Atemsystem - limitierender Faktor beim Sport?
ÜBERSICHT
EPIGENETIK UND SPORT

Epigenetik und Sport

Epigenetics and Sport

Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, Abteilung Molekulare und Zelluläre Sportmedizin, Deutsche Sporthochschule Köln

ZUSAMMENFASSUNG

Der genetische Code erklärt nur unzureichend Unterschiede der körperlichen Leistungsfähigkeit und des Gesundheitszustandes sowie die Auswirkung von Sport in diesem Zusammenhang. Ein Schlüssel für das Verständnis dieser Diskrepanz zwischen Genotyp und Phänotyp des Menschen ist die Epigenetik. Durch Veränderungen an der DNA und der diese bindenden Histone können Gene für unterschiedlich lange Zeit aktiv oder stumm geschaltet werden, unter Umständen sogar über Generationen. Die epigenetische Regulation der DNA und der Histone geschieht vor allem über Methylierungen und Azetylierungen. Lebenseinflüsse können diese epigenetischen Regulationen hervorrufen und haben so einen empfindlichen Einfluss auf die Genaktivität. Bisher ist das Wissen um konkrete epigenetische kurz- und langfristige Regulationen durch Sport bzw. körperliche Aktivität noch sehr limitiert. Es existieren jedoch einige Beispiele, die zeigen, dass epigenetische Regulationen durch Veränderungen des Azetylierungsstatus durch körperliches Training im Muskel und Gehirn hervorgerufen werden, was mit Veränderungen der Leistungsfähigkeit dieser Gewebe einher gehen kann. Inwieweit DNA-Methylierung, die über sehr lange Zeit zur Veränderung der Genaktivität führen kann, verändert wird, deutet sich erst an. Es konnte jedoch bereits gezeigt werden, dass körperliche Aktivität Methylierungsveränderungen an Genen macht, die für die Tumorunterdrückung oder chronische Entzündungslage regulierend sind. Das Gen für den Nervenwachstumsfaktor BDNF kann ebenfalls durch körperliche Aktivität durch Demethylierung der DNA aktiviert werden. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass eine Vielzahl von epigenetischen Regulationen durch körperliche Aktivität aufgezeigt werden und darüber insbesondere langfristige Effekte körperlicher Aktivität besser verstanden werden. Dies könnte für die Steuerung von körperlicher Aktivität in Zukunft eine Rolle spielen.

Schlüsselwörter: DNA-Methylierung, Histonazetylierung, Histonmethylierung, Genaktivität, Epigenom.

SUMMARY

Differences in physical performance and health status as well as the impact of physical activity on these parameters can only partly be explained by the genetic code. Epigenetics play a key role in the understanding of the discrepancy between the human geno- and phenotype. Reversible alterations in the DNA and in histone proteins can activate or silence genes for different time periods, resulting in short term or even generation-overlapping changes. These epigenetic regulations of the DNA and the histones are basically driven by methylation and acetylation. Lifestyle can have a severe influence on these epigenetic modifications and therewith regulate gene activity. Knowledge about concrete epigenetic short- and long term modifications which are influenced by physical activity is still sparse. However, studies show that physical exercise has an impact on the acetylation status of histones, resulting in altered gene activity in muscle and brain tissue. Long-term exercise-induced changes regarding methylation patterns of the DNA can only be assumed. First studies have shown that physical activity may change the DNA methylation of genes which are involved in tumor suppression and chronic inflammation. Further, an exercise-induced demethylation of the BDNF gene, which encodes for a nerval growth factor, could be observed. In the future, several epigenetic modulations which are induced by physical activity can be expected. Therewith some long-term effects of physical activity might be better understood. These findings may help define and control exercise programs more precisely and efficiently in the future.

Key Words: DNA methylation, histon acetylation, histon methylation, gen activity, epigenome.

