Sportmedizin
ORIGINALIA
HYSISCHES SELBSTKONZEPT VON KRAFT- UND AUSDAUERSPORTLERINNEN

Physisches Selbstkonzept und Körpergewichtsstatus von Leistungssportlerinnen aus leichtathletischen Wurf- und Laufdisziplinen

Physical Self-Concept and Body Weight Status in Female Elite Track and Field Athletes Competing in Throwing and Running Disciplines

Lehr- und Forschungsbereich Sportpsychologie, Fakultät für Sportwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum

ZUSAMMENFASSUNG

Problemstellung: Körperbaumerkmale differieren in Abhängigkeit von disziplinspezifischen  konditionellen  Anforderungen  und  können  in  unterschiedlichem Maße vom geschlechtsspezifischen Körperideal abweichen. Eine verringerte Körperzufriedenheit kann insbesondere bei Athletinnen im Jugendalter und frühen Erwachsenenalter  eine  Beeinträchtigung  des  allgemeinen  Selbstwerts  zur  Folge haben.  Die  dargestellte  Untersuchung  ging  der  Frage  nach,  inwiefern  sich  konstitutionelle  Unterschiede  von  Sportlerinnen  aus  kraft-  und  ausdauerbetonten Sportarten in deren physischem Selbstkonzept widerspiegeln. Methoden: Hierzu wurden 35 Leistungssportlerinnen aus leichtathletischen Wurf- und Laufdisziplinen mit dem Physical Self Description Questionnaire (deutsche Version; 21) sowie zu  anthropometrischen  und  biografischen  Daten  befragt.  Zur  Ermittlung  von Gruppenunterschieden  wurden  der  t-Test  bzw.  multivariate  Kovarianzanalysen durchgeführt. Ergebnisse: Erwartungsgemäß wiesen die Werferinnen (24,1±2,6) im  Vergleich  zu  den  Läuferinnen  (19,4±1,4)  einen  höheren  Body-Mass-Index (BMI;  p<0,01)  auf,  welcher  mit  einer  verringerten  Figurzufriedenheit  assoziiert war  (eta-square =0,522;  p<0,01).  Jedoch  ließen  sich  auf  den  übergeordneten Ebenen des physischen und globalen Selbstwerts weder in Abhängigkeit von der Disziplin noch in Abhängigkeit vom BMI negative Selbstbeurteilungstendenzen feststellen.  Diskussion:  Die  Ergebnisse  lassen  auf  eine  höhere  Körperunzufriedenheit bei Sportlerinnen mit zunehmendem BMI schließen. Die Annahme, dass Athletinnen  aus  kraftbetonten  Sportarten  eine  generelle  Beeinträchtigung  ihres Selbstkonzepts aufweisen, findet durch die ermittelten Ergebnisse hingegen keine Unterstützung. Eine Selbstwert schützende Funktion der Ausübung von Leistungssport bei erhöhtem Körpergewichtsstatus bleibt durch weitere Forschungsaktivitäten zu überprüfen.

Schlüsselwörter: Körperkonzept, Selbstwert, Athletinnen, Kraftsport, Ausdauersport.

SUMMARY

Objective: Physical characteristics of athletes vary due to distinctive conditional and strength requirements of different sports and do not always correspond with the current ideal of a perfect female body shape. Body dissatisfaction may result in  impaired  perception  of  self-worth,  especially  in  adolescent  and  young  adult athletes. This study focuses on the question whether anthropometric differences of female athletes from strength and endurance sports are reflected in their physical self-concept. Methods: 35 female elite track and field athletes from throwing and running disciplines were surveyed using the Physical Self Description Questionnaire (German version; 21). In addition, anthropometric and biographic data was assessed. Groups were compared using Student's t-tests or multivariate ANCOVA. Results: As expected, compared to runners (19,4±1,4), throwers (24,1±2,6) had a higher body-mass-index (BMI; p<0,01) which was strongly associated with body  dissatisfaction  (eta-square =.522;  p<0,01).  However,  negative  self-ratings concerning the superordinate dimensions of physical and global self-worth were found to be neither dependent on discipline nor BMI. Discussion: Although the results suggest that a positive association between BMI and body dissatisfaction in female athletes exists, they do not support the assumption of a generally impaired self-concept in female athletes from strength sports. Future studies are required to firmly establish whether or not participation in elite sports protects personal perception of self-worth in women with higher weight status.

Key Words: body-image, self-worth, female athletes, strength sports, endurance sports.

