Klinische Sportmedizin
ORIGINALIA
SUBJEKTIVE UND OBJEKTIVE ERFASSUNG KÖRPERLICHER AKTIVITÄT

Körperliche Aktivität erfassen – ein Vergleich vom IPAQ-SF und dem SenseWear Pro Armband

Physical Activity Assessment – a Comparison between IPAQ-SF and SenseWear Pro Armband

ZUSAMMENFASSUNG

Problemstellung: Die Messung der körperlichen Aktivität ist sehr komplex. Zumeist wird körperliche Aktivität mittels Fragebögen erhoben. Allerdings sind subjektiv gewonnene Angaben oft durch Erinnerungsverzerrungen und soziale Erwünschtheit geprägt. Mittels Pedometer, Aktometer und Multi-Sensorgerät kann die Aktivität objektiv erhoben werden. Diese Methoden sind aufwendiger. Anliegen der Studie ist der Vergleich von subjektiven Angaben zur körperlichen Aktivität (IPAQ-SF) und dem objektiv gemessenen Aktivitätsverhalten (SenseWear Pro Armband, SWA).
Methode: In der LIFE Studie wurden 434 (202 Männer, 232 Frauen, Alter: 18-78) Probanden zu ihrem Bewegungsverhalten befragt (IPAQ-SF) und anschließend mit einem SWA ausgestattet. Zum Vergleich beider Messinstrumente wurde der Zusammenhang der subjektiv angegebenen Gesamtaktivität mit dem gemessenen aktiven Energieverbrauch bestimmt. Als Maß für den Zusammenhang wurden Intraklassen-Korrelationen und Spearman-Rangkorrelationen berechnet. Bland-Altman Analysen wurden durchgeführt.
Ergebnisse: Die Ergebnisse des IPAQ-SF zeigen eine Gesamtaktivität im Median von 3765 MET-Minuten/Woche (IQR: 2034-6354). Die Ergebnisse des SWA zeigen, dass die Teilnehmer die meiste Zeit des Tages in niedriger körperlicher Aktivität verbringen. Sie erreichen einen aktiven Energieverbrauch im Median von 2678 MET-Minuten/Woche (IQR: 1642-4005). Die Korrelationen der Gesamtaktivität und dem aktiven Energieverbrauch beschreiben einen signifikanten, schwachen Zusammenhang (Intraklassen-Korrelation .25; p<.001; Spearman-Rangkorrelation .30; p<.001).
Diskussion: Die subjektiven Angaben (IPAQ-SF) weichen stark vom objektiven Energieverbrauch (SWA) ab. Im Mittel liegt eine subjektive Überschätzung der körperlichen Aktivität vor. Soll die gesamte Komplexität abgebildet werden, müssen verschiedene Verfahren eingesetzt werden. Ein paralleler Einsatz von objektiven und subjektiven Verfahren ist empfehlenswert.

Schlüsselwörter: Körperliche Aktivität, subjektive und objektive Erhebungsmethoden

SUMMARY

Subject: Assessing physical activity is a complex procedure. Commonly, physical activity is assessed through questionnaires. Subjective measures are cost-effective but may lack acceptable validity because of recall errors or social desirability. Objective measures of physical activity with pedometer, actometer or multi-sensor instruments are available, but more elaborate. This study aims to compare subjectively measured physical activity (IPAQ-SF) and objective measured physical activity (SenseWear Pro Armband, SWA).
Methods: In the study of LIFE 434 (202 men, 232 women, age: 18-78) participants answered a questionnaire about their physical activity (IPAQ-SF) and received the SWA afterwards. To compare both instruments, intra-class correlations and spearman`s rank correlations with the objective measured active energy expenditure were calculated. Bland-Altman analyses were computed.
Results: Total energy expenditure of the sample measured by IPAQ-SF was 3765 MET-min/week (IQR: 2034-6354). Measured by SWA, participants were mostly low active during the main time of the day. They reached energy expenditure of 2678 MET-min/week (IQR: 1642-4005). Correlations were significant but weak (intra-class correlation .25; p<.001 and spearman`s rank correlation .30; p<.001).
Discussion: Subjective measures (IPAQ-SF) differ from objective measures (SWA) of active energy expenditure. Subjectively measured physical activity overestimates the actual objectively measured physical activity. If full complexity of physical activity should be investigated, different assessments should be used. A parallel use of subjective and objective instruments is recommended.