EINLEITUNG

Unterschiede in der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Gesundheit werden unter anderem mit genetischen Vorrausetzungen in Verbindung gebracht. So wird schon seit Jahrzehnten nach genetischen Voraussetzungen gesucht, die besondere körperliche Leistungsfähigkeiten erklären bzw. warum der Gesundheitszustand trotz anscheinend vergleichbarer Lebensbedingungen und Gewohnheiten große interindividuelle Varianzen aufweist. Darüber hinaus zeigen sich große individuelle Schwankungen der Anpassung auf ein bestimmtes körperliches Training. Dies gilt sowohl für den Wettkampfsport, als auch für den präventiven und rehabilitativen Gesundheitssport.
Veränderungen im genetischen Code, die als Genpolymorphismen bezeichnet werden und durch den Austausch von einzelnen oder kleinen Gruppen von Basen in der DNS gekennzeichnet sind, beeinflussen die Funktion und Regulierbarkeit von Genen und Genprodukten. So können Genpolymorphismen zu unterschiedlichen genetischen Regulationen führen, die körperliche Funktionen beeinflussen und eine Rolle bei der Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen spielen. Dies kann sich um die Anfälligkeit für Tumorerkrankungen, kardiovaskuläre Erkrankungen, metabolische Erkrankungen aber auch für neurodegenerative Erkrankungen handeln (5, 11, 22).
Nicht alle profitieren in vergleichbarer Weise z.B. von körperlichem Training hinsichtlich der Prävention und der Therapie Erkrankungen die den Lebenstil beeinflussen. Dafür werden bisher vor allem Genpolymorphismen verantwortlich gemacht, die jedoch tatsächlich nur etwa 5% der Variabilität erklären (17). Dies kann zum Teil daran liegen, dass das Wechselspiel zwischen Genpolymorphismen und bestimmten körperlichen Belastungen bisher nicht ausreichend verstanden ist und darüber hinaus nur ein Teil der sich gegenseitig beeinflussenden Genpolymorphismen bekannt ist (17).
In der jüngeren Vergangenheit ergeben sich jedoch zunehmend Hinweise, dass die Verfügbarkeit des genetischen Codes im Laufe des Lebens verändert werden kann. So erklären sich Unterschiede in der phänotypischen Entwicklung von eineiige Zwillingen, die im Laufe des Lebens in der Regel größer werden und zu einer differenten Krankheitsanfälligkeit führen können (25). Beispielsweise besteht nur eine relativ niedrige Übereinstimmung bei der Ausprägung von kardiovaskulären Erkrankungen bei eineiigen Zwillingen (23). Die Verfügbarkeit der Gene wird dabei über Modifikationen an den Chromosomen erreicht, die auf Tochterzellen übertragen werden können und diese epigenetisch prägen (8). In vielen Bereichen der Biologie und Medizin wird zunehmend nach diesen epigenetischen Veränderungen als Ursache für phänotypische Veränderungen und Ausprägungen während des Lebens gesucht. Neben der körperlichen Aktivität existieren einige weitere Einflussfaktoren, die epigenetische Regulationsmechanismen modulieren. Eine zentrale Rolle scheint dabei die Ernährung zu spielen. Diese kann sowohl kurz-, bzw. mittelfristig in die epigenetische Regulation eingreifen, als auch langfristige eher prägende Veränderungen des Epigenoms bewirken (3). Es gibt jedoch eine zunehmende Zahl von Hinweisen, dass epigenetische Prägungen, also langfristige Veränderungen des Epigenoms über Generationen vererbt werden können, obwohl während der frühen embryonalen Entwicklung Mechanismen zur Löschung der epigenetischen Veränderungen wirken (7, 24). Diese Vermutung führt einerseits zu der Frage nach dem Einfluss der epigenetischen Prägung und Regulation auf die körperliche Leistungsfähigkeit und die Beeinflussung der Anpassung auf körperliche Aktivität. Andererseits stellt sich die Frage nach dem Einfluss von körperlicher Aktivität auf epigenetische Prägungs- und Regulationsmechanismen. Die Epigenetik bietet einen neuen Ansatz, die insgesamt sehr unbefriedigende Korrelation zwischen genetischen Voraussetzungen, vor allem Polymorphismen und Leistungsfähigkeit sowie Trainingsanpassungen zu erklären. Darüber hinaus kann sie helfen, Erklärungen für Änderungen von Leistungsfähigkeit und Trainingsanpassung im Laufe des Lebens zu finden.