EINLEITUNG

Körperbaumerkmale stellen im Leistungssport maßgebliche Determinanten für den sportlichen Erfolg dar. Infolge der disziplinspezifischen  konditionellen  Anforderungen  weisen  Athletinnen  aus Kraft- und Ausdauersportarten zum Teil erhebliche konstitutionelle Unterschiede auf (8). So ist in den leichtathletischen Wurfdisziplinen  vorrangig  die  absolute  Kraftfähigkeit  leistungsbestimmend, welche in engem Zusammenhang mit der Muskelmasse und infolgedessen  mit  der  Gesamtkörpermasse  der  Athletinnen  und  Athleten steht (7). In den Laufdisziplinen der Mittel- und Langstrecke stellt hingegen die aerobe Kapazität den leistungsentscheidenden Faktor dar. Sie korreliert infolge der disziplinspezifischen Anforderungen an den Energiestoffwechsel negativ mit dem Körperfettanteil  und  der  Gesamtkörpermasse  (12).  Empirische  Unterstützung erfahren  die  geschilderten  Zusammenhänge  durch  eine  Analyse der von Ermert (6). Sie dokumentierten anthropometrischen Daten internationaler Spitzenathletinnen aus dem Jahr 2007 (Tab. 1). Wie aus den anthropometrischen Daten hervorgeht, fallen sowohl Körpergröße  und  Körpergewicht,  als  auch  der  hieraus  ermittelte Body-Mass-Index  (BMI)  bei  den  Werferinnen  laut  t-Test  hoch  signifikant höher aus als bei den Läuferinnen.

Abweichungen  von  ästhetischen  Idealen  können  insbesondere bei jungen Frauen über die Verringerung der Körperselbstakzeptanz  zur  Entwicklung  einer  problematischen  Beziehung  zum eigenen Körper führen und letztendlich zu emotionalen Störungen beitragen  (1).  Die  Selbstakzeptanz  der  körperlichen  Erscheinung stellt  eine  Facette  innerhalb  des  physischen  Selbstkonzepts  dar, welches im Sinne des multidimensionalen Selbstkonzept-Modells von Shavelson et al. (18) die Gesamtheit der auf die Erscheinung und die Funktionsfähigkeit des eigenen Körpers bezogenen Informationen und Bewertungen beinhaltet.
Einen  allgemeinen  Zusammenhang  zwischen  quantitativen Sportverhaltensmerkmalen  und  Variablen  des  physischen  Selbstkonzepts  belegen  zahlreiche  sowohl  international,  als  auch  im deutschsprachigen  Raum  publizierte  Befunde  (5, 19, 20).  Zusammenfassend  lassen  sich  diese  dahingehend  interpretieren,  dass regelmäßige sportliche Aktivität geschlechtsunabhängig mit einer positiveren Sicht des eigenen Körpers und der sportlichen Fähigkeiten einhergeht. Die bisherigen, im leistungssportlichen Kontext durchgeführten Studien fokussieren häufig auf Vergleiche von Athletinnen und Nicht-Sportlerinnen (16, 22) und/oder auf Sportarten, bei denen ein schlanker Körperbau aus ästhetischen oder konditionellen  Gründen  leistungsbegünstigend  ist,  wie  z.B.  gymnastische und ausdauerbetonte Sportarten (16, 17).
Hingegen stellt sich die Forschungslage zu Unterschieden im Selbst-  und  Körperkonzept  in  Abhängigkeit  von  konditionellen, disziplinspezifischen Anforderungen als fragmentarisch und wenig konsistent dar. So gehen Bingelli et al. (3) in Anbetracht der Befragungsdaten  von  Athletinnen  aus  verschiedenen  Disziplinen  des Freizeit- und Leistungssports davon aus, dass die Ausübung einer bestimmten Sportart sich nicht bedeutsam auf die Ausprägung des Gesamtkörperkonzepts auswirkt. Hinsichtlich der Unzufriedenheit mit der eigenen körperlichen Erscheinung kommen auch Torstveit et al. (24) auf Basis eigener Ergebnisse zu dem Schluss, dass diese weitgehend  unabhängig  von  der  Sportart  variiert.  Im  Gegensatz hierzu konnten Swami et al. (22) bei Athletinnen aus leichtathletischen Lauf-Disziplinen eine im Vergleich zu Kampfsportlerinnen und  Nicht-Sportlerinnen  stärker  ausgeprägte  Körperunzufriedenheit beobachten. Kleindienst-Cachay und Kunzendorf (11) stellten anhand  von  Interviews  mit  Athletinnen  aus  kraftbetonten  Disziplinen  ebenfalls  fest,  dass  einige  von  diesen  „im  Hinblick  auf  die trainingsbedingten  körperlichen  Veränderungen  Akzeptanzprobleme haben und sich selbst nicht mehr ‚schön’ finden“ (S. 294). Die betreffenden  Sportlerinnen  litten  infolge  ihrer  ausgeprägten  Körpermasse  unter  Angst  vor  Attraktivitätsverlust  und  abwertenden Bemerkungen.