Key Words: Physical activity, subjective and objective assessment methods

EINLEITUNG

Die Erhebung des Aktivitätsverhaltens stellt auf Grund vieler verschiedener Methoden oft eine Herausforderung dar (7, 9, 10). Generell kann zwischen indirekten und direkten Verfahren unterschieden werden (9). Zu den indirekten Verfahren gehören Fragebögen und Instrumente, wie Tagebücher und Protokolle zur subjektiven Erhebung der Aktivität. Die Erhebung mittels Fragebögen ist die gebräuchlichste und günstigste Methode (16, 11, 15, 21). Jedoch beruhen die Angaben in diesen Verfahren auf der persönlichen Einschätzung und Erinnerung. Erinnerungsverzerrungen, soziale Erwünschtheit oder auch Fehlinterpretationen können die Messqualität beeinträchtigen und so ein überschätztes Aktivitätsverhalten abbilden (4, 9, 11, 15, 16, 21). Ein international anerkannter und in vielen Nationen angewendeter Fragebogen zur Erhebung der körperlichen Aktivität ist der International Physical Activity Questionnaire (IPAQ) (4, 10). Eine präzisere Messung körperlicher Aktivität kann durch den Einsatz von direkten, objektiven Messinstrumenten erzielt werden. Zu diesen Verfahren gehören die Herzfrequenzmessung in Kombination mit der Akzelerometrie und die Aktivitätsmessung mittels Pedometern (15). Als Goldstandardmethode gilt die doubly labeled water Methode (14, 15). Objektive Messverfahren erfassen die körperliche Aktivität mit Daten zur Frequenz, Dauer und Intensität (15). Ein objektives Messinstrument ist das SenseWear Pro Armband (SWA). Das SWA ist ein MultiSensorgerät, welches den Energieverbrauch über die Erfassung der körperlichen Aktivität in einem bestimmten Zeitraum abschätzt (15). Der Einsatz von objektiven Verfahren ist zumeist ein ökonomisches Problem (14, 15, 16, 23). In bisherigen internationalen Studien wurden verschiedene Fragebögen mittels objektiven Verfahren überprüft (4, 10). Immer wieder zeigt sich, dass Fragebögen die körperliche Aktivität nur begrenzt erfassen und die Validität zu objektiven Verfahren eingeschränkt ist (10). Nachwievor braucht es weitere Studien zum Vergleich verschiedener subjektiver und objektiver Messverfahren. Für eine deutsche Erwachsenenstichprobe lässt sich derzeit keine Studie finden, in der der IPAQ mit einem objektiven Instrument verglichen wurde.

PROBLEM UND ZIELSTELLUNG

Im Leipziger Forschungszentrum für Zivilisationserkrankungen wurde die körperliche Aktivität neben dem gängigen Verfahren der Fragebogenerhebung zusätzlich mit einem Multi-Sensorgerät gemessen. Ziel war es, die subjektiven Angaben zur körperlichen Aktivität des IPAQ-SF mit den objektiv, mittels SenseWear Pro Armband (SWA) gemessenen Werten erstmals an einer deutschen Stichprobe zu vergleichen.

MATERIAL UND METHODEN

Stichprobe
Der Vergleich von selbstberichteter und objektiv erfasster körperlicher Aktivität basiert auf Daten von 434 Probanden (202 Männer, 232 Frauen) im Alter von 18 bis 78 Jahren. Die Probanden waren Freiwillige, die sich nach Aufrufen in den lokalen Medien zur Studienteilnahme bereit erklärten. Sie wurden mittels des IPAQ-SFs zu ihrem Bewegungsverhalten befragt und anschließend für eine Woche mit einem SWA ausgestattet. Vor Einschluss haben die Probanden die Einverständniserklärung unterschrieben. Der Erhebungszeitraum lag zwischen Juni 2011 und April 2012. Die Studie wurde durch die Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig genehmigt.

