Standards der Sportmedizin
STANDARDS DER SPORTMEDIZIN
LAKTATDIAGNOSTIK

Die sportmedizinische Laktatdiagnostik:
Technische Rahmenbedingungen und Einsatzbereiche

ZUSAMMENFASSUNG

Die Messung der Blutlaktatkonzentration bei körperlicher Belastung ist weiterhin eines der typischen und wichtigsten diagnostischen Verfahren innerhalb der internistisch orientierten Sportmedizin und Belastungsphysiologie. Die hier vorliegende Übersicht aktualisiert die wesentlichen methodischen Aspekte und diagnostischen Interpretationsmöglichkeiten der Laktatmessung bei körperlicher Beanspruchung. Haupteinsatzbereich der Laktatmessung ist dabei die Ausdauerleistungsdiagnostik und die sportmedizinische Trainingssteuerung von Sportlern oder Patienten, manchmal ergänzt durch Spiroergometrie. Seltener erfolgt die sportmedizinisch-klinische Ausschlussdiagnostik metabolischer Myopathien durch Messung der Laktatkonzentration. Für eine erfolgreiche Durchführung der Methode müssen potenzielle Artefaktquellen wie z.B. fehlerhafte Abnahmebedingungen minimiert werden. Eine Kenntnis der Prinzipien kompartimentaler Verteilung von Laktat ist wiederum zur Auswahl von Belastungsprotokollen und der abschließenden Interpretation hinsichtlich der so genannten anaeroben Schwellen sinnvoll.

Schlüsselwörter:  Leistungsdiagnostik, Methodik, Belastungsdiagnostik, Anaerobe Schwelle

SUMMARY

Measurement and interpretation of increasing blood lactate concentrations during exercise is a typical and important diagnostic tool within exercise-oriented sports medicine and exercise physiology. This review article updates the main methodological aspects and diagnostic-specific interpretations of lactate measurements during standardized exercise tests. Thereby, main application of lactate measurements is the endurance performance diagnostics and sports medicine training control of athletes or patients, while sometimes accompanied by spiroergometry. Less often in sports medicine, clinical diagnosis of metabolic myopathies by measuring blood lactate concentration is applied. For a successful implementation of the method, potential artifact sources such as faulty or non-standardized blood-sampling conditions must be ruled out. The principles of compartmental distribution of lactate are relevant for the justification and selection of exercise protocols and the final interpretation in terms of “anaerobic thresholds”.

Key Words: Endurance performance diagnostics, anaerobic threshold, exercise testing

EINLEITUNG

In der sportmedizinischen Laktatdiagnostik wird der charakteristische Anstieg der Blutlaktatkonzentration unter standardisierten Protokollen körperlicher Belastung hinsichtlich der Ausdauerleistungsfähigkeit und metabolischen Beanspruchung des jeweiligen Probanden interpretiert. Die aus diesem Prinzip hervorgegangenen Verfahren sind eine zentrale Entwicklungsleistung der Sportmedizin und der Belastungsphysiologie (6, 9, 11). Prinzipiell gilt: je höher die erbrachte körperliche Leistung in Relation zum Anstieg der Blutlaktatkonzentration ist, umso höher ist die Ausdauerleistungsfähigkeit des untersuchten Probanden (9, 10, 16, 17). Als Referenzpunkt für diese Interpretation gelten die verschiedenen Ankerpunkte beziehungsweise „Anaeroben Schwellen“, mit welchen die Position der ansteigenden Laktatkonzentration („Laktatleistungskurve“) gegen die erbrachte Leistung numerisch erfasst wird (6, 17).
Auch im aktuellen Umfeld der Sportmedizin sind die Laktatmethoden weiterhin unverzichtbar und erfahren zudem eine beständige methodische Aktualisierung, auch in Verbindung zu Messdaten aus der – historisch gesehen – älteren Methode Spiroergometrie (12) und in der praktischen Leistungsprognose (6). Die wichtigsten Einsatzbereiche der sportmedizinischen Laktatdiagnostik liegen dabei in der Ausdauerleistungsdiagnostik gesunder Probanden (10) und der klinischen Differenzialdiagnostik bei Verdacht auf Myopathie (5). Aber auch in der klinischen Funktionsdiagnostik ergeben sich zunehmend Anwendungsbereiche für die sportmedizinische Laktatdiagnostik, insbesondere im Feld der Bewegungsmedizin.
Die vorliegende Übersicht stellt die wichtigsten technisch-methodischen Rahmenbedingungen und Anwendungsbereiche der sportmedizinischen Laktatdiagnostik zusammen. Auf diesem Wege soll ein „Standard der Sportmedizin“ aus dem Jahre 2001 (18) aktualisiert und mit neueren Informationen ergänzt werden. Bezüglich der methodischen Aspekte soll zur Vertiefung ausdrücklich auf einen ebenfalls verfügbaren Text von Faude und Meyer (7) verwiesen werden.