Problem- und Zielstellung
Die  aktuellen  gesellschaftlichen  Idealvorstellungen  vom  weiblichen  Körper  propagieren  eine  athletisch-schlanke  Figur  (10, 14). Somit ist anzunehmen, dass Sportlerinnen aus kraftbetonten Disziplinen aufgrund ihres kräftigeren Körperbaus und ihrer höheren Körpermasse  dem  geschlechtsspezifischen  Körperideal  in  geringerem Maße entsprechen als Ausdauersportlerinnen. Ein positives Selbstbild stellt einerseits unabhängig von der Sportpartizipation eine wesentliche psychosoziale Gesundheitsressource dar (1) und gilt  andererseits  als  Voraussetzung  für  eine  langfristig  optimale Leistungsentfaltung  im  Sport  (25).  Eine  negative  Körperselbstwahrnehmung  sowie  ein  verringertes  Selbstwertgefühl  werden hingegen  insbesondere  in  entsprechenden  Risikosportarten,  wie u.a. Ausdrucks-, Gewichtsklassen- und Ausdauersportarten, als begünstigende Faktoren für die Entwicklung gestörten Essverhaltens betrachtet (27).
Daher widmet sich die hier dargestellte Studie der Frage, ob vom  geschlechtsspezifischen  Körperideal  abweichende  Körperbaumerkmale  bei  Sportlerinnen  mit  einer  höheren  Körperunzufriedenheit sowie einem verringerten physischen und allgemeinen Selbstwertgefühl assoziiert sind. Die leichtathletischen Wurf- und Laufdisziplinen erscheinen zur Beantwortung der Untersuchungsfragestellung  als  insbesondere  geeignet,  da  in  diesen  für  das  Erzielen  sportlicher  Leistungen  ausschließlich  konditionelle  Fähigkeiten (Kraft bzw. Ausdauer) als bedeutsam und Bewegungs- und Körperästhetik hingegen als weitgehend unbedeutend zu betrachten sind.

MATERIAL UND METHODE

Untersuchungsstichprobe
An  der  Studie  nahmen  35  Leichtathletinnen  aus  den  Disziplinen Hammerwurf, Kugelstoß und Diskuswurf (n=19) sowie aus Laufdisziplinen der Mittel- und Langstrecke (n=16) im Alter von 14 bis 27 Jahren (M=19,20; SD=3,66) teil. In Anbetracht der Sensibilität des Untersuchungsgegenstands war die Befragung der Athletinnen unter forschungsethischen Gesichtspunkten nur mit dem Einverständnis deren Trainerinnen und Trainer vertretbar, was mit einer Einschränkung der Probandenzahl einherging. Aus Tab. 2 sind die Verteilungen  der  Einzeldisziplinen  und  Disziplinkombinationen ersichtlich.  Alle  Sportlerinnen  gaben  sportliche  Erfolge  in  der Hauptdisziplin auf regionaler (nord-, süd-, west- und ostdeutsche Meisterschaften)  bis  hin  zu  internationaler  Ebene  an.  Der  wöchentliche Trainingsumfang in der Hauptdisziplin betrug zwischen 3,5 und 21 (M=10,04; SD=4,48) Stunden. Die befragten Läuferinnen waren durchschnittlich etwa 4 Jahre älter als die Werferinnen. Die Altersdifferenz erwies sich im t-Test als signifikant (p=0,001). Keine signifikanten Gruppenunterschiede waren hingegen für den durchschnittlichen wöchentlichen Trainingsumfang sowie die Verteilung der Leistungsniveaus festzustellen.