EPIGENETISCHE REGULATIONSMECHANISMEN

Die epigenetische Regulation geschieht über verschiedene Mechanismen, die sich hinsichtlich ihrer zeitlichen Stabilität unterscheiden und dadurch mehr oder weniger zeitlich begrenzte Änderungen der Verfügbarkeit von einzelnen Genen hervorrufen. Daher erscheint es sinnvoll grundsätzlich zwischen epigenetischen Regulationsmechanismen und epigenetischer Veränderungen, die bis zu einer generationenübergreifenden epigenetischen Prägung reichen, zu unterscheiden.Das die Übergänge als fließend bezeichnet werden können, ist durch das komplexe Zusammenspiel der epigenetischen Veränderungen bedingt, die in einer gewissen Wechselwirkung zueinander stehen (10).
Unter Epigenetik versteht man Veränderungen des Nukleosoms, also der DNS und der mit dieser assoziierten Histonproteine, die nicht die Basensequenz der DNS betreffen. Die prominentesten epigenetischen Modifikationen sind die Methylierung von Cytosinen und Histonmodifikationen die durch Azetylierung und Methylierung hervorgerufen werden (10). Vereinfacht führt eine Methylierung an bestimmten Stellen der DNS zu einer Rekrutierung von Proteinen die u.a. Histonproteine modifizieren können. Die veränderten Histonproteine binden stärker an die DNS, was zu einer Kompaktierung des Chromatins führt. In diesem Zustand können die Gene weder abgelesen noch repliziert werden. Dem entgegen wirkt die Azetylierung der Histone, die zu einer Ladungsveränderung der Histone führt. Dies führt zu einer Abstoßung und Freilegung der DNS, die für die funktionelle Verfügbarkeit der genetischen Information notwendig ist. Die Histone und die Bindung der DNS an diese, werden darüber hinaus u.a. durch Phosphorylierung, Ubiquitinierung, Sumoylierung, Nitrosylierung und Biotinylierung reguliert. Dabei kommt es zu diversen Veränderungen der Histonproteine, die sich gegenseitig beeinflussen und in einem komplexen Zusammenspiel über die Verfügbarkeit der angelagerten DNS entscheiden (6).
Die Histone sind mit der DNS innerhalb des Chromatins in sogenannte Nukleosomen untergliedert, dies sind jeweils 147 Basenpaare der DNS, die sich um einen „Histonspule“ die aus den Histonen H2A, H2B, H3, und H4 besteht mit 1,7 Windungen winden und bei einer festen Bindung der DNS keine Transkriptionsprozesse und keine DNS-Replikation zu lassen (15). Neben diesen Mechanismen sind mittlerweile eine Reihe von weiteren Mechanismen identifiziert worden. Zu diesen gehören RNS-basierende Mechanismen, die im Kern die DNS Verfügbarkeit reduzieren. Dabei lagern sich nicht codierende, sogenannte short interfering RNS-Fragmente oder Mikro RNS an die DNS an und bilden praktisch eine Kappe, die verhindert, dass die DNS abgeschrieben werden kann und dass sich an den Promotorregionen der DNS transkriptionsregulierende Faktoren anlagern können (16). In der Folge können sich zusätzlich sogenannte Remodellerkomplexe an die DNS anlagern und die Verfügbarkeit des jeweiligen Gens weiter einschränken (16). Dies geschieht vor allem an bereits durch Methylierung veränderten Bereichen des Nukleosoms. Die oben beschriebenen Mikro RNS können außerdem die Translation behindern, indem Sie an mRNSMoleküle binden oder diese der Degradation zuführen (6, 25).
Eine große Stabilität, bzw. Nachhaltigkeit wird der Methylierung am Cytosin, bei der 5-Methylcytosin entsteht, zugeschrieben. Die Methylierung der DNS spielt eine wesentliche Rolle bei der embryonalen Entwicklung und dem Verlust der Pluripotenz von Stammzellen und ist in die terminale Differenzierung von spezifischen Zelltypen involviert. Ferner finden im adulten Organismus Methylierung und Demethylierung der DNS statt, die dann zu Funktionsveränderungen der Gene führen. Hierfür sind Methyltransferasen und Demethylasen verantwortlich, wobei die Bedeutung Letztgenannter noch unklar ist, da der Mechanismus der DNS-Demethylierung zumindest partiell von passiver Natur zu sein scheint (6).
Histonmodifikationen durch Azetylierung, Methylierung und andere Mechanismen sowie RNS-vermittelte nukleäre und extranukleäre epigenetische Veränderungen sind eher transient. Daher sollte zwischen langfristigen epigenetischen Effekten auf die Genaktivität bis hin zur Prägung und epigenetischen Regulationen, die eher kurzfristige Veränderungen der Genaktivität hervorrufen unterschieden werden.