TECHNISCH-METHODISCHE ASPEKTE DER LAKTATMESSUNG IN DER SPORTMEDIZIN

Messverfahren für die Blutlaktatkonzentration
In der sportmedizinischen Praxis werden zwei Analyseverfahren zur Messung der Laktatkonzentration eingesetzt, beide mit jeweils methodentypischen Vor- und Nachteilen: die Photometrie und die Polarographie mit Biosensor-Technologie (enzymatischamperometrische oder elektrochemische Analyse). Der Vorteil der photometrischen Methoden liegt darin, dass keine geräteständige chemische Reaktion erfolgt, also auch keine Verschleißmaterialien oder Enzymeinheiten nachgekauft werden müssen. Gleichzeitig ist der Stromverbrauch gering und die Geräte sind gegenüber variablen Umgebungsbedingungen eher unempfindlich. Die photometrischen Bestimmungsverfahren werden daher vor allem in portablen Analysegeräten eingesetzt. Diese sind aufgrund der einfacheren Technik in der Erstanschaffung kostengünstiger, für die einzelnen Analysen jedoch teurer.Klick zum Vergroessern: Abbildung 1: Einflussfaktoren auf die Laktatkonzentration in Blutproben und deren Interpretation bei körperlicher Belastung, zusammengefasst nach (3,7).
Bei den photometrischen Geräten muss zusätzlich zwischen der Reflexions- und der Transmissionsmessung unterschieden werden. Geräte mit Reflexionsmessung arbeiten unter Verwendung von Teststreifen mit integrierter Chemie, die Transmissionsmessung mit flüssigkeitsgefüllten Kuvetten. Bei der Reflexionsmessung sind Fehlerwahrscheinlichkeiten durch die potenziell inhomogene Verteilung des Blutes auf dem Teststreifen, sowie die Verzögerung des Messablaufs durch die chemische Reaktion anzunehmen (21).
Halbautomatische und vollautomatische Analysen der Laktatkonzentration in Standgeräten erfolgen meist mittels der polarographischen Bestimmungsmethode, welcher eine Oxidation von Laktat zu Pyruvat und H2O2  zugrunde liegt. H2O2 wird nachfolgend an einer ionenselektiven Elektrode oxidiert, wobei die resultierende Stromstärke der ursprünglichen Laktatkonzentration entspricht. Dieses Messprinzip erfordert die regelmäßige Erneuerung des Enzyms Laktatoxidase im Gerätesensor. Darüberhinaus ist die Messmethode temperaturabhängig, was in manchen Geräten durch Beheizung der Elektrode ausgeglichen wird. Diese Elektrodenheizung und das Elektrodenprinzip sind der Grund für einen deutlich höheren Strombedarf gegenüber den photometrischen Methoden. Auch der notwendige Gebrauch von Spül- und Verdünnungslösungen, sowie die Instabilität der Laktatoxidase gegen Umgebungsbedingungen erklärt, warum der Einsatz dieser Methode in der Regel auf kontrollierbare Bedingungen beschränkt bleiben muss. Nichtsdestotrotz können auch Felduntersuchungen mit den polarographischen Methoden organisiert werden, da hämolysierte Blutproben ja eine für den Probentransport ausreichende Stabilität aufweisen und das Messgerät dann im Labor verbleiben kann.
Anforderungen für Laborgeräte zur Laktatmessung wurden in Deutschland von der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP ) im Rahmen der Zertifizierung als sportmedizinisches Diagnosezentrum benannt, was auch die regelmäßige Teilnahme an Ringversuchen voraussetzt (7).

