1).


Teilnehmer verschiedener Herzsportgruppen wurden standardisiert über Dritte zur Handhabung des Inventars instruiert. Alle 15 Items sollten mit einer Zahl von 0 (= „trifft überhaupt nicht zu“) und 10 (= „stimmt völlig“) belegt werden. Items, die als unzutreffend erachtet oder nicht verstanden wurden, konnten ausgelassen werden.

ERGEBNISSE

Bei einem Datenrücklauf von 201 Personen im Alter zwischen 41 und 91 Jahren (Mittelwert 71,4; Standardabweichung 7,78) ergibt sich eine überwiegend kardiovaskuläre Verteilung: Koronarpatienten: 97; Klappenpatienten: 11; Rhythmuspatienten: 12; Insuffizienzpatienten: 10; Hypertoniepatienten: 9; Patienten ohne Angabe der Primärdiagnose beziehungsweise mit Angabe Prävention: 62.
In der Auswertung der Daten wurden Median, Modalwert, Mittelwert, Standardabweichung, Varianz und Verteilungscharakteristika (beispielsweise mit eng differenzierten Quantilen) berechnet. Die zentralen Charakteristika lassen sich allgemein gut mit Median, Mittelwert und Standardabweichung beschreiben (Tab. 2). Spezielle Verteilungen kommen in der Diskussion zur Sprache.

 

 

INTERPRETATION UND DISKUSSION

Ein Vergleich des Erkenntnisgewinns der qualitativen Verbaldatenanalyse mit dem der numerischen Verarbeitung von Itemdaten spricht generell für eine Kombination beider Zugänge: beim ersten liegt der Akzent mehr auf individualspezifischen Charakteristika, beim zweiten auf der Abschätzung von Trends und Verteilungen. Trotz gewissenhafter Instruktion der Testpersonen und objektiver Erhebung müssen bei Daten zur Selbsteinschätzung und aspektgeleiteten Ich-Darstellung systemimmanente Fehlerquellen mit ins Kalkül gezogen werden. Bei den von extern unbeeinflussten Rohdaten, die auf jeden Fall das unveränderliche Rohmaterial des quantitativen Studienteils darstellen, fallen im Vergleich zu den PZI-Daten geringere Differenziert und gröbere Trennschärfencharakteristik auf.
Gründe könnten kognitiv (z.B. ungewohnter Umgang mit Items), affektiv (z.B. Angst, etwas falsch zu machen), intentional (z.B. durch Hochbewertung den Trainer loben) oder situativ (z.B. unmittelbar vor dem Herzsport kein Interesse an einem Fragebogen zu haben) sein. Das macht den Vergleich mit analogen, untereinander unabhängigen Studien wünschenswert.
Interpretation der numerischen Daten lässt auf dem Hintergrund der qualitativen die Annahme zu, dass die Einstellung zur aktiven Gesundheitserhaltung eine Überwindung des Selbstbilds als Patient verlangt. Motivation zum Sport dürfte stark mit der Intention zur Rückgewinnung einer vitalen Identität interagieren. Gleichzeitig haben bei der untersuchten Patientengruppe Sport zur intendierten Erhaltung und Förderung der Herzgesundheit höchste Priorität. Dabei zeigt sich eine hohe subjektive Gewissheit der Effizienz dieser Maßnahme. Insgesamt sind Einflussfaktoren auf die Langzeitdynamik von Motivation zum Gesundheitssport jedoch noch eingehender zu untersuchen.
Dass Sexualität im Alter eine wichtige Rolle spielen kann, ist gerade gerontopsychologisch hinlänglich bekannt (2). In der hier vorgestellten Studie weist der Aspekt der Sexualität die weitaus höchste Heterogenität von völliger Ignoranz bis zu (ungefordert) unterstrichener Maximalpunktung auf. Ein 73-jähriger Patient etwa bewertet alle Items mit „5“, das sexualitätsbezogene hingegen mit „6“. Stabilisierung eines vitalen Selbstbilds sowie Verbesserung von sexueller Lust- und Funktionsfähigkeit durch Sport verlangen Studien, welche wesentlich auch in Fragen von Lebensqualität hineinspielen.
Gehen wir vorsichtig relativierend davon aus, dass die Items ausgesprochen hoch bewertet wurden, dann lässt eine Quantile von 70% bei 9 davon ausgehen, dass durch kardiovaskulär orientierten Sport etwa ein Drittel der Patienten zur Wiederaufnahme früher betriebener Sportarten motiviert wird. Das ist ein Prozentsatz, der hochgerechnet an der Population mit koronarer Herzkrankheit neue Anforderungen an das Vereinswesen stellt. Wiederaufnahme früher betriebener Sportarten lässt Ich-Stabilisierung, den Abbau eines eventuell einseitigen Selbstbilds als Patient und Nachhaltigkeit sportlicher Aktivitäten erwarten. Intensivierte Kooperation von Breitensport im Verein und Sportmedizin ist gefordert. Hier stehen zudem auch Forschungen an, welche die muskuläre und kardiale Beanspruchung verschiedener Sportarten mit Ergebnissen aus der sportmedizinischen Prävention und Rehabilitation abgleichen.
Die vorliegende Studie wurde an aktiven Herzpatienten durchgeführt und gibt Hilfestellungen zum Erhalt von sportbezogener Motivation. Allerdings fehlen fundierte, größer angelegte, multifaktorielle Untersuchungen, warum Herzpatienten aus lebensbegleitenden sportlichen Aktivitäten ausscheiden beziehungsweise nach dem Anschlussverfahren (Deutschland Phase II) solche nicht aufnehmen.

EMPFEHLUNG UND AUSBLICK

Kriterien zur Verbesserung von Motivation zu rehabilitativem
Herzsport:
• Identifizierung     individueller     Erwartungen     an     rehabilitativen Herzsport,
• verständliches     Herausstellen     des     sportkardiologischen Werts des Trainings,
• begründetes     Vertrauen     auf     richtige     Trainingsintensität und Risikovermeidung,
• individuell    stützendes    und    sozial    teilhabendes    Klima,
• Rahmenbedingungen     für     körperorientierte     Erfolgserlebnisse, Überwindung eines Selbstbilds als „nur“ Patient,
• Hilfe    zum    Erkennen    des    eigenen    Benefits    (Gesundheit, Fitness, Lebensqualität) durch Herzsport.

In Folge dieser Studie sind geplant:
• eine    Wiederholung    der    Befragung    mit    erweiterten    Items, die auch negativ akzentuierte Fragen (z.B. Blamage bei Ungeschicklichkeit) sowie differenziertere psychische Dispositionen (z.B. depressive Tendenzen) beinhalten;
• eine    größer    angelegte    Studie    zur    validierten    Standardisierung des Mess-Inventars Sportmotivation im langzeitrehabilitativen Kontext.

Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: keine.

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Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mastnak
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