HISTONMODIFIKATION DURCH KÖRPERLICHE AKTIVITÄT

Bisher existieren nur wenige Arbeiten, die sich mit epigenetischer Modulation durch körperliche Aktivität beschäftigen. Die meisten dieser Arbeiten thematisieren Histonmodifikationen und deren funktionellen Auswirkungen, während die DNS-Veränderungen durch Methylierung nur in sehr wenigen Arbeiten untersucht werden. Die Regulation der Transkription in der Skelettmuskulatur durch körperliches Training ist kürzlich in einer Übersichtsarbeit von McGee und Hargreaves (15) im Zusammenhang mit den regulierenden Enzymen, den Histonazetyltransferasen (HAT) und Histondeazetylasen (HDAC), dargestellt worden. Es wird angenommen, dass das Gleichgewicht zwischen HAT und HDAC Aktivität die Transkription reguliert.
In der Skelettmuskulatur sind es vor allem die Klasse IIa HDACs bestehend aus HDAC4, 5, 7 und 9 die für die epigenetische Regulation an den Histonen verantwortlich gemacht werden können. Derzeit existieren vor allem Hinweise, dass die HDACs in der Skelettmuskulatur für die Regulation von oxidativen Genen bei körperlichem Training verantwortlich sind. So kommt es zu einer negativen Beeinträchtigung der Fasertyp I Transformation durch ein vierwöchiges Lauftraining bei transgenen Mäusen, die eine induzierbare Überexpression des HDAC5 erlauben und bei denen dadurch, der für die Typ I Fasertransformation wichtige „myocyte enhancer factor 2“ (MEF2) herunterreguliert wird (19). Die Regulation der HDACs geschieht dabei über vorgeschaltete Signalwege, wie etwa Kalzium abhängige Aktivierung von Calmodulinkinase II (CaMK II). Darüber hinaus sind eine Reihe von weiteren Kinasen in Zusammenhang gebracht worden mit der Regulation der HDACs durch Phosphorylierung und nachfolgenden nukleären Export sowie proteosomalen Abbau der HDACs, was die im Kern für die Deazetylierung und nachfolgende Geninaktivierung notwendige Menge an HDACs reduziert (15). Die funktionale Rolle von HDAC5 konnte jedoch von McGee und Hargreaves auch im Zusammenhang mit der Expression des Glukosetransporters 4 (Glut4) im menschlichen Skelettmuskel nach einem Einsatztraining gezeigt werden, da es hier durch zu einer Reduktion der nukleären HDAC5 kommt und dies mit einer gesteigerten Bindung des MEF2 an der Glut4 Promoterregion vergesellschaftet ist (12, 13). Dieser potentiell für metabolische Erkrankungen, wie dem Diabetes wichtige Mechanismus der Glut4 Expressionsregulation durch Training, wird unterstützt durch die Nachweis einer kalziumabhängigen Regulation der Bindung von MEF2 am durch CaMK Einfluss hyperazetylierten Glut4 Gen (18). Beim Menschen führt bereits ein Einsatztraining über 60min bei 75% VO2max zu einer differentiellen Regulation der Histonazetylierung. Dies konnten McGee und Kollegen zeigen. Sie konnten nach dem Radtraining im Musculus vastus lateralis eine Steigerung der Histonatzetylierung am H3K36 nachweisen. Für H3K14 konnten keine Veränderungen festgestellt werden, was darauf hindeutet, dass es nicht zu generellen Veränderungen der Azetylierung der Histone kommt sondern dies durchaus differentiell geschieht, was für zukünftige Untersuchungen und das weitere Verständnis trainingsinduzierter epigenetischer Veränderungen durch Histonmodifikationen von Bedeutung sein dürfte.

