Standards der Sportmedizin
STANDARDS DER SPORTMEDIZIN
ELLENBOGENUNTERSUCHUNG

Die Klinische Untersuchung des Ellenbogens

ZUSAMMENFASSUNG

Die klinische Untersuchung des Ellenbogens bestimmt die weiterführende bildgebende, ggf. auch neurologische Diagnostik, die in Kombination zur korrekten Diagnose und Therapie der Erkrankung führen. Gerade bei Wurf- und Schlagsportlern ist der Ellenbogen hohen und auch unphysiologischen Belastungen ausgesetzt, die zu Überlastungsverletzungen führen. Die exakte Diagnose erfordert insbesondere beim Sportler eine exakte Anamnese, eine Analyse des Bewegungsablaufes sowie eine strukturierte und systematische klinische Untersuchung des Ellenbogens, die schon klinisch die Abgrenzungen der verschiedenen Erkrankungen ermöglichen. Dieser Artikel stellt die systematische und strukturelle klinischen Untersuchung des Ellenbogens dar.

Schlüsselwörter: Ellenbogen, Untersuchung, Stabilität, Tennisellenbogen, Golferellenbogen

SUMMARY

Successful treatment of elbow diseases and injuries is determined by the combination of the result of physical examination of the elbow and diagnostic imaging. Especially in throwing and racket sports athletes the elbow is exposed to high and non-physiological loading, leading to overuse injuries. The exact diagnosis requires, especially in athletes, an exact medical history, an analysis of the motion sequence and a structured and systematic clinical examination of the elbow, allowing a differentiation of the diseases of the elbow. This article presents the systematic and structured physical examination of the elbow.

Key Words: Elbow, physical examination, stability, tennis elbow, golfer elbow

EINLEITUNG

Der Ellenbogen ist funktionell ein sehr wichtiges Gelenk der oberen Extremität, da er der Hand erst das Erreichen aller Körperpartien ermöglicht. Der Ellenbogen ist bei Wurf und bei Schlagsportarten besonderen Belastungen, insbesondere in der Aushol- und Beschleunigungsphase, ausgesetzt und häufig von Verletzungen betroffen. Hier muss eine genaue Anamnese des Verletzungsmechanismus und eine Analyse der Bewegungsablaufes erfolgen, um zu einer korrekten Diagnose zu gelangen.
Repetitive Mikrotraumata können zu Bandläsionen, Instabilitäten, Sehnendegenerationen, degenerativen Veränderungen der knöchernen Strukturen und Nervenengpassyndromen im Bereich des Ellenbogens und des Unterarms führen. Pathologien des Ellenbogens äußern sich überwiegend durch Schmerzen, die in den Oberarm und auch in den Unterarm ausstrahlen können. Daher muss orientierend die HWS, die Schulter und das Handgelenk mit untersucht werden. Zu den Sportverletzungen und Überlastungssyndromen des Ellenbogens zählen:

- mediale und laterale Kollateralbandverletzungen
- laterales Kompressions-Syndrom
- postero-mediales Impingement
- Epicondylitis humeri lateralis
- Epicondylitis humeri medialis
- N. radialis Kompressionssyndrom (N. interosseus dorsalis, Supinatorlogensyndrom)
- N. ulnaris Kompressionssyndrom
- N. medianus Kompressionssionsyndrom (Pronator Teres Syndrom)
- Frakturen
- Epiphysiolysen bzw. Epiphysenfrakturen
- Ellenbogenluxation
- posterolaterale Rotationsinstabilität
- distale Bizepssehnenruptur
- Trizepssehnenruptur
- Osteochondrosis dissecans des Capitulum humeri
- Osteochondrosis des Olecranon

