Osteochondrale Läsionen am Sprunggelenk - ein Review für Sportärzte
Osteochondral Lesions at the Ankle– A Review for Sports Physicians
ZUSAMMENFASSUNG
Osteochondrale Läsionen (OCL) des Talus finden sich bei genauer Abklärung häufig bei chronischen Sprunggelenksbeschwerden und betreffen junge, sportlich aktive Patienten. Die Pathologie umfasst 2 Gelenkstrukturen in variablem Ausmaß: Die arthroskopisch sichtbaren Knorpelschäden entsprechen meist einem darunterliegenden Knochenareal, welches zystisch verändert und sklerosiert ist. Als ursächlich wird das Zusammenspiel von 4 Faktoren angesehen. Diese beinhalten das akute Trauma, chronische ligamentäre Instabilität, Malalignement und Hypovaskularität. Eine umfassende Diagnostik, welche klinische Untersuchung, mehrstufige nicht-invasive Bildgebung und diagnostische Arthroskopie umfasst, erlaubt die Wahl einer an die individuelle Situation angepasste Therapiestrategie. Konservative Therapieversuche mit Analgetika, Physiotherapie und Sportkarenz sind auf lange Sicht wenig erfolgversprechend. Die chirurgische Therapie stellt bei allen weiter vorangeschrittenen und größeren OCLs den Goldstandard dar. Sie erfolgt phasenadaptiert und kann Rekonstruktion von Knorpel und/oder Knochen miteinbeziehen. Verschiedene neuere Verfahren versuchen Chondrozyten zu transplantieren oder die Chondrozytogenese vor Ort anzuregen. Die Therapiestrategie muss zwingend auch die OCL-begleitenden/verursachenden Faktoren, wie Malalignement und Gelenksinstabilität beheben, um Rezidive der OCL zu verhindern. Am häufigsten beinhaltet dies die Therapie der ligamentären Insuffizienz und die Korrektur einer Rückfußfehlstellung. In der Literatur finden sich zunehmend erfolgversprechende Kurzzeitresultate. Die langfristige Erfolgsrate der modernen Therapieansätze ist aber noch offen.
Schlüsselwörter: Osteochondrale Läsion, Talus, oberes Sprunggelenk, Ätiologie, Behandlung.
SUMMARY
Osteochondral lesions (OCL) of the talus are a frequently found injury when a young, physically active patient complains about chronic ankle pain. The injury affects bony and cartilagenous joint structures to a variable extent. The arthroscopically visible cartilage defects are usually associated with cystic and sclerotic alterations of the adjacent subchondral bone. The variable interaction of 4 factors is considered to be the cause of developing OCL. This includes acute trauma, chronic ligamentous instability, malalignement and hypovascularity. A comprehensive analysis, which is comprised of a clinical examination, multi-stage non-invasive imaging and diagnostic arthroscopy, enables the physician to choose a patientspecific therapeutic strategy. Conservative treatment with analgetic agents, physical therapy and rest from sports activities has not been a successful long-term strategy for treating OCL. Therefore, surgical treatment is the gold standard for all larger OCLs. Surgery reconstructs and corrects the affected cartilage regions as well as the underlying bone alterations in a stage-dependent fashion. Various new treatment procedures aim at transplanting chondrocytes or at stimulating local chondrocytogenesis. Every treatment strategy needs to address concomitant as well as causative factors associated with the OCL to avoid recurrence of the lesion. Most often, this includes repair of ligamentous instability and correction of hindfoot malalignement. In the literature, an increasing number of promising short-term successful results can be found. However, the long-term success rate of many modern therapeutic strategies is yet unknown.
Key words: Osteochondral lesion, talus, ankle, etiology, treatment.
EINLEITUNG UND DEFINITION
Fokale Verletzungen des Gelenkknorpels und seines, über die Grenzlamelle verbundenen, darunter liegenden subchondralen Knochens, wurden bereits 1888 in der deutschen Zeitschrift für Chirurgie beschrieben und als Osteochondritis dissecans bezeichnet (26). Bis heute hat jedoch keine wissenschaftliche Arbeit die entzündliche Komponente (-itis) im Krankheitsprozess belegen können. Andere, zum Teil nur auf einzelne Formen der Erkrankung/Verletzung zutreffende Bezeichnungen in der Vergangenheit waren der „freie Gelenkkörper“ und die „ischämische Nekrose“ des subchondralen Knochens mit Beteiligung des darüberliegenden Knorpels. Aus heutiger Sicht korrekter, neutraler und umfassender ist die Bezeichnung der „osteochondralen Läsion“ (OCL). Nicht alle Gelenke und nicht alle Gelenkflächen sind gleich häufig von OCL betroffen. Insgesamt ist das OSG mit rund 4% aller osteochondraler Läsionen nach Knie- und Ellenbogengelenk das am dritthäufigsten betroffene Gelenk (37). Die OCL der distalen Tibia stellt ein seltenes Problem dar, während die OCL des Talus, eine bei genauer Abklärung, häufig gefundene Pathologie bei jungen, sportlich aktiven Patienten ist (34). Der vorliegende Artikel konzentriert sich deshalb auf die OCL des Talus.