DNS-METHYLIERUNG DURCH KÖRPERLICHE AKTIVITÄT

Die Bedeutung von körperlicher Aktivität für den Methylierungszustand von Genen wird in einigen wenigen Studien thematisiert. So wurde in einer kürzlich veröffentlichten Studie mit einer kleinen Gruppe von Brustkrebspatientinnen eine sechs monatige moderate Trainingsintervention durchgeführt. Dabei konnten insgesamt Veränderungen des Methylierungszustandes bei 43 Genen gefunden werden. Besonders bemerkenswert war der Nachweis einer verminderten Methylierung des Tumorsuppressorgens L3MBTL1, die invers mit der Expression des L3MBTL1 korreliert war. Ob die beschriebene Demethylierung auf eine verstärkte Aktivität von DNS-Demethylasen zurückzuführen ist oder es sich hier um eine passive Demethylierung handelt ist unklar. Darüber hinaus kann die Expression von L3MBTL1 mit Tumoren niedrigerer Malignität in Verbindung gebracht werden (26). Der tumorpräventive Einfluss von körperlicher Aktivität wird auch mit einer Reduktion eines chronischen Entzündungsstatus in Zusammenhang gebracht, der von proinflammatorischen Faktoren aufrechterhalten werden kann. In diesem Zusammenhang erscheint der Nachweis einer Erhöhung der Methylierung des ASC-Gens, welches die IL-1ß und Il-18 Expression reguliert, durch eine 6 monatige Trainingsintervention mit älteren Probanden von Bedeutung. In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass es eine erhöhte Methylierung bei älteren Menschen im Gegensatz zu jüngeren Menschen zu verzeichnen ist. Jedoch führt eine sechs monatige Trainingsintervention den Methylierungszustand fast wieder auf den Stand der jüngeren Vergleichsgruppe zurück. Dies könnte eine Erklärung für die antiinflammatorische Wirkung von körperlichem Training sein und indirekt auf die präventive Wirkung über epigenetische Prägung durch Training bei chronischen Erkrankungen und Tumorleiden hindeuten (19).
Inwieweit körperliche Aktivität über Veränderung der DNSMethylierung einen Einfluss auf metabolische Erkrankungen hat, ist bisher nicht bekannt. Es gibt jedoch Hinweise, dass DNS-Methylierung eine Bedeutung für die Regulation der Expression von mitochondrialen Proteinen hat und darüber metabolische Erkrankungen beeinflusst (2). Die Veränderungen des Methylierungsstatus von, für die metabolische Regulation, wichtigen Proteinen durch Umgebungsfaktoren, wie Ernährung, konnte bereits gezeigt werden. Welche Bedeutung körperlich Aktivität dabei spielt ist jedoch noch weitestgehend ungeklärt. Es ist jedoch belegt, dass körperliche Aktivität einen großen Einfluss auf metabolische Erkrankungen hat und z.B. die Insulinsensitivität verbessert (1).
Der Alterungsprozess ist ebenfalls vergesellschaftet mit epigenetischen Modulationen, die nicht nur an der DNS ablaufen und als eine Signatur des Alterungsprozesses bezeichnet werden. An der DNS kommt es insgesamt zu einer Reduktion des Methylierungsstatus mit zunehmendem Alter (26). Inwieweit körperliche Aktivität über epigenetische Veränderungen und insbesondere Veränderungen der DNS-Methylierung einen Einfluss auf den Alterungsprozess nimmt bleibt zu klären. Im Zusammenhang mit Alterung sind neurodegenerative Veränderungen von besonderem Interesse und es gibt zahlreiche Hinweise, dass körperliche Aktivität, teilweise über die vermehrte Ausschüttung von neurotrophen Faktoren, wie dem Brain-derived-neurotophic factor (BDNF), solchen neurodegenerativen Erkrankungen entgegenwirkt. In diesem Zusammenhang konnte in einer bemerkenswerten Studie von der Gruppe von Gomez-Pinilla an Ratten gezeigt werden, dass körperliche Aktivität nicht nur zu einer verminderten Methylierung der DNS der Promotorregion des BDNF führt, sondern darüber hinaus Histonazetylierungen am H3 im Bereich der Promotorregion des BDNF hervorruft. Weiterhin beeinflusst es Remodulationsproteine, die an die DNS binden und die Transkription blockieren (9).