DIAGNOSTIK

Die klinische Untersuchung des Ellenbogens beginnt mit der Inspektion der komplett entkleideten oberen Extremität. Man achtet hierbei auf Veränderungen der Hautbeschaffenheit, der Hautfarbe (z.B. Hämatombildungen), Narben, Schwellungen, Muskelatrophien, -hypertrophien sowie Achsfehlstellungen (Frakturen, Luxationen, Subluxationen), die bei gestrecktem Ellenbogen und supinierter Hand beurteilt werden. Männer weisen eine physiologische Ellenbogenachse von durchschnittlich 10° valgus und Frauen von durchschnittlich 13° valgus (10- 15°) auf. Hinweis auf einen intraartikulären Erguss ist die Verstreichung des Soft spots (Recessus infracondylaris unmittelbar inferior des Condylus laterlis humeri). Eine posteriore Prominenz in diesem Bereich kann durch eine dorsale Sub-, Luxation des Radiusköpchens verursacht sein. Über dem medialen dorsalen Ellenbogen kann bei Flexion und Extension bei schlanken Patienten eine Dislokation des N. ulnaris aus dem Sulcus nervi ulnaris beobachtet werden. Eine komplette Ruptur der distalen Bicepssehne fällt inspektorisch schon durch den proximalisierten Muskelbauch auf.
Palpatorisch werden die Hauttemperatur, die Sensibilität, knöcherne Landmarken, Muskelansätze, die Bursa olecrani, der dorsomediale und dorso-laterale Gelenkspalt, der Verlauf des Nervus ulnaris im Sulcus nervi ulnaris untersucht. Als knöcherne Landmarken palpiert man den Epicondylus humeri medialis, den Epicondylus humeri laterlis, die Olecranonspitze und das Radiusköpfchen. Bei Palpation des postero-medialen Olecranons können Osteophyten erfasst werden und Druckschmerzen auf eine Pathologie des Humeroulnargelenkes hinweisen. Bei forcierter Extension lassen sich hier ebenfalls Schmerzen beim Vorliegen einer Humeroulnargelenkspathologie im Bereich des postero-medialen Olecranons auslösen. Im Bereich der Olecranonspitze lassen sich knöcherne Sporne und Prominenzen ertasten. Zusätzlich palpiert man hier auch die Bursa olecrani und die Trizepsaponeurose mit, die beide schmerzhaft und/oder verdickt sein können. Bei kompletter Trizepssehnenruptur kann hier eine „Delle“ palpiert werden. Im Falle einer Busitis olecrani, können sowohl die verdickten Bursablätter als auch eine Fluktuation in der Bursa palpiert werden. Bei schlanken Patienten ist bei gebeugtem Ellenbogen eine Palpation der Fossa olecrani möglich. Hier kann ein intraartikulärer Erguss ertastet werden. Eine intraartikuläre Ergussbildung ist auch über dem lateralen Rand des Radiusköpfchens oder auch im Bereich des posterioren Recessus zwischen Radiusköpfchen und lateralem Rand des Olecranons palpabel.
Ein Schnappen in diesem Bereich bei Flexion und Extension kann auf eine radio-humerale Plica hinweisen.
Die Beweglichkeit des Radiusköpfchens kann palpatorisch bei gebeugtem Ellenbogen dynamisch bei Pro- und Supination untersucht werden. Ein Druckschmerz bei digitalem Druck auf die periphere Gelenkfläche des Radiusköpfchens stellt insbesondere bei negativem radiologischem Befund einen möglichen Hinweis auf eine Radisuköpfchenfraktur dar. Leicht anterior und inferior des Epicondylus humeri medialis hat das Lig. collaterlae mediale seinen Urspung und kann hier im Falle einer pathologischen Veränderung