EPIDEMIOLOGIE
Akute Distorsionen des oberen OSGs gelten als häufigste Sportverletzung überhaupt (21). Es wird geschätzt, dass 6,5% der Distorsionen mit einer akuten osteochondralen Läsion am Talus einhergehen (46). Gut fundierte epidemiologische Studien in diesem Bereich existieren allerdings nicht. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffer undiagnostizierter, unbehandelter oder falsch behandelter OCL beträchtlich ist. Möglicherweise heilt ein Teil dieser akuten osteochondralen Läsionen unbemerkt ab und nur diejenigen persistieren, bei welchen eine pathobiomechanische Gelenkssituation besteht. Besonders groß dürfte die Gefahr einer Verletzung mit OCL bei Sportarten mit hoher Stoßbelastung auf das Sprunggelenk z.B. „Stop&Go“-Sportarten sein (z.B. Fussball, Basketball, Karate) oder bei Sportarten, welche auf unebenem Terrain durchgeführt werden (Orientierungslauf, Crosslauf). Aufgrund des jungen Durchschnittsalter der Patienten (26,9 Jahre gemäss einer Metaanalyse (47)) hat die Verletzung eine hohe sozio-ökonomische Bedeutung.
PATHOMECHANISMEN UND BIOMECHANIK
OCL lokalisieren sich am Talus überwiegend auf die mediale und laterale Taluskante (Abb. 1). In rund 42% der Fälle befindet sich die OCL an der anterolateralen Talusschulter und ist zu 98% traumatisch bedingt durch eine akute osteochondraler Fraktur (6, 7, 11). Demgegenüber sind die posteromedialen OCL (58% der Fälle) zwar auch mehrheitlich traumatisch bedingt (64- 70%) (6, 7, 11), haben aber oft einen Zusammenhang mit fokaler Überbelastung im Rahmen eines Pes planovalgus und einer chronischen OSG-Instabilität. In bis zu 10% der Fälle können OCL auch bilateral vorkommen (19) (Abb. 1).
Funktionell werden vier Hauptfaktoren diskutiert, die einen Einfluss auf die Entstehung einer osteochondralen Läsion haben können: das akute Trauma, chronische ligamentäre OSG-Instabilitäten (20), Rückfuß-Malalignement (35) und Hypovaskularität (22). Daneben wird ein Einfluß genetischer, metabolischer und endokrinologischer Faktoren postuliert (34).
Es scheint, dass zumindest ein Teil der Läsionen ihren Ursprung in einer osteochondralen Abscherfraktur im Rahmen einer Distorsion haben (2). Verhagen et al. gehen davon aus, dass 6,5% aller akuter Distorsionen mit einem chondralen oder osteochondralen Schaden einhergen (46). Der Unfallmechanismus entscheidet über die Lokalisation der OCL (2).
Die Distorsion kann nicht nur für die direkte osteochondrale Läsion verantwortlich sein. 10- 40% aller akuten Distorsionen führen zu einer chronischen ligamentären Instabilität. Dies führt zu einer Überlastung des Knorpels und zu Scherkräften im Gelenk, was lokale Defekte verursachen oder die Abheilung einer osteochondralen Fraktur verhindern kann. Hintermann et al. (20) fanden arthroskopisch bei Patienten mit einer chronischen Band instabilität in 66- 98% der Fälle fokale Knorpeldegenerationen, insbesondere bei medialer Instabilität.
So können akut oder chronisch kleine Läsionen im Knorpel und in der Grenzlamelle entstehen. Dadurch kann Synovialflüssigkeit durch repetitiven Druck bei jedem Schritt in den subchondralen Knochen hineingepumpt werden und subchondrale Zysten können sich ausbilden und in die Tiefe vergrößern (15, 43).
Die Unterbrechung des glatten Knorpelüberzugs und der subchondralen Knochenlamelle führt zu einer Destabilisierung des oberen Sprunggelenks, welches eine hohe intrinsische Stabilität aufweist. Dies kann zum Fortschreiten der Degeneration führen. So konnten Valderrabano et al. zeigen, dass die ligamentäre Instabilität alleine bereits für die Entstehung einer OSG-Arthrose (42) ausreicht.
Ein Malalignement, insbesondere eine Varus- oder Valgusachsenfehlstellung, führt ebenfalls zu einer pathobiomechanischen Belastung des OSG (35). Inwieweit dies zur Entstehung einer OCL beiträgt, ist unklar. Das Wiederherstellen des Gelenkalignements oder das aktive Entlasten der OCL kann jedoch wesentlich zur Abheilung, respektive zur Verlangsamung der Gelenksdegeneration beitragen (30, 35).
Zum Einfluss der Vaskulärität auf die OCL ist wenig bekannt. Eine einzige Studie zeigte in einem Tiermodell, dass bei besserer lokaler Durchblutung, die Reparaturmechanismen um bis zu 50% schneller und grösser sind. Zudem wird eine Verwandtschaft der OCL mit avaskulären Knochennekrosen postuliert (22), welche sich vor allem bei Jugendlichen finden.
Die Schmerzursache der OCL ist nicht abschließend geklärt (45). Eigene Untersuchungen mittels SPECT-CT zeigten, dass ein Hauptteil der Schmerzen aus der OCL selber stammen muss, wobei hier nur der Knochen, jedoch nicht der nicht innervierte Knorpel, als Ursache in Frage kommen kann (27). Gelenkkapsel, Ligamente, Sehnen und Muskulatur können an der Schmerzgenese jedoch mitbeteiligt sein.
Der natürliche Verlauf und die spontanen Heilungschancen einer OCL sind weitgehend unbekannt. Während einige Langzeitstudien ein Fortschreiten zu einer das gesamte Gelenk betreffenden Arthrose beschreiben, konnten andere dies nicht zeigen.
DIAGNOSTIK
Die Diagnostik bei osteochondralen Läsionen am Talus verläuft dreistufig. Die genaue Anamnese und orthopädische Untersuchung stehen am Anfang. Der Krankheitsverlauf der Patienten ist typischerweise monate- bis jahrelang. Sie klagen über