Zeitliche Stabilität von Laktatproben
Die Laktatkonzentration in Blutproben ist zeitlich instabil, wobei nicht-hämolysierte Proben (Vollblut) aufgrund von Umverteilungsvorgängen und der weiterhin aktiven Glykolyse eine deutlichere Aufwärtsdrift zeigen als Hämolysate. Aufgrund dieser Tatsache sollten diese Proben nach der Abnahme entweder sofort gekühlt oder direkt (d.h. innerhalb von 20 Minuten nach Entnahme) analysiert werden. Hämolysierte Proben können hingegen auch ohne Kühlung für ca. 20 Stunden stabil gemessen werden. Wird eine darüber hinausgehende, noch höhere Stabilität der Laktatkonzentration gewünscht sein (z.B. bei längeren Exkursionen), können die Proben auch eingefroren oder mit antiglykolytischen Substanzen (z.B. Fluoriden) versetzt werden (2, 7).

Die kompartimentale Verteilung von Laktat
Milchsäure entsteht im Zytosol über die LDH-abhängige Reduktion von Pyruvat und equilibriert sich nach diversen aktiven Transportvorgängen, welche durch MCT 1, 2 und 4 vermittelt werden, in den wasserlöslichen Verteilungsräumen des Körpers. Dieser Vorgang bedeutet für die Praxis, dass die Messung der Konzentration von Laktat durchaus nicht im selben Kompartiment wie dessen Produktion erfolgen kann. Somit entspricht die Blutlaktatkonzentration auch keinesfalls dem zeitgleichen Ausmaß der Laktatproduktion in der Muskelzelle oder dem aktuellen Energiefluss der anaeroben Glykolyse (Abb. 1) (3).Klick zum Vergroessern: Tabelle 1: Vorschlag für Belastungsprotokolle (Mehrstufentests) zur Durchführung von Ausdauerleistungsdiagnostik
Auch zwischen dem intra- und extraerythrozytären Anteil des Blutes bestehen bei hoher Belastungsintensität Konzentrationsdifferenzen von bis zu 3 mmol/L, welche zeitabhängig ausgeglichen werden (4). Auch eine Korrektur über den individuellen Hämatokrit erlaubt keine zuverlässige Berechnung der diagnostisch relevanten Laktatkonzentration, weshalb zur Vermischung der intra- und extraerythrozytären Bestandteile und Erhöhung der methodischen Sicherheit die Hämolyse unmittelbar nach Probenentnahme empfohlen wird.

Praktische Implikationen der Laktatkinetik für die Auswahl des optimalen Belastungsprotokolls
Die Laktatdiagnostik stützt sich auf die Analyse des Anstiegs der Laktatkonzentration in Relation zur erbrachten Leistung im stufenweise gesteigerten Belastungsversuch. Um eine eindeutige Analyse dieser Relation zu erzielen, sollten alle weiteren Einflussaspekte möglichst konstant gehalten werden. Aus der Zeitabhängigkeit von Laktatproduktion, Gluconeogenese und Umverteilung (Abb. 1) ergibt sich daher die wichtige praktische Empfehlung einer konstanten Dauer für jede Belastungsstufe mit Ausnahme der Abbruchstufe zum Ausschluss des Einflussfaktors Belastungsdauer (Tab. 1).
Die am häufigsten verwendete Vorgabe für diese konstante Stufendauer beträgt 3 Minuten in verschiedenen Mehrstufentestprotokollen (9). Tests mit davon abweichender, jedoch fortlaufend konstanter Dauer (z.B. 2 oder 5 Minuten Stufendauer) sind allerdings ebenso gut untereinander vergleichbar (6, 14), nicht jedoch gegen Tests mit abweichender Stufendauer. Dies bedeutet in praktischer Hinsicht, dass ein Testprotokoll trotz eventueller methodischer Nachteile unverändert angewendet werden muss, wenn Längs- und Querschnittsvergleiche bewahrt werden sollen.
Tests mit variabler Stufendauer innerhalb des Testablaufs, wie z.B. bei Feldtests mit konstanter Streckenlänge, ergeben aus den o. g. Gründen eine schwer vorhersehbare Beeinflussung des Messergebnisses und sind daher nicht zu empfehlen.
Die genannten Umverteilungsvorgänge sind zudem dafür verantwortlich, dass die maximale Laktatkonzentration in der Regel nicht mit dem Testende unmittelbar erfasst werden kann, sondern abhängig von der Gesamtdauer und der Intensität der Belastung immer erst einige Minuten nach Belastungsende (19). Wenn eine exakte Angabe über die maximal erreichte Laktatkonzentration erforderlich sein sollte, müssen mehrere Nachbelastungswerte im Verlauf gemessen werden (z.B. in der 1., 3., 5 und 10. Nachbelastungsminute).
Eine korrekte Interpretation des Laktatanstiegs unter Belastung setzt eine ausreichende Anzahl an einzelnen Belastungsstufen und somit Laktatmesspunkten voraus (mindestens vier), andererseits sind aber immer auch Messpunkte im unteren Belastungsbereich notwendig. Da die Leistungsfähigkeit der Probanden und Probandinnen vor dem Test naturgemäß unbekannt ist, empfiehlt sich daher die Ausdehnung des Testbeginns auf die jeweils niedrigst mögliche Leistung – limitiert wird dieser Aspekt nur durch die dann zunehmende Gesamtdauer des Tests.
Somit ergeben sich aus den speziellen Anforderungen der Laktatdiagnostik Empfehlungen für Belastungsprotokolle, die von sonstigen Richtlinien für Belastungsprotokolle zum Teil deutlich abweichen. Dies gilt z.B. für die Empfehlungen bei alleiniger Durchführung als Belastungs-EKG (2 Minuten Stufendauer, hohe Startleistung) oder bei Spiroergometrie (Rampentests ohne Stufenpausen).