druckschmerzhaft sein. Im Bereich des Epicondylus humeri medialis können die Sehnenansätze der Hand und Fingerflexoren (M. pronator teres, M. flexor carpi radialis, M. flexor digitorum superifcialis, M. palmaris longus, M. flexor carpi ulnaris) palpiert werden. Dorsal des Epicondylus humeri medialis wird der N. ulnaris im Sulcus nervi ulnaris untersucht. Bei Flexion und Extension im Ellenbogen kann eine Subluxation des Nerven aus seiner knöchernen Rinne palpiert werden.Im Bereich des Epicondylus humeri lateralis können Pathologien des M. extensor carpi radialis brevis ertastet werden. Im Bereich der Frohse’schen Arkade, etwa 2 cm anterior und 3 cm distal des Epicondylus humeri lateralis kann der N. interosseus posterior digital komprimiert werden.
In der Fossa cubiti wird die Bizepssehne bei Supination gegen Widerstand auf Druckdolenz und ihre Kontinuität im Verlauf untersucht. Der Puls der A. brachialis ist tief beim Lacertus fibrosis alpierbar.
Die Untersuchung des Bewegungsausmaßes des Ellenbogens erfolgt aktiv und passiv im Seitenvergleich mittels Neutral-Null-Methode unter Einbeziehung einer möglichen Achsdeviation des Unterarmes bei Bewegung.
Bei der Untersuchung des passiven Bewegungsausmaßes wird die Qualität des Bewegungsendpunktes (weich elastisch, fest elastisch, harter Anschlag), das mögliche Auftreten von Krepitationen und Schmerzen mitbeurteilt.
Bei der Untersuchung der Flexion und Extension befindet sich der Unterarm in Supinationsstellung. Das Ausmaß der Flexion wird von der Ausprägung des M. biceps brachii und der Unterarmmuskulatur beeinflusst im Sinne der Weichteilhemmung. In der Regel ist der Ellenbogen sowohl bei Frauen als auch bei Männern um 10° überstreckbar, so dass eine normale Flexion/Extension von 140°/0°/10° resultiert. Ein Verlust der Extension ist oftmals der erste Hinweis für das Vorliegen einer Ellenbogenpathologie. Die Pro- und Supination wird bei 90° gebeugtem Ellenbogen untersucht und ist eine Kombination aus Bewegung im Ellenbogen und Handgelenk. Eine anatomische Pro- und Supination erfordert eine physiologische Funktion des Ellenbogens und des Handgelenkes und weist jedoch individuell eine hohe Variabilität auf. Als Normwerte für die Pro-/Supination werden in der Literatur mit 75-90°/0°/85-90° angegeben (2, 7, 16). Für 90% der alltäglichen Verrichtungen ist eine Extension/Flexion 0°/30°/130° und eine Pro-/Supination von 50°/0°/50° notwendig (7). Das funktionelle Bewegungsausmaß sollte 100° umfassen.
Die Überprüfung der isometrischen Muskelkraft schließt sich an die Untersuchung des Bewegungsausmaßes an. Einer Kraftminderung können strukturelle Läsionen (z.B. Sehnenrupturen) als auch neurogene Schädigungen zugrunde liegen oder reflektorisch schmerzbedingt ausgelöst sein. Die Überprüfung der isometrischen Kraftentfaltung wird bei 90 ° gebeugtem Ellenbogen und Neutralrotation im Unterarm durchgeführt. Hierbei wird der Patient gebeten, den Unterarm gegen den Widerstand des Untersuchers im Ellenbogen zu beugen, zu strecken und eine Pro- und Supination auszuführen. Zudem erfolgt die Überprüfung der Kraft des Händedrucks. Die Muskelkraft wird in 6 Grade nach den Empfehlungen des Medical Research Council (4) unterteilt:

- Kraftgrad 0: keine Muskelkontraktion sichtbar und tasbar
- Kraftgrad 1: sichtbare und/oder tastbare Muskelkontraktion ohne Bewegungseffekt
- Kraftgrad 2: Bewegung ohne Schwerkraft möglich
- Kraftgrad 3: Bewegung gegen die Schwerkraft möglich
- Kraftgrad 4: Bewegung gegen Schwerkraft und Widerstand möglich
- Kraftgrad 5: normale Kraft.

abbildung 1: Milking Manöver: Der Untersucher umfassten den Daumen des etwa 90° gebeugten Ellenbogen und maximal supinierten Unterarm, fixiert mit der anderen Hand den Oberarm und übt einen Valgusstress auf den Ellenbogen des Patienten aus, in dem er am Daumen des Patienten zieht.

Im weiteren Untersuchungsgang schließt sich die Überprüfung der Stabilität des Ellenbogens an. Die Stabilität des Ellenbogens wird vorwiegend durch die knöchernen Strukturen und deren Anatomie gewährleistet. Läsionen des lateralen Kollateralbandkomplexes sind überwiegend mit Radiusköpfchenfrakturen und Luxationen assoziiert (5).
abbildung 2: Pivot-Shift Manöver: Der Patient liegt auf dem Rücken mit antevertierter Schulter und gestrecktem Ellenbogen. Der Untersucher beugt nun den Ellenogen zunehmend unter maximaler Supination und gleichzeitigem Valgusstress bei axialer Kompression im Ellenbogen
Die Rate der rezidivierenden Instabilität liegt nach einer solchen Verletzung bei nur 1-2%. Häufiger findet sich hingegen die Rotationsinstabilität bedingt durch eine Insuffizienz/Läsion des Lig. collaterale ulnare laterale (8). Bei intaktem Gelenkknorpel ist die Überprüfung der Integrität/Bandstabilität des medialen Kollateralbandkomplexes und des lateralen Kollateralbandkomplexes (insbesondere des Lig. collaterale ulnare laterale) mit Hilfe des Valgus- und Varusstress-Tests unzuverlässig (11). Bei bereits vorliegenden degenerativen Veränderung im Sinne einer Arthrose, bei rheumatoider Arthritis oder auch nach Radiusköpchenresektion lässt sich die Stabilität der Seitenbänder mittels Varus- und Valgusstress Test in 15° Flexion überprüfen, da es hierbei zu einer Relaxation der anterioren Kapsel und Entfernung des Olecranons aus der Fossa kommt.
abbildung 3: Stand-up-Test als Zeichen einer Apprehension: der Patient stemmt sich bei Außenrotatation und Supination von der Flexion in die Extension von der Bankkante ab.
Abbildung 4: Conzen-Test: Der Patient bewegt bei 90° gebeugtem Ellenbogen, der durch den Untersucher unterstützt wird, die Faust gegen den Widerstand des Untersuchers in die Dorsalextension im Handgelenk.
Der Varusstress-Test wird bei maximal nach innen rotiertem Arm und 15 ° Flexion im Ellenbgogen ausgeführt. Der Untersucher fixiert hierbei den Oberarm des Patienten medial und übt durch Druck des Unterarms nach medial den Varusstress im Ellenbogen aus. Der Valgusstress-Test wird ebenfalls bei 15° Ellenbogenflexion, aber supiniertem Unterarm durchgeführt. Hierbei fixiert der Untersucher den Oberam lateral und übt durch Zug des Unterarms nach lateral einen Valgusstress auf den Ellenbogen und den medialen Kollateralbandkomplex aus (11). Bei intakten Gelenkflächen lässt sich der mediale Bandklomplex mit Hilfe des Milking Manövers (15) (Abb. 1) überprüfen. Hierzu beugt der Patient seinen betroffenen Ellenbogen um 90° und supiniert maximal. Mit der anderen Hand greift er unter dem betroffenen Ellenbogen her, umfasst den Daumen der betroffenen Hand und übt über einen Zug am Daumen eine Valgusstress auf den betroffenen Ellenbogen aus (Abb. 1).
Die posterolaterale Stabilität (Rotationsstabilität) des Ellenbogens wird vorwiegend durch das Lig. collaterale ulnare laterale gewährleistet (8, 9, 13). Die Bandstabilität wird mit Hilfe des Pivot-Shift-Test (8) (analog Pivot-Shift am Kniegelenk) und dem Apprehension Zeichen überprüft. Das Pivot-Shift Manöver (Abb. 2) wird bei etwa 90° in der Schulter antevertiertem und im Ellenbogen gestrecktem Arm beim liegenden Patienten ausgeführt. Der Untersucher umfasst das Handgelenk und den ellenbogengelenknahen proximalen Unterarm des Patienten analog des Pivot-Shift-Testes am Kniegelenk. Unter Supination, Valgusstress und axialer Kompression im Ellenbogen führt der Untersucher nun langsam eine Ellenbogenbeugung durch. Liegt eine posterolaterale Instabilität vor, so kommt es bei 30- 40° Flexion zu einer posterolateralen Subluxation des Humeroradialgelenkes und es zeigt sich eine posteriore Prominenz (disloziertes Radiusköpfen) mit einer Einziehung der Haut proximal des Radiusköpfens (lateraler Pivot Shift Test; posterior-lateraler Apprehension-Test). Wird der Ellenbogen nun weiter gebeugt, so resultiert eine Reposition der Subluxation. Alternativ kann der Patient gebeten werden, sich z.B. von einem Stuhl oder einer Bankkante bei Außenrotation und Supination aus der Flexion in die Extension hoch zu stemmen (sog. Stand-up-Test) oder eine Liegestütz durchzuführen (11) (Abb. 3). Vermeidet der Patient das Stemmen mit dem Arm mit/oder ohne Schmerzen so wird dies als Apprehension bezeichnet.

SPEZIELLE TESTS IN DER ORTHOPÄDIE

Die Darstellung der speziellen Tests orientiert sich an der Erkrankung.