WEITERE EPIGENETISCHE REGULATIONSMECHANISMEN UND DIE BEDEUTUNG VON KÖRPERLICHER AKTIVITÄT

Neben der DNS Methylierung und der Histonazetylierung, bzw.
Methylierung existieren eine Reihe weiterer epigenetischer Modifikationen, die im Kontext mit körperlicher Aktivität bislang aber
kaum untersucht worden sind. Neben den oben beschriebenen
Erkenntnissen, fanden Gomez-Pinilla und Kollegen (9) heraus,
dass durch körperliche Aktivität eine Phosphorylierung Ca++/
Calmodulin abhängiger Kinasen stattfindet. Diese aktivierten Kinasen können ihrerseits sogenannte Methyl-CpG binding-Proteins
(MECPs) phosphorylieren, was deren Affinität zu methylierten
DNS-Abschnitten herabsetzt. Im unphosphorylierten Zustand binden die MECPs an methylierte DNS-Sequenzen und rekrutieren
u.a. Histondeazetylasen, die letztlich zu einer kompakteren, stillgelegten Chromatinstruktur führen (4) (Abb. 1). Weitere Histonmodifikationen wie Phosphorylierungen, Ubiquitinierungen, Sumoylierungen, etc. sind im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität
weitestgehend unbeschrieben. Häufig werden Mikro RNS als epigenetischer Regulator erwähnt. Da diese neben einer direkten Genrepression durch das Binden an komplementäre DNS-Sequenzen
vor allem die Translation beeinflussen, sollten sie als gesonderter
Regulationsmechanismus betrachtet werden. Trotzdem bleibt anzumerken, dass durch epigentische Modifikationen die Expression bestimmter Mikro RNS reguliert werden kann und diese durch körperliche Aktivität beeinflusst wird (23).

