Diastolische Funktion bei Athleten
EDITORIAL

Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention – Plädoyer für ein erweitertes Paradigma

Health Promotion and Disease Prevention – Plea for an Advanced Paradigm

Ganz allgemein versteht man unter Prävention „alle Interventionen, die zur Vermeidung oder Verringerung des Auftretens, der Ausbreitung und der negativen Auswirkungen von Krankheiten  oder  Gesundheitsstörungen  beitragen“  (1).  Primärprävention sollte nicht einer Früherkennung von Krankheitssymptomen dienen, sondern deren Entstehen verhindern. Offensichtlich gibt es aber unterschiedliche Vorstellungen zum Beispiel von Sportwissenschaftlern und Medizinern darüber, wo eine Primärprävention ansetzen soll. Letztere fokussieren zumeist primär Risikofaktoren, deren Diagnostik und eine Früherkennung. Während die Sportwissenschaft sich zum Ziel macht, Gesundheitsressourcen vor dem Auftreten von Krankheitsanzeichen aufzubauen und zu stärken. Damit muss kein Gegensatz oder Wettstreit der beiden Berufsgruppen aufgemacht werden. Hier wird für eine Zusammenarbeit plädiert aus der Synergien entstehen können.
Unsere Gesellschaft ist geprägt von einem ungesunden Lebensstil mit mangelnder Bewegung, inadäquater Ernährung und psychischer Belastung in Schule und Beruf, in Familie und Freizeit, selbst im Leistungssport. Hier liegen die Ursachen für verschiedene Erkrankungen. Insbesondere ergibt sich aus dieser Problemsituation eine Zunahme der Zivilisationskrankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Adipositas und der psychischen Erkrankungen, die nach neuesten Statistiken in der Zukunft einen immer größeren Anteil an der Arbeitsunfähigkeit von Menschen haben werden.
Die  traditionelle  Medizin  orientiert  sich  an  der  Diagnostik von  Krankheitssymptomen,  um  eine  möglichst  frühzeitige  Behandlung  der  zugrundeliegenden  Krankheit  vornehmen  zu  können.  Medizinisch  orientierte  Präventionskonzepte  dienen  dem Vermeiden  eines  Rückfalls  oder  der  Vorbeugung  weiterer  Folgeerkrankungen. Natürlich besteht kein Zweifel, dass Krankheiten möglichst früh erkannt werden sollten. Krankmachende, problematischen Verhaltensweisen haben sich oft über einen längeren Zeitraum  ausgebildet.  Dem  zugrunde  liegen  inadäquate  Verhaltensweisen  bzw.  Lebensstile.  Dies  zu  ändern  ist  das  Ziel  einer vorgeschalteten,  nicht  primär  medizinisch,  sondern  bio-psychosozial orientierten Prävention.
Eine solche primäre Prävention versucht, krankheitsauslösende Bedingungen zu definieren, um zu verhindern, dass Krankheitssymptome  überhaupt  erst  entstehen.  Ein  Beispiel  findet  sich  in der Zahnmedizin. Hier wird durch Prophylaxe versucht den Zahnschmelz zu festigen, sodass Karies keine Angriffspunkte findet. Die Kariesprophylaxe beruht dabei auf vier Säulen: richtige Ernährung, gewissenhafte  Zahnpflege,  Zufuhr  von  Fluoriden  und  regelmäßigen Kontrollen.
Dies lässt sich durchaus auf den Bereich einer Prävention der Zivilisationserkrankungen übertragen. Hier muss in verschiedene Richtungen gedacht werden. Effektive Primärprävention muss systemorientiert und interdisziplinär sein. Ausgangspunkt kann eine Orientierung  am  bio-psycho-sozialen  Modell  des  Menschen  sein. Hier sind analog zur Kariesprophylaxe die Ernährungswissenschaft und hinsichtlich der Kontrollen die Medizin zu beteiligen. Eine gewissenhafte  Pflege  des  Körpers ist Thema für die Medizin und die Sportwissenschaft.
Aus  diesem  Wissen  sollten  Schritte  unternommen werden, um die Menschen mit gesundheitsfördernden Bewältigungsstrategien  auszustatten  (Verhaltensprävention), damit  sie  widerstandsfähiger werden  oder  um  negative Umweltaspekte  zu  verändern (Verhältnisprävention).  Aus diesem  Präventionsverständnis  ergeben  sich  wichtige  Paradigmenwechsel:

1. Die  Entwicklung  eines Modells  der  Volksgesundheit  jenseits  des  medizinischen Krankheitsmodells.
2.  Eine Beachtung und Erforschung situationaler und ökologischer Risikofaktoren.
3.  Die Suche nach verursachenden Faktoren in den jeweiligen Lebensumständen anstatt oder in Ergänzung zu prädisponierenden Faktoren im Menschen.

Prävention ist eine komplexe Aufgabe. Sie umfasst nicht nur ein Verständnis der kausalen Zusammenhänge, sondern auch die Überwindung  individueller,  institutioneller  und  politischer  Widerstände  gegenüber  der  Veränderung.  Zunächst  wird  vor  allem ein  großer  Forschungsaufwand  notwendig  sein,  um  die  langfristige  Nützlichkeit  von  Prävention  und  der  Anwendung  eines  (im Wesentlichen noch zu entwickelnden) Modells der Volksgesundheit aufzuzeigen.
Das  Wissen  um  Krankheit  scheint  in  der  modernen  Gesellschaft  größer  zu  sein  als  das  über  Gesundheit.  Eine  wesentliche Aufgabe von Prävention liegt daher im Bereich der Edukation, um das Wissen über ein gesundes Leben zu erhöhen. Das Fernziel einer so verstandenen Prävention ist die Sicherung der Gesundheit aller Mitglieder unserer Gesellschaft. Dabei müssen Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention als komplementäre Formen der Intervention entwickelt werden.

LITERATUR

  1. Franzkowiak P Prävention und Krankheitsprävention. In BZgA (Hrsg.): Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention, Verlag, Ort, 2011, 437.