Epicondylitis humeri lateralis
Die Epicondylitis humeri lateralis (sog. Tennisellenbogen) ist eine der häufigsten Überlastungserkrankungen der oberen Extremität. Die Patienten klagen über in die Hand- und Finger-Extensoren ausstrahlende Schmerzen am lateralen proximalen Unterarm vom Epicondylus humeri lateralis ausgehend. Die Sehnenansätze am Epicondylus und gelegentlich auch die Sehnen in ihrem Verlauf sind druckschmerzhaft. Bei gestrecktem Ellenbogen führt die Extension im Handgelenk der geschlossenen Faust des Patienten gegen den Widerstand des Untersuchers zu Schmerzen über dem lateralen Epicondylus und über den Handextensoren (Thomson Test) (10). Beim Conzen-Test (2) (Abb. 4) extendiert der Patienten die geschlossene Faust im Handgelenk gegen den Widerstand des Untersuchers bei durch den Untersucher fixierten gebeugten Ellenbogen. Hierbei wird ebenfalls ein Schmerz am Epicondylus und ggf. den Handextensoren am proximalen Unterarm bei Vorliegen einer Epicondylitis humeri radialis ausgelöst.
Eine Beteiligung der Fingerextensoren wird mit Hilfe des Mittelfinger-Test nach Roles und Maudsley (12) untersucht. Hierbei extendiert der Patienten den gestrecketen Mittelfinger im Grundgelenk gegen den Widerstand des Untersuchers am Endglied. Treten hierbei Schmerzen am lateralen Epicondylus, die in die Fingerextensoren ziehen können auf, so wird der Test positiv gewertet. Auch das Anheben eines Stuhls an seiner Lehne mit gestrecktem und poniertem Unterarm kann Schmerzen im Bereich des Epicondylus humeri lateralis auslösen (Chair-Test) (Abb. 5) (2).
abbildung 5: Chair-Test: Anheben eines Stuhles mit im Ellenbogen gestreckten, proniertem Unterarm

Epicondylitis humeri medialis
Die Epicondylitis humeri medialis (sog. Golferellenbogen) findet sich wesentlich seltener als die Epicondylitis humeri lateralis und lässt sich mit Hilfe des Golferellenbogen-Zeichens, des umgekehrten Conzen-Tests und des Unterarmstrecktests verifizieren. Die vom Epicondylus humeri medialis in die Finger- und Handflexoren am proximalen Unterarm ausstrahlenden Schmerzen treten bei Flexion im Handgelenk und Pronation gegen Widerstand auf.
abbildung 6: Golferellenbogenzeichen: Der Untersucher umfasst die um 90° palmarflektierte Hand des Patienten bei 90° gebeugtem Ellenbogen. Der Patient versucht nun gegen den Widerstand des Untersuchers am Oberarm, den Ellenbogen zu strecken 
Für die Untersuchung des Golferellenbogen-Zeichens (10) (Abb. 6) umfasst und fixiert der Untersucher die palmarflektierte Hand bei 90° gebeugtem Ellenbogen des Patienten und übt mit der anderen Hand einen Widerstand am Oberarm des Patienten aus. Der Patienten wird nun aufgefordert, den Arm gegen den Widerstand des Untersuchers am Oberarm zu strecken. Treten hierbei Schmerzen am medialen Epicondylus auf, die ggf. in die Hand- und Fingerflexoren ausstrahlen, so wird der Test positiv gewertet.
abbildung 7: Umgekehrter Conzen-Test: Der Patient bewegt bei 90° gebeugtem Ellenbogen, der durch den Untersucher unterstützt wird, die Faust gegen den Widerstand des Untersuchers in die Palmarflexion im Handgelenk.
Der umgekehrte Conzen-Test (Abb. 7) wird bei gleicher Ausgangsposition des Patienten und des Untersuchers wie der oben beschriebene Conzen-Test durchgeführt. Der Patient wird nun gebeten, die geschlossene Faust gegen den Widerstand des Untersuchers im Handgelenk zu flektieren. Hierdurch werden die Schmerzen an typischer Stelle provoziert. Auch bei Streckung des gebeugten Ellenbogens gegen den Widerstand des Untersuchers am distalen Unterarm kann bei Epicondylitis humeri medialis ein entsprechender Schmerz ausgelöst werden (Unterarmstrecktest).

NervenkompressionssyndromeDifferentialdiagnostisch müssen ein N. ulnaris Kompressionssyndrom sowie ein Pronator Teres Syndrom von der Epicondylitis humeri medialis und eine Kompression des N. interosseus posterior (Supinatorlogensyndrom) von der Epicondylitis humeri radialis abgegrenzt werden. Da der N. interosseus posterior ein motorischer Endast des Ramus profundus des N. radialis ist, treten keine sensiblen Ausfälle bei dessen Kompression auf. Klinisch weist seine Kompression die Zeichen einer Epicondylitis humeri radialis auf. Lediglich die Schmerzverstärkung bei digitaler Kompression des Nerven an seiner Durchtrittsstelle im Bereich der Frohse’schen Arkade (s.o.) und ein positiver Supinatorkompressionstest weisen auf ein Kompressionssyndrom des N. interosseus posterior hin. Eine Schwäche der Fingerextensoren bei Streckung im Grund-, Mittel- und Endgelenk weist ebenfalls auf eine Schädigung des R. profundus des N. radialis hin. Für die Untersuchung des Supinatorkompressionstests (6) übt der Untersucher bei 90° gebeugtem Ellenbogen über der Frohse`schen Arkade im Bereich der Rinne radial des M. extensor carpi radialis longus distal des Epicondylus lateralis einen Druck aus und fordert den Patienten auf eine Pro- und Supination gegen den am Unterarm gesetzten Widerstand des Untersuchers auszuführen. Tritt bei diesem Manöver eine Schmerzverstärkung auf, so wird der Test positiv gewertet.
Beim Pronator Teres Syndrom klagen die Patienten über Schmerzen im Bereich der Hand- und Fingerflexoren, Sensibilitätsstörungen der radialen Seite von D1 bis D4 sowie gelegentlich über eine Schwäche der Beugung im Daumen- und Zeigefingergrundgelenk. Die digitale Kompression des N. medianus an seiner Durchtrittsstelle am M. pronator teres über die Dauer von etwa 1 Minute (positiver Spinner-Test) (14), sowie auch die Unterarmpronation und Ellenbogenflexion gegen Widerstand provozieren die Beschwerden.
Beim Sulcus nervi ulnaris Syndrom klagen die Patienten zunächst über Kribbelparästhesien und Sensibilitätsstörungen des 4. und 5. Fingers. Im weiteren Verlauf kommen dann in den Unterarm ausstrahlende Schmerzen im Bereich der Finger- und Handflexoren sowie eine Griffschwäche hinzu.
Klinisch bieten der Tinel-Test und der Ellenbogenbeugetest (3) einen Hinweis auf ein Nervus ulnaris Kompressionssyndrom. Beim Tinel-Test (1) beklopft der Untersucher vorsichtig den N. ulnaris im Sulcus nervi ulnaris des Patienten bei gebeugtem Ellenbogen mit dem Reflexhammer. Hierbei ist darauf zu achten, dass das Beklopfen mit dem Reflexhammer nicht zu fest ausgeführt wird, da es sonst auch bei fehlender Pathologie zu einer Schmerzsensation in D4 und D5 sowie im Kleinfingerballen kommt. Alternativ kann der Untersucher den Nerven mit den Fingerbeeren beklopfen statt mit dem Reflexhammer. Somit kann ein falsch positives Ausfallen des Zeichens sowie eine mögliche Schädigung des Nerven durch zu kräftiges Beklopfen vermieden werden.
Abbildung 8: Ellenbogenbeugetest: Der Patient hält den Arm in maximaler Beugung im Ellenbogen und im Handgelenk über die Dauer von 5 Minuten. Hierbei wird eine Dehnung des N. ulnaris erzielt, die bei vorliegender Nervenkompression zu Parästhesien oder auch Schmerzen in D4, D5 und ggf. im Kleinfingerballen führt.
Für den Ellenbogenbeugetest (Abb. 8) wird der Patient gebeten, den Ellenbogen und auch die Hand im Handgelenk maximal zu flektieren (Dehnung des N. ulnaris) und etwa 5 Minuten in dieser Position zu verharren. Besteht eine Kompression des Nervs so werden das Auftreten der Parästhesien und ggf. auch Schmerzen in D4 und D5 sowie Kleinfingerballen durch die zusätzliche Dehnung des Nerven provoziert.
Ergibt die klinische Untersuchung einen Hinweis auf ein Nervenkompressionssyndrom, so muss dies neurologisch mittels Nervenleitgeschwindigkeitsmessung und EMG weiter abgeklärt werden.

FAZIT

Die klinische Untersuchung des Ellenbogens erfordert eine systematische und strukturierte Vorgehensweise, um die verschiedenen Pathologien sicher gegeneinander abgrenzen zu können, eine korrekte zielführende Bildgebung durchzuführen und somit zu einer sicheren Diagnose und optimalen Therapie der vorliegenden Erkrankung zu gelangen.

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LITERATUR

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Korrespondenzadresse:
Dr. Petra Magosch
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie,
Sportmedizin, Medizinische Informatik
Schulter und Ellenbogenchirurgie
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