Untersuchungsverfahren
Die  Athletinnen  wurden  mit  der  deutschen  Version  des  Physical Self  Description  Questionnaire  (PSDQ;  21)  befragt.  Das  70  Items umfassende Instrument erfasst Dimensionen des allgemeinen und physischen Selbstkonzepts anhand von neun spezifischen und zwei globalen Skalen. Die spezifischen Skalen zielen auf Selbstbeschreibungsaspekte in Bezug auf die sportlichen Fähigkeiten und die körperliche  Aktivität,  hinsichtlich  der  Attraktivität  von  körperlicher Erscheinung  und  Figur  sowie  der  Gesundheit  der  Befragten  ab. Die globalen Skalen erfassen den physischen und den allgemeinen Selbstwert. Die Items werden auf einer 6-stufigen Likert-Skala von 1 (trifft gar nicht zu) bis 6 (trifft sehr zu) beantwortet. Mit Ausnahme der invers kodierten Subskala Körperfett sind niedrige Subskalenwerte jeweils im Sinne einer negativen Selbsteinschätzungstendenz zu interpretieren. Mit Hilfe selbst konstruierter Items wurden sozio- und sportbiografische Informationen (Alter, Disziplin, Trainingsumfang,  Leistungsniveau  u.a.)  erfasst.  Die  Bestimmung  des Körpergewichtsstatus  erfolgte  anhand  des  Body-Mass-Index  mit Hilfe von Selbstangaben zu Körpergröße und Körpergewicht.

ERGEBNISSE

Der Vergleich der anthropometrischen Parameter mittels t-Test ergab signifikante bis hoch signifikante Unterschiede zwischen den Werferinnen  und  Läuferinnen  (Tab. 3).  Erwartungsgemäß  waren die Werferinnen im Mittel größer und schwerer als die Läuferinnen, wobei die Unterschiede in Bezug auf das Körpergewicht deutlicher ausfielen.  Dies  führte  zu  einem,  um  im  Schnitt  annähernd  fünf Punkte höheren BMI bei der Gruppe der Werferinnen.
Zur  Überprüfung  der  relevanten  Fragebogensubskalen  auf signifikante  Unterschiede  zwischen  den  Werferinnen  und  Läuferinnen  wurde  eine  einfaktorielle,  multivariate  Varianzanalyse durchgeführt (Tab. 4). Um den differierenden Verteilungen von Alter und BMI in den Vergleichsgruppen Rechnung zu tragen, wurden die betreffenden Variablen als Kovarianten in die Datenanalyse einbezogen. Bei signifikanten Einflüssen der Kovariaten wurde zur Ermittlung  der  Zusammenhangsrichtung  die  Produkt-MomentKorrelation nach Pearson zwischen der Kovariate und der betreffenden  Subskala  berechnet.  Auf  deskriptiver  Ebene  ist  zunächst festzustellen, dass sich die erzielten Subskalenmittelwerte bei den Läuferinnen allesamt und bei den Werferinnen mit Ausnahme der Subskalen  Körperfett  und  Ausdauer  im  oberen  Drittel  der  Antwortskalierung bewegen. Dies lässt bei beiden Gruppen auf eine, über die erfassten Dimensionen überwiegend bzw. ausschließlich insgesamt  positive  Selbstbeurteilungstendenz  schließen.  Wie  die statistischen  Analysen  zeigen,  lassen  sich  anhand  des  gewählten Modells  nur  für  wenige  der  erfassten  Selbstkonzeptdimensionen signifikante  Effekte  ableiten.  So  variieren  die  übergeordneten Subskalen Globaler Selbstwert und Physischer Selbstwert weder in Abhängigkeit von der ausgeübten Disziplin noch vom BMI der befragten Sportlerinnen. Dies gilt in gleicher Weise für die Subskalen Körperliche  Erscheinung,  Körperliche  Aktivität,  Gesundheit  und Allgemeine Sportlichkeit.
Für die Subskala Körperfett lässt sich auf deskriptiver Ebene zwar  ein  vergleichsweise  deutlicher  Mittelwertunterschied  zwischen den Disziplinen beobachten, der in der MANOVA bei Konstanthaltung der Variable BMI jedoch zu keinem statistisch nachweisbaren  Effekt  für  die  Gruppenvariable  führt.  Hingegen  ist  ein stark ausgeprägter Einfluss des Körpergewichtsstatus auf diese Dimension festzustellen, welcher im Sinne einer verringerten Figurzufriedenheit mit steigendem BMI interpretiert werden kann. Eine anschließend durchgeführte Korrelationsanalyse deutet auf einen stark  negativen  Zusammenhang  zwischen  den  beiden  Variablen hin (r =- 0,819; p=0,000).