Praktische Implikationen der Laktatkinetik für die Entnahmetechnik der Blutproben bei Laktatdiagnostik
Laktat wird aus der beanspruchten Muskulatur über den venösen Rückstrom zum rechten Herz transportiert. Andererseits wird Laktat in andere Organkompartimente (z.B. Leber, Gehirn, Nieren) und zur nichtbeanspruchten Muskulatur umverteilt und zum Teil auch während der Belastung per Oxidation oder Gluconeogenese (z.B. im Corizyklus der Leber) wieder abgebaut. So wird die venöse Laktatkonzentration kaum durch die metabolische Beanspruchung bestimmt, sondern vielmehr durch den Umstand, welche Gewebsanteile das Venenblut vor der Entnahme durchströmt hatte.
Zur Ermittlung repräsentativer Messwerte wäre daher eine gemischt-venöse bzw. lungenarterielle Blutentnahme erforderlich, da sich hier die Laktatmenge aus dem gesamten Körper in einer repräsentativen Durchschnittskonzentration mischt (18). Direkte gemischt-venöse oder arterielle Blutabnahmen sind jedoch aus praktischen Gründen nicht ohne weiteres durchführbar. Ersatzweise erfolgt daher die Abnahme von Kapillarblut aus dem Ohrläppchen, da arterielles bzw. arterialisiertes Blut eine der gemischt-venösen Situation vergleichbare Laktatkonzentration enthält (13). Um eine möglichst hohe Angleichung der Laktatkonzentration an die gemischt-venösen bzw. arteriellen Verhältnisse zu erzielen, sollte – ähnlich wie bei kapillären Blutgasanalysen – vor der Messung eine hyperämisierende Salbe auf den Entnahmeort aufgetragen werden. An der Fingerkuppe sind hyperämisierende Maßnahmen aus praktischen Gründen nicht durchführbar. Zudem besteht dort die Möglichkeit einer höheren Beimengung von Venenblut aus der arbeitenden Muskulatur. Dieser je nach Tätigkeit variable Venenblutanteil kann zu einer deutlichen und schwer kalkulierbaren Abweichung der Laktatkonzentration in Kapillarblut aus der Fingerkuppe führen (8).

