Tradition verpflichtet – 100 Jahre organisierte Sportmedizin
Bound by Tradition – 100 Years of Organized Sports Medicine in Germany
Die deutsche wie internationale organisierte Sportmedizin feiern in diesem Jahr ihr hundertjähriges Bestehen - wohl ein guter Grund für einen Rückblick auf Entwicklung und Leistungen dieses Fachgebiets. Wenn auch die Begriffe "Sportarzt" und "Sportmedizin" im deutschen Sprachgebrauch erst im vorigen Jahrhundert auftauchen, so gehören doch Anliegen und Inhalte dieses Bereiches der Medizin zu den ältesten überhaupt.
Die Verbindungen von Medizin und körperlicher Aktivität lassen sich seit dem frühen Altertum nachweisen. Das Postulat des Hippokrates von Kos (um 460 bis 370 v. Chr.) ist heute aktueller denn je:
"Alle funktionellen Körperteile, wenn sie in moderater Form durch körperliche Bewegung gefordert werden, entwickeln sich gut, bleiben gesund und altern langsamer; wenn sie aber in Untätigkeit verharren, sind sie anfälliger gegenüber Krankheiten und sind einem rascheren Alterungsprozess unterworfen."
Nachweisbar ist auch, dass die Verquickung der zeitgenössischen griechischen Medizin mit Training und Wettkampf der antiken Athleten wohl ebenso eng war wie es die moderne Sportmedizin heute wieder praktiziert.
Erst im 17. und 18. Jahrhundert griffen weit blickende Ärzte und Wissenschaftler diese Erkenntnisse wieder auf. In das 19. Jahrhundert fällt der Beginn einer diesbezüglichen wissenschaftlichen Grundlagenforschung. Mit der sich rasch entwickelnden Turn- und Sportbewegung und nach der Wiederbelebung der Olympischen Spiele ab 1894 fand die Medizin in ihren Zielen der gesundheitlichen Prävention, Therapie und Rehabilitation dauerhaft Verbündete.
Es waren namhafte deutsche Mediziner, die 1912 das "Deutsche Reichskomitee für die wissenschaftliche Erforschung des Sportes und der Leibesübungen" in Oberhof/ Thüringen gründeten. Das war die weltweit erste nationale Vereinigung der Sportmedizin, seinerzeit noch als Sportwissenschaft bezeichnet. Erst Jahrzehnte später folgte die Bildung weiterer nationaler sportmedizinischer Verbände in anderen Ländern.
So wurde auch Deutschland bei der Gründung des Weltverbandes für Sportmedizin, der Association Internationale Medico Sportive (AIMS; heute FIMS) im Jahr 1928 vom französischen Vertreter André Latarjet, später auch Präsident der FIMS, als "Pionierland der Sportmedizin" gewürdigt. Anlässlich der 50-JahrFeier der Wiedergründung des Deutschen Sportärztebundes in Hannover im Jahre 2000 führte der seinerzeitige Präsident der FIMS Eduardo H. de Rose (Brasilien) aus, dass Deutschland für die Sportmedizin das Gleiche bedeute wie Griechenland für die Olympischen Spiele.
Die von Hollmann 1958 geschaffene Definition der Sportmedizin wurde 1977 offiziell vom Weltverband für Sportmedizin (FIMS) übernommen:
"Sports medicine embodies theoretical and practical medicine which examines the influence of exercise, training and sports, as well the lack of exercive, on healthy and unhealthy people of all ages to produce results that are conclusive to prevention, therapy and rehabilitation as well as beneficial for the athlete himself".
Wie kaum ein anderes medizinisches Fachgebiet hat die deutsche Sportmedizin von Anfang an das durchgehende Interesse der Politik erfahren. Ob angestrebte Volksgesundheit und Wehrtüchtigkeit im Kaiserreich, Körperertüchtigung in der Weimarer Republik, oder die angestrebte und auch erreichte Aufwertung der totalitären Systeme in Deutschland durch sportliche Leistungen und Erfolge. Stets konnte sich der Sport und mit ihm die Sportmedizin der besonderen Aufmerksamkeit und Förderung der jeweiligen politischen Führung sicher sein.
Im Hinblick auf die 100-jährige Wiederkehr der Gründung des „Deutschen Reichskomitees für die Förderung des Sportes und der Leibesübungen“ als Vorgänger der DGSP konstituierte sich 2006 eine Arbeitsgruppe „Geschichte der Sportmedizin“. Ihre Aufgaben bestanden u.a. in der Erstellung einer Festschrift, der Herausgabe einer Sonderbriefmarke sowie der Einbringung historischer Themen im Fachorgan „Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin“ im Jubiläumsjahr. In die Internet-Enzyklopädie WIKIPEDIA wurden zahlreiche Einträge und Abbildungen sportmedizinischer Thematik, zu den nationalen und internationalen Vereinigungen der Sportmedizin sowie Biografien namhafter Sportmediziner vorgenommen. Bereits vorhandene Einstellungen wurden ergänzt oder auch korrigiert. Kurzfassungen von interessanten Themen aus der Historie der Sportmedizin werden auch in den folgenden Ausgaben unserer Zeitschrift enthalten sein.
- 100 Jahre deutsche Sportmedizin. Druckhaus Verlag Gera 2012.
- Geschichte der deutschen Sportmedizin. Druckhaus Verlag Gera, 2008.
- Geschichte der Sportmedizin. Freiburg und die Entwicklung in Deutschland. Haug Heidelberg, 1999.
- "Der Sport ist der praktische Arzt am Krankenlager des deutschen Volkes". Wolfgang Kohlrausch (1888-1980) und die Geschichte der deutschen Sportmedizin. Phil. Diss. Freiburg im Breisgau, 2005.