Ein,  auf  die  Sportart  zurückzuführender  Effekt  ist  anhand dieses Analysemodells ausschließlich für die Subskala Ausdauer zu beobachten. Hier ist bereits auf deskriptiver Ebene von allen motorischen Dimensionen der deutlichste Unterschied zwischen den  Vergleichsgruppen  erkennbar,  welcher  sich  in  einer  signifikant  verringerten  Selbstbeurteilung  der  Athletinnen  aus  den Wurfdisziplinen  äußerte.  Auch  auf  die  Selbsteinschätzung  der Ausdauerleistungsfähigkeit  nimmt  der  BMI  signifikanten  Einfluss.  Dieser  fällt  im  Vergleich  zum  Gruppenunterschied  jedoch schwächer aus. Ein signifikanter Einfluss des Alters ist lediglich auf die Werte der Subskala Allgemeine Sportlichkeit zu beobachten. Die Variablen korrelieren hierbei moderat negativ miteinander (r =-0,542; p=0,001).

DISKUSSION

Der  Vergleich  der  anthropometrischen  Merkmale  im  Rahmen der  vorliegenden  Untersuchung  unterstützt  die  Annahme,  dass die  befragten  Athletinnen  aus  Wurf-  und  Laufdiziplinen  deutliche  Unterschiede  in  der  Konstitution  aufweisen.  Dass  die  Differenzen hierbei weniger markant ausfallen als bei dem eingangs dokumentierten Vergleich der Daten internationaler Spitzenathletinnen, dürfte auf das insgesamt geringere Leistungsniveau der hier vorliegenden Stichprobe zurückzuführen sein.
Da  eine  direkte  Erfassung  des  Körperfettanteils  aus  untersuchungsorganisatorischen  Gründen  nicht  möglich  war,  wurde die Beurteilung des Körpergewichtsstatus im Rahmen der vorliegenden Studie anhand des BMI vorgenommen. Insbesondere bei sportlich aktiven Personen korreliert der BMI jedoch in vergleichsweise  geringem  Maße  mit  dem  Körperfettanteil  und  lässt  daher nur  eingeschränkte  Rückschlüsse  auf  die  Körperzusammensetzung zu (15).
Dennoch  existieren  Hinweise  darauf,  dass  die  Erhöhung  der Gesamtkörpermasse bei Sportlerinnen aus kraftbetonten Sportarten nicht ausschließlich auf muskuläre Hypertrophie sondern auch auf einen erhöhten Körperfettanteil zurückzuführen ist. Beispielsweise zeigen die von Boileau und Horswill (4) berichteten Daten, dass jugendliche Werferinnen im Vergleich zu gleichaltrigen Athletinnen aus den leichtathletischen Lauf-, Sprint- und Sprungdisziplinen nicht nur eine erhöhte fettfreie Muskelmasse, sondern auch einen höheren Körperfettanteil aufweisen.
Die Frage, ob der vergleichsweise hohe BMI der hier befragten Werferinnen  vorrangig  durch  eine  Erhöhung  des  Muskel-  oder Fettmasseanteils  begründet  ist,  erscheint  für  die  Beantwortung der  Untersuchungsfragestellungen  jedoch  ohnehin  von  eher  sekundärer Bedeutung. Viel wesentlicher ist, dass sowohl ein muskulär, als auch adipös erhöhter BMI im Sinne einer Abweichung vom kulturell konstituierten geschlechtsspezifischen Körperideal interpretiert werden kann (10), welcher zumindest potenziell die Gefahr für Unzufriedenheit mit der eigenen körperlichen Erscheinung birgt.
Eine solche lässt sich für die hier untersuchte Stichprobe jedoch nur partiell bestätigen. So ist, wie kürzlich auch von Schneider et al. (16) bei Eiskunstläuferinnen und Sportgymnastinnen festgestellt, mit zunehmendem BMI eine deutliche Abnahme der Figurzufriedenheit zu beobachten. Wenngleich sich dieser Effekt statistisch nicht unmittelbar auf die ausgeübte Sportart zurückführen lässt, ist in Anbetracht der deutlichen BMI-Differenzen zwischen den Disziplinen in Übereinstimmung mit Kleindienst-Cachay und Kunzendorf (11) davon auszugehen, dass eine negative Selbstbeurteilungstendenz in Bezug auf Körperbaumerkmale vorrangig bei den Werferinnen vorliegt. Jedoch beurteilen sich die Werferinnen hinsichtlich  ihrer  gesamten  körperlichen  Erscheinung,  welche über die Körperkonstitution und -zusammensetzung hinaus weitere  –  beispielsweise  Gesicht,  Haare  oder  Haut  betreffend  –  Attraktivitätsmerkmale  beinhaltet,  keineswegs  weniger  positiv  als die Läuferinnen. Die Annahme, dass die Ausübung kraftbetonter Sportarten  bei  Frauen  aufgrund  trainingsbedingter  körperlicher Veränderungen zu einer generellen Beeinträchtigung der Körperselbstakzeptanz beiträgt, findet durch die ermittelten Ergebnisse somit  keine  Unterstützung.  Wie  bereits  Kleindienst-Cachay  und Kunzendorf (11) berichten, scheint die Diskrepanz zwischen den gesellschaftlichen  Erwartungen  an  den  weiblichen  Körper  und dem konditionellen Anforderungsprofil der Sportart nicht von allen Werferinnen gleichermaßen als Konflikt erlebt zu werden.
Auch  auf  den  übergeordneten  Ebenen  des  physischen  und globalen  Selbstwerts  lassen  sich  weder  in  Abhängigkeit  von  der Disziplin  noch  in  Abhängigkeit  vom  BMI  negative  Selbstbeurteilungstendenzen  feststellen.  Die  mit  zunehmendem  Körpergewichtsstatus  stärker  ausgeprägte  Figurunzufriedenheit  geht  bei den befragten Sportlerinnen demnach mit keiner Beeinträchtigung des physischen oder globalen Selbstwerts einher. Dies ist dahingehend bemerkenswert, als dass der Selbstakzeptanz von Figur und körperlicher Erscheinung in der Literatur insbesondere bei jungen Frauen ein starker Einfluss auf den allgemeinen Selbstwert beigemessen wird (19, 26).
Andererseits berichten Saint-Phard et al. (16), dass das Selbstwertgefühl von Leistungssportlerinnen im Vergleich zu nicht sportlich aktiven Frauen in hohem Maße durch die sportliche Selbsteinschätzung determiniert ist. Da letztere zwischen den Disziplinen nur unwesentlich differiert, kann sie als mögliche Erklärung für die vergleichbar  hohen  Selbstwerte  in  Betracht  gezogen  werden.  Zu deren  Absicherung  wären  jedoch  Vergleichsstichproben  mit  vergleichbarer Altersverteilung erforderlich, um den ermittelten Einfluss des Alters auf die Einschätzung der sportlichen Fähigkeiten konstant zu halten. Stehen wie in der vorliegenden Studie lediglich ad-hoc-Stichproben zur Verfügung, erscheint hierzu ein Vergleich von Stichproben größeren Umfangs sinnvoll.
Inwiefern  die  Teilnahme  am  organisierten  Leistungs-  und Wettkampfsport  bei  den  befragten  Werferinnen  eine  Selbstwert schützende  Funktion  im  Sinne  eines  Sozialisationseffekts  beinhaltet (13, 19), kann anhand der vorliegenden Daten jedoch nicht geklärt werden. Hierzu wären Vergleiche der erfassten Selbstkonzeptdimensionen  mit  zusätzlichen  Stichproben  (z.B.  Leistungssportlerinnen  aus  weiteren  Disziplinen,  Freizeitsportlerinnen, Nicht-Sportlerinnen)  aufschlussreich.  Unter  Annahme  einer  hohen  Selbstwertrelevanz  der  Körperzufriedenheit  ist  in  diesem Kontext  in  Betracht  zu  ziehen,  dass  insbesondere  Mädchen  und junge  Frauen  mit  Übergewicht  von  der  Teilnahme  an  kraftbetonten  Sportarten  profitieren.  Denkbar  erscheint  jedoch  ebenso, dass über das Wirken selektierender Mechanismen insbesondere diejenigen jungen Frauen einen Zugang zu den leichtathletischen Wurfdisziplinen erlangen, welche über die entsprechenden konstitutionellen Merkmale hinaus über ein positives Selbstkonzept verfügen. In diesem Zusammenhang stellt sich zudem die Frage, ob feminine bzw. maskuline Typisierungen als moderierende Größen in diesem Wirkungsgefüge fungieren (23). Zum Nachweis der skizzierten Wirkungsrichtungen sind möglichst frühzeitig beginnende längsschnittliche  Untersuchungen  von  Athletinnen  ausgewählter Disziplinen  unter  Berücksichtigung  der  Geschlechtsrollenorientierung erforderlich.

Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine.

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Korrespondenzadresse:
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