Weitere technische Nebenbedingungen der sportmedizinischen Laktatdiagnostik
Die Korrektheit der erzielten Ergebnisinterpretation im Ergometerversuch ist zudem von der regelmäßigen und erfolgreichen Eichung des verwendeten Ergometers abhängig. Potenzielle Einflussfaktoren wie Trittfrequenz (Fahrradergometer) oder Schrittlänge (Laufband) sollten möglichst standardisiert und vor allem auch im Testverlauf möglichst konstant gehalten werden.
Bei Laufbelastungen müssen zwingend auch die langsamsten Geschwindigkeitsstufen im Laufmodus absolviert werden, da sich der Wirkungsgrad zwischen Gehen und Laufen fundamental unterscheidet und ansonsten eine bedeutsame Störung des kontinuierlichen Belastungsanstiegs im Mehrstufentest die Folge wäre. Umgekehrt ist es ebenso notwendig, dass während eines Gehversuchs keinesfalls ins Laufen übergewechselt wird. Um die zusätzliche Fehlermöglichkeit durch die nichtlineare Charakteristik der mechanischen Effizienz beim Gehen gegen die steigende Geschwindigkeit auszuschließen, sollte bei Gehversuchen zudem nur die Laufbandsteigung, nicht aber die Geschwindigkeit variiert werden (s. Tabelle 1, Gehversuche).

VARIABILITÄT DER LAKTATDIAGNOSTIK

Der Variationskoeffizient bei Wiederholungsmessungen einzelner Laktatproben unterscheidet sich zwischen den diversen Analysengeräten (1, 7), liegt aber in der Regel unterhalb von 4,0%. Auch Abweichungen gegen die Erwartungswerte (Richtigkeit) finden sich innerhalb einer Spanne von 0,2 bis zu 20%, teilweise auch mit einer gewissen Heteroskedastizität (7). Dabei sind systematische Fehler der Einzelmessung für die praktische Interpretation in der Sportmedizin (Berechnung der „Anaeroben Schwelle“) prinzipiell weniger relevant als deren Reproduzierbarkeit.
In der Ergebnisinterpretation von Laktatdiagnostik (z.B. im Sinne der „Anaeroben Schwellen“) ist eine Abgrenzung zwischen biologischer und messtechnischer Variation kaum möglich, da die biologisch bedingte Variabilität in aller Regel die technisch bedingte überwiegt (6, 17).
Im Kontext der Qualitätssicherung und zur Verbesserung der Validität und Reproduzierbarkeit der Laktatdiagnostik ist eine untersucherunabhängige Generierung und Auswertung von Laktatleistungskurven mittels entsprechender Computersoftware notwendig. Besondere Anforderungen an derartige Analysesoftware besteht in einem möglichst robusten, reproduzierbaren und fehlertoleranten Interpolationsalgorithmus der einzelnen Laktatmesspunkte gegen die ansteigende Leistung, andererseits in einer übersichtlichen und eindeutigen Benutzeroberfläche und Befunddokumentation.

EINSATZBEREICHE DER LAKTATMESSUNG IN DER SPORTMEDIZINISCHEN FUNKTIONSDIAGNOSTIK

Ausdauerleistungsdiagnostik und Trainingssteuerung
Die Laktatdiagnostik gilt als wichtige und verlässliche Methode zur Ausdauerleistungsdiagnostik bei gesunden Probanden und Probanden mit leichten Einschränkungen (6, 17). Die Laktatdiagnostik hat in diesen Bereichen aufgrund praktischer und theoretischer Vorteile bereits in den 1980iger Jahren die Spiroergometrie abgelöst (10). Neben einer spezifischen Vorhersage der Ausdauerleistungsfähigkeit (6, 16) ermöglicht die Laktatdiagnostik zudem eine Erfolgsevaluation durchgeführter Ausdauertrainingsinterventionen und gibt Anhaltspunkte zur Einteilung von Trainingsintensitätsempfehlungen nach metabolischen Vorgaben (6, 12).
Der zentrale Aspekt zur Interpretation des Anstiegs der Blutlaktatkonzentration unter stufenförmig gesteigerter Beanspruchung liegt in dem Umstand, dass ausdauerleistungsfähigere Probanden und Probandinnen einen Laktatanstieg bei höherer Leistung aufweisen als weniger leistungsfähige. Diese „Verschiebung“ der aus den Einzelmessungen interpolierten Laktatkurve wird durch Referenzpunkte repräsentiert, die unter dem Begriff „Anaerobe Schwelle“ bekannt sind und über verschiedene Rechenverfahren standardisiert ermittelt werden können (6). Die „Anaerobe Schwelle“ aus der Messung der Laktatkonzentration bei Belastung, auch in Kombination mit weiteren Messgrößen ist ein hervorragender Prädiktor für die reale Leistungsfähigkeit in diversen Ausdauersportaktivitäten (6, 16, 17). In neuerer Zeit sind zusätzliche Anwendungsoptionen für spezielle Sportarten und Belastungsmodalitäten (20), aber auch multimodale Prognoseverfahren mit Verbesserung der diagnostischen Möglichkeiten entwickelt worden (15, 16).

Internistische Funktionsdiagnostik
Als wissenschaftlicher Standard zur Quantifizierung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit werden in der Regel durchaus weiterhin maximale (z.B. VO2max) und submaximale Messgrößen der Spiroergometrie verlangt (z.B. VT, RCP etc.) (11). Dies ist auch darin begründet, dass bei Vorliegen einer krankheitsbedingten Einschränkung der Perfusion und muskulären Dekonditionierung paradoxe Reaktionsmuster im Anstieg der Blutlaktatkonzentration zu beobachten sind. Eine krankheitsbedingt verringerte kardiopulmonale Leistungsfähigkeit erfordert außerdem eine deutliche Reduktion der Anstiegsdynamik des Belastungsprotokolls (s. Tab. 1), um eine Mindestzahl von vier Laktatwerten für eine interpretationsfähige Interpolation des Laktatanstiegs zu erhalten.
Nichtsdestotrotz kann die Laktatdiagnostik auch im klinischen Umfeld hilfreiche Zusatzinformationen erbringen. Dies gilt für die Feststellung von Ausdauertrainingsintensitäten im rehabilitativen Training, aber auch in der Differenzialdiagnostik internistischer Erkrankungen, hier dann jedoch meist in Kombination mit der Durchführung von Spiroergometrie (12). Hierbei muss beachtet werden, dass die Laktatdiagnostik andere Belastungsprotokolle (Mehrstufentests, s. Tabelle 1) erfordert, als die Spiroergometrie (Rampentests), so dass bei simultaner Anwendung beider Verfahren Kompromisse gefunden werden müssen.

Myopathiediagnostik
Ein wichtiger sportmedizinisch-klinischer Einsatzbereich liegt zusätzlich in der belastungsbezogenen Laktatdiagnostik zum Ausschluss mitochondrialer bzw. metabolischer Myopathien. Je nach Fragestellung kann diese Diagnostik in Form des Ischämietests (Kraftanstrengung unter Ischämie einer Extremität) oder auch einer Fahrradergometrie mit Messung von Laktat- und Ammoniakkonzentration in Form von Mehrstufentests durchgeführt werden (5). Ein hoher, belastungsinduzierter Anstieg des Quotienten Laktat/Ammoniak kann auf einen MAD-Mangel hindeuten, eine reguläre maximale Leistung ohne starken oder verfrühten Laktatanstieg schließt eine relevante mitochrondriale Störung aus. Auch im Falle der Durchführung von Ergometrien in der Myopathiediagnostik ist der simultane Einsatz von Spiroergometrie sinnvoll.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Die Laktatdiagnostik hat neben der Spiroergometrie einen hohen Stellenwert in der klinischen und sportbezogenen Leistungsdiagnostik mit spezifischen Einsatzoptionen, die vor allem in der Ausdauerleistungsdiagnostik bisher durch kein anderes Verfahren übertroffen werden. Vor diesem Hintergrund kann eine Berücksichtigung der hier gezeigten methodischen Besonderheiten und theoretischen Hintergründe die Aussagefähigkeit sportmedizinischer Laktatdiagnostik noch zusätzlich steigern. Die simultane Anwendung der Spiroergometrie ist in der klinisch-medizinischen Funktionsdiagnostik in der Regel sinnvoll. In der sportbezogenen Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung dürfte die alleinige Durchführung der Laktatdiagnostik überlegen sein, da bei Gesunden und insbesondere bei Sportlern Referenzpunkte wie die „Anaerobe Schwelle“mit Laktat zuverlässiger und auch in direkter Relation zur Leistungbestimmt werden können.

Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Vertrieb und Inhaber der Leistungsdiagnostiksoftware Ergonizer (www.ergonizer.de)

LITERATUR

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Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Kai Röcker
Hochschule Furtwangen
Fachbereich AGW
Robert-Gerwig-Platz 1
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