PERSPEKTIVE ZUR BEDEUTUNG VON EPIGENETIK IM SPORT

Wenngleich epigenetische Regulationsmechanismen, die durch körperliche Aktivität offensichtlich modifiziert werden können, bislang nur unzureichend verstanden sind, lässt sich ein breites Spektrum an Ansatzpunkten für die Praxis ausmachen. Ein zentraler Aspekt könnte in diesem Zusammenhang die Trainingssteuerung im Leistungssport sein. Die Tatsache, dass Athleten auf gleiche Trainingsinterventionen sehr different ansprechen, könnte partiell über epigenetische Unterschiede erklärt werden. Folglich hätte man neben klassischen Leistungsdiagnostikverfahren, wie z.B. der Spiroergometrie eine weitere, möglicherweise effiziente Methode zur Trainingsüberwachung und Steuerung. Auf molekularer Ebene könnte neben der körperlichen Aktivität die Ernährung feinjustiert und individuell auf den einzelnen Athleten abgestimmt werden. Da über epigenetische Prägung gegebenenfalls der Phänotyp charakterisiert werden kann, könnte eine genaue Analyse des Epigenoms Aufschluss über die Potentiale eines Athleten geben. Inwieweit ein solches, aufwendiges Screening umgesetzt werden kann ist noch fraglich und aus ethischer Sicht diskussionswürdig. Hierfür ist in jedem Fall ein umfassenderes Verständnis des Epigenoms notwendig. Neben dem Leistungssport könnten Sportinterventionen im Gesundheits- und Rehabilitationsbereich deutlich genauer auf Patienten und Patientenkollektive zugeschnitten werden. Als Beispiel seien an dieser Stelle körperliche Interventionen bei Tumorerkrankungen genannt. Wie oben beschrieben, könnten solche Therapien sehr zielgerichtet eingesetzt werden, um bestimmte Gene zu regulieren und damit zukünftig klassische, medizinische Therapien optimal zu unterstützen.

Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: keine.