Selbstberichtete körperliche Aktivität (IPAQ-SF)
Der IPAQ-SF (International Physical Activity Questionnaire Short Form) ist ein Fragebogen zur Erfassung der körperlichen Aktivität der letzten sieben Tage. Anhand von sieben Items wird erfragt, wie viele Tage in intensiver, mittelschwerer und in Gehaktivität verbracht wurden und wie viele Stunden und Minuten an solch einem Tag in der jeweiligen Intensität verbracht wurden. Aufgrund logistischer Erfordernisse füllten die Probanden den IPAQ-SF am Tag der Ausgabe des SWA aus. Der Befragungszeitraum bezieht sich damit auf die Woche vor dem Tragen des Aktometers. Die Auswertung erfolgte gemäß den publizierten Auswertungsrichtlinien (https://sites.google.com/site/theipaq/scoring-protocol). Metrische Zielvariable ist die Gesamtaktivität in MET-Minuten/Woche, die sich als Summe von drei Aktivitätsbereichen berechnet: Gehaktivitäten, moderate körperliche Aktivitäten und intensive körperliche Aktivitäten. Für die kategoriale Einteilung in die drei Aktivitätsniveaus (niedrig, moderat, hoch) wird die Definition aus den publizierten Auswertungsrichtlinien verwendet.

Objektive Messung der körperlichen Aktivität mittels SenseWear Pro Armband (SWA)
Das SWA (Bodymedia, Inc., Pittsburgh, PA) ist ein Multi-Sensorgerät, welches physiologische Parameter (Hautleitfähigkeit, Körpertemperatur, Wärmefluss) und Bewegung mittels Akzelerometrie in zwei Achsen erfasst. Diese Parameter werden zusammen mit weiteren Informationen (Alter, Geschlecht, Körpergröße, Gewicht) zur Berechnung der körperlichen Aktivität verwendet (6). Die SenseWear Professional Software gibt für jeden Tag verschiedene Aktivitätsdaten aus: Gesamtenergieverbrauch, aktiver Energieverbrauch (AEE), Schrittanzahl, die Zeitdauer in Stunden und Minuten, welche die Teilnehmer in niedriger (<3 MET), moderater (3-6 MET) und intensiver körperlicher Aktivität (≥6 MET) verbringen. Um zuverlässige Aussagen über die habituelle körperliche Aktivität gewinnen zu können, sollten die Probanden das Armband für mindestens acht aufeinanderfolgende Tage Tag und Nacht tragen. Die körperliche Aktivität wurde basierend auf 6 ganzen Tagen (Tag 2 bis Tag 7) berechnet. Der Beobachtungszeitraum setzte sich aus dem Wochenende und vier Wochentagen zusammen. Dies genügt den Empfehlungen, wonach für eine reliable Aktivitätsmessung mindestens drei Wochentage und ein Wochenende überwacht werden sollten (20). Zur besseren Vergleichbarkeit wurden der Gesamtenergieverbrauch und der aktive Energieverbrauch (AEE) von kcal/Tag in MET-Minuten/Woche umgerechnet (21).

Statistische Auswertung
Die Datenauswertung erfolgte für die Gesamtstichprobe und getrennt nach Geschlechtern. Unterschiede zwischen den Geschlechtern wurden mittels varianzanalytischer Methoden oder ChiQuadrat-Tests überprüft. Zum Vergleich von IPAQ-SF und SWA wurden die Gesamtaktivität und der AEE, jeweils in MET-Minuten/Woche, herangezogen. Als Maß für den Zusammenhang wurden Intraklassen-Korrelationen und Spearman-Rangkorrelationen berechnet. Zur genaueren Analyse etwaiger Abweichungen wurden zusätzlich Bland-Altman Analysen durchgeführt. Anhand der mittels SWA gemessenen Schrittanzahl pro Tag können Teilnehmer in Aktivitätslevel von inaktiv bis hoch aktiv eingeordnet werden. Um zu überprüfen, inwieweit sich die schrittbezogene Einteilung durch die IPAQ-Kategorien vorhersagen lässt, wurde Somers-d berechnet. Alle Datenanalysen erfolgten mittels SPSS 20.0.0.1. P-Werte kleiner als .05 wurden als statistisch signifikant betrachtet.
Tabelle 1: Stichprobe aus 202 Männern im Alter von 18 bis 78 und 232 Frauen im Alter von 21 bis 76 Jahren. Als statistische Kennwerte sind Median und Interquartilsbereich (P25-P75) oder Häufigkeiten und Prozente (%) angegeben.

ERGEBNISSE

Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Stichprobe aus 202 Männern im Alter von 18 bis 78 und 232 Frauen im Alter von 21 bis 76 Jahren. In den Altersbereich über 65 Jahre fallen 32% Männer und 19% Frauen. Die medianen BMI-Werte fallen bei beiden Geschlechtern in den übergewichtigen Bereich über 25 kg/m² (19). Bei etwa 20% wurde ein BMI gleich oder größer als 30 kg/m² festgestellt.

Tabelle 2 fasst die subjektiven und objektiven Aktivitätsparameter des IPAQ-SF und die SenseWear-Messung zusammen. Laut IPAQ-SF berichten die Teilnehmer im Median eine Gesamtaktivität von 3765 MET-Minuten/Woche (IQR: 2034-6354). Im verwendeten Beobachtungszeitraum wurde das SWA von 95% der Probanden durchschnittlich mindestens 21 h am Tag getragen, davon durchschnittlich mindestens 14 h im Wachzustand. Es zeigt sich, dass die Teilnehmer die meiste Zeit des Tages mit niedriger körperlicher Aktivität bis 3 MET verbringen, während Aktivität im intensiven Bereich über 6 MET nur selten bis nie zu beobachten ist. Im moderaten Aktivitätsbereich verbrachten Männer im Median 1 Stunde 40 Minuten und Frauen 1 Stunde 32 Minuten am Tag. Die Teilnehmer erreichen im Median einen AEE von 2678 MET-Minuten/Woche (IQR: 1642-4005). Die Schrittanzahl am Tag betrug im Median 9670 (IQR: 7393-12208).
Die Intraklassen-Korrelation der Gesamtaktivität und dem AEE beträgt .253 (95% Konfidenzintervall: .163-.339, p<.001), was auf die schwache Reproduzierbarkeit der Ergebnisse durch die Angaben im IPAQ-SF hindeutet. Auch die Spearman-Rangkorrelation zeigt einen signifikanten, aber dennoch schwachen Zusammenhang zwischen Gesamtaktivität und AEE von .30 (p<.001; Tab. 3). Auch in einzelnen Subgruppen (Geschlecht, BMI-Einteilung nach WHO) bleibt der Zusammenhang zwischen den objektiven und subjektiven Aktivitätsmaßen schwach.
In der Bland-Altman Analyse wurde die individuelle Abweichung zwischen AEE und selbstberichteter Gesamtaktivität berechnet. Die durchschnittliche individuelle Abweichung (IPAQ-SF – SWA) beträgt 1534 MET-Minuten/Woche (95% Konfidenzintervall: 1209-858), die individuellen Angaben im IPAQ-SF liegen im Durchschnitt 100% über den objektiven Messungen. Die Abweichungen variieren nicht systematisch über Geschlecht, Alter, BMI (Abb. 1) oder jahreszeitlichen Einflüssen.
Aufgrund der niedrigen Übereinstimmung zwischen selbstberichteter und gemessener körperlicher Aktivität stellte sich die Frage, inwieweit zumindest die Einteilung in unterschiedliche Aktivitätslevel durch die Selbsteinschätzung im IPAQ-SF vorhergesagt werden kann. Um dies zu überprüfen, wurden die Teilnehmer entsprechend ihrer Schrittanzahl pro Tag in Aktivitätslevel von inaktiv bis hoch aktiv eingeordnet (19). Dabei zeigt sich, dass die Vorhersage durch die IPAQ-Kategorien nur unzureichend ist (Somersd=.124, p<0.001) (Tab. 4).


DISKUSSION

Ziel dieser Studie ist es, erstmals anhand einer deutschen Stichprobe, den IPAQ-SF als subjektives Verfahren mit dem SWA als objektives Messverfahren zur Erfassung der körperlichen Aktivität zu vergleichen.
Der Vergleich von IPAQ-SF und SWA zeigt, dass das subjektive Maß den AEE mit 100% überschätzt. Die niedrige IntraklassenKorrelation verdeutlicht, dass die Ergebnisse des SWA mithilfe des IPAQ-SF nicht reproduziert werden können (18). Zudem lässt die geringe Spearman-Rangkorrelation darauf schließen, dass sich die Teilnehmer anhand des Selbstberichts nicht zufriedenstellend in die gleiche Rangreihe bringen lassen (10). Die Ergebnisse entsprechen denen internationaler Studien zu verschiedenen Versionen des IPAQ, in denen moderate bis niedrige Zusammenhänge mit objektiven Verfahren und eine Überschätzung der körperlichen Aktivität berichtet werden (4, 5, 7, 9, 14, 19).

Tabelle 3: Klick zum Vergrößern
Tabelle 3: Aktiver Energieverbrauch (SWA). Rho: Spearman Rangkorrelation.
So berichten Lee et al. (2011) im Review niedrige Zusammenhänge zwischen dem IPAQ-SF und objektiven Verfahren (Akzelerometer, Pedometer, Aktometer) von .09 bis .39 für den Gesamtenergieverbrauch. Es wird geschlussfolgert, dass beide Methoden etwas Ähnliches erfassen. Allerdings zeigt die geringe Rangkorrelation auch, dass sich die Teilnehmer unterschiedlich stark in ihren Aktivitätsangaben verschätzen und in der Mehrheit die intensive körperliche Aktivität stark überschätzt wird.
Colbert et al. (2011) konnten beim Vergleich verschiedener Messmethoden zeigen, dass subjektive Verfahren körperliche Aktivität ungenauer schätzen als objektive Verfahren. Auch Rzewnicki et al. (2002) beschreiben bei über 40% ihrer Teilnehmer eine Überschätzung der intensiven und moderaten Aktivität. In der vorliegenden Studie geben die Teilnehmer mehr moderate und intensive körperliche Aktivität an, als objektiv gemessen. Diese Überschätzungen in Aktivitätsfragebögen könnten laut Altschuler et al. (2009) durch die Formulierungen zustande kommen, die unterschiedlich interpretiert und „fehlerhaft“ beantwortet werden. So könnte die Instruktion im IPAQ-SF die vorliegende Überschätzung erklären: Gefragt nach der Schwere der Atmung, könnten Personen, die schneller außer Atem kommen bzw. weniger fit sind, mehr körperliche Aktivität angeben und somit die tatsächliche körperliche Aktivität überschätzen. Diese Annahme könnte erklären, dass besonders bei älteren Menschen, die ein niedrigeres Fitnesslevel aufweisen (8), die subjektiven Angaben verzerrt sind (14). Absolute Intensitätswerte (MET) sollten altersabhängig auf unterschiedliche Kategorien (niedrig, moderat, hoch) verweisen. Andere interindividuelle Unterschiede (Alter, BMI, Geschlecht) konnten die Überschätzungen bislang nicht erklären.
Eine andere Frage ist, ob anhand des IPAQ-SF zumindest körperlich mehr oder weniger aktive Teilnehmer identifiziert werden können. In dieser Studie kann der IPAQ-SF die schrittbezogene Einteilung der Teilnehmer nur unzureichend vorhersagen. Selbst bei einer einfachen Einteilung in mehr oder weniger als 10.000 Schritte am Tag werden nur 53% der Teilnehmer richtig klassifiziert. Damit kann der IPAQ-SF auch die schrittbezogene Einteilung der Teilnehmer nicht präzise genug vorhersagen und muss als wenig valide bezeichnet werden. Diese Ergebnisse der deutschen Stichprobe decken sich mit denen internationaler Vergleichsstudien (10). Weiterhin muss angenommen werden, dass die Validität des IPAQ von der Intensität körperlicher Aktivität abhängig ist und insbesondere moderate Aktivität nicht valide erfasst wird (13, 10).
Es kann davon ausgegangen werden, dass SWA als objektives Maß zumindest die Schrittanzahl valide erfasst (3). Colbert et al. (2011) zeigten, dass der Unterschied zwischen der Schrittanzahl mittels SWA und einem validierten Pedometer sehr gering ist. Somit wird die Einteilung der Teilnehmer in die Aktivitätslevel anhand der Schrittzahlmessung (17) als zufriedenstellend angenommen.
Allerdings ist kritisch anzumerken, dass die SenseWear-Messung des AEE in MET-Minuten/Woche vor allem intensive Aktivitäten unterschätzt (12, 6, 3). Diese Unterschätzung könnte die hier berichtete große Diskrepanz zwischen IPAQ-SF und SWA verstärken. Eine Stärke des SWA könnte insbesondere in der Erhebung niedrig intensiver Aktivität liegen und somit für die genaue Erhebung von Alltagsaktivitäten verwendet werden.
Ein weiterer Kritikpunkt an unserer Studie ist, dass der IPAQSF die körperliche Aktivität in der Woche vor der Ausgabe des SWA erfasst. So könnte Reaktivität durch Tragen des Gerätes zu mehr körperlicher Aktivität (2) geführt haben, als im IPAQ-SF berichtet wurde. Allerdings kann von einem habituellen Bewegungsverhalten ausgegangen werden, sodass eine Verzerrung der Messung durch Reaktivität nicht anzunehmen ist.
Schließlich ist zu erwähnen, dass wir – anders als von TudorLocke et al. (2010) diskutiert – keine Unterscheidung in zensierte und nichtzensierte Schritte vorgenommen haben, da unklar ist, inwieweit dieses Vorgehen zu einer Erhöhung der Validität der Schrittmessung durch SenseWear führt.
Tabelle 4:Selbstberichtete körperliche Aktivität (IPAQ): Aktivitätsniveau. Die Einteilung in die 3 Aktivitätsniveaus erfolgte nach den publizierten Auswertungsrichtlinien des IPAQ . Somers-d=.124, p&lt;.001.
Zusammenfassend hat sich gezeigt, dass der IPAQ-SF und das SWA nur geringe Übereinstimmung zeigen. Der AEE wird durch den IPAQ-SF überschätzt. Zudem kann der IPAQ-SF Personen nur unzureichend als inaktiv und aktiv klassifizieren. Die objektive Messung mittels SWA kann dies zumindest mit der gemessenen Schrittanzahl leisten (3). Abbildung 1: Bland-Altman-Plots zur Abweichung der selbstberichteten körperlichen Aktivität (IPAQ) vom aktivem Energieverbrauch (SWA) in Abhängigkeit des aktiven Energieverbrauchs (SWA), getrennt nach a) Geschlecht, b) Alter (&lt; / =&gt; 65 Jahre), und c) BMI (&lt;25 / &gt;=25 - &lt; 30 / &gt;=30 kg/m²)Es wird deutlich, dass körperliche Aktivität ein sehr komplexes Verhalten darstellt und demnach, je nach Schwerpunkt der Fragestellung, verschiedene Methoden Anwendung finden müssen. Für eine umfassende Beschreibung körperlicher Aktivität ist ein paralleler Einsatz von objektiven und subjektiven Verfahren empfehlenswert. Zukünftige Studien sollten überprüfen, welche Aspekte die Beantwortung des IPAQ-SF beeinflussen und für welche Zielgruppen beide Messinstrumente geeigneter erscheinen.

 

 

Acknowledgement
Diese Publikation wurde gefördert durch LIFE – Leipziger Forschungszentrum für Zivilisationserkrankungen. LIFE wird finanziert aus Mitteln der Europäischen Union durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und aus Mitteln des Freistaates Sachsen im Rahmen der Landesexzellenzinitiative.

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Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Dorothee Alfermann
Universität Leipzig
Sportwissenschaftliche Fakultät
Institut für Sportpsychologie und Sportpädagogik
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