LITERATUR

  1. Barres R, Zierath JR DNA methylation in metabolic disorders. Am JClin Nutr 93 (2011) 897S-900.
    doi:10.3945/ajcn.110.001933
  2. Choi YS, Kim S, Pak YK Mitochondrial transcription factor A (mtTFA) and diabetes. Diabetes Res Clin Pract 54 (2001) (Suppl 2) S3-S9.
    doi:10.1016/S0168-8227(01)00330-8
  3. Curley JP, Mashoodh R, Champagne FA Epigenetics and the origins of paternal effcts. Horm Behav 59 (2011) 306-314.
    doi:10.1016/j.yhbeh.2010.06.018
  4. Díaz de León-Guerrero S, Pedraza-Alva G, Pérez-MartínezL In sickness and in health: the role of methyl-CpG binding protein2 in the central nervous system. Eur J Neurosci 33 (2011) 1563-1574.
    doi:10.1111/j.1460-9568.2011.07658.x
  5. Duff GW Evidence for genetic variation as a factor in maintaininghealth. Am J Clin Nutr 83 (2006) 431S-435S.
  6. Dulac C Brain function and chromatin plasticity. Nature 465 (2010)728-735.
    doi:10.1038/nature09231
  7. Ehlert T, Simon P Genetik und Epigenetik der körperlichen Leistungsfähigkeit. Dtsch Z Sportmed 62 (2011) 86-91.
  8. Gomez-Pinilla F, Zhuang Y, Feng J, Ying Z, Fan G Exercise impactsbrain-derived neurotrophic factor plasticity by engaging mechanismsof epigenetic regulation. Eur J Neurosci 33 (2011) 383-390.
    doi:10.1111/j.1460-9568.2010.07508.x
  9. Gonzalez M, Li F DNA replication, RNAi and epigenetic inheritance.Epigenetics 1 (2012) . [Epub ahead of print].
  10. Ikegami K, Ohgane J, Tanaka S, Yagi S, Shiota K Interplay betweenDNA methylation, histone modifiation and chromatin remodeling instem cells and during development. Int J Dev Biol 53 (2009) 203-214.
    doi:10.1387/ijdb.082741ki
  11. Kutikhin AG Role of NOD1/CARD4 and NOD2/CARD15 gene polymorphisms in cancer etiology. Hum Immunol 72 (2011) 955-968.
    doi:10.1016/j.humimm.2011.06.003
  12. McGee SL, Hargreaves M Exercise and myocyte enhancer factor2 regulation in human skeletal muscle. Diabetes 53 (2004) 1208-1214.
    doi:10.2337/diabetes.53.5.1208
  13. McGee SL, Sparling D, Olson AL, Hargreaves M Exercise increases MEF2 and GEF DNA-binding activity in human skeletal muscle.FASEB J 20 (2006) 348-349.
  14. McGee SL, Fairlie E, Garnham AP, Hargreaves M Exercise-induced histone modifiations in human skeletal muscle. J Physiol 587(2009) 5951-5958.
    doi:10.1113/jphysiol.2009.181065
  15. McGee SL, Hargreaves M Histone modifiations and exercise adaptations. J Appl Physiol 110 (2011) 258-263.
    doi:10.1152/japplphysiol.00979.2010
  16. McManus MT, Sharp PA Gene silencing in mammals by small interfering RNAs. Nat Rev Genet 3 (2002) 737-747.
  17. Mori M, Higuchi K, Sakurai A, Tabara Y, Miki T, Nose H Genetic basis of inter-individual variability in the effcts of exercise on thealleviation of lifestyle-related diseases. J Physiol 587 (2009) 5577-5584.
    doi:10.1113/jphysiol.2009.179283
  18. Mukwevho E, Kohn TA, Lang D, Nyatia E, Smith J, Ojuka EO Caffeine induces hyperacetylation of histones at the MEF2 site on the Glut4promoter and increases MEF2A binding to the site via a CaMK-dependent mechanism. Am J Physiol Endocrinol Metab 294 (2008) E582-E588.
    doi:10.1152/ajpendo.00312.2007
  19. Nakajima K, Takeoka M, Mori M, Hashimoto S, Sakurai A, NoseH, Higuchi K, Itano N, Shiohara M, Oh T, Taniguchi S Exerciseeffects on methylation of ASC gene. Int J Sports Med 31 (2010) 671-675.
    doi:10.1055/s-0029-1246140
  20. Potthoff MJ, Wu H, Arnold MA, Shelton JM, Backs J, McAnallyJ, Richardson JA, Bassel-Duby R, Olson EN Histone deacetylasedegradation and MEF2 activation promote the formation of slow-twitchmyofiers. J Clin Invest 117 (2007) 2459-2467.
    doi:10.1172/JCI31960
  21. Poulsen P, Esteller M, Vaag A, Fraga MF The epigenetic basis oftwin discordance in age-related diseases. Pediatr Res 61 (2007) 38R-42R.
    doi:10.1203/pdr.0b013e31803c7b98
  22. Qidwai T, Khan F Tumour necrosis factor gene polymorphism anddisease prevalence. Scand J Immunol 74 (2011) 522-547.
    doi:10.1111/j.1365-3083.2011.02602.x
  23. Timmons JA Modulation of microRNAs during exercise and disease inhuman skeletal muscle. Exerc Sport Sci Rev 218 (2011) 218.
    doi:10.1097/JES.0b013e31822ba9e1
  24. Whitelaw NC, Whitelaw E How lifetimes shape epigenotypewithin and across generations. Hum Mol Genet 15 (2006) R131-R137.
    doi:10.1093/hmg/ddl200
  25. Yan MS, Matouk CC, Marsden PA Epigenetics of the vascular endothelium. J Appl Physiol 109 (2010) 916-926.
    doi:10.1152/japplphysiol.00131.2010
  26. Zeng H, Irwin ML, Lu L, Risch H, Mayne S, Mu L, Deng Q, Scarampi L, Mitidieri M, Katsaros D, Yu H Physical activity and breast cancer survival: an epigenetic link through reduced methylation of a tumorsuppressor gene L3MBTL1. Breast Cancer Res Treat 133 (2012) 127-135.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Wilhelm Bloch
Deutsche Sporthochschule Köln
Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin
Abteilung Molekulare und Zelluläre Sportmedizin
Am Sportpark Müngersdorf 6
50933 Köln
E-Mail: w.bloch@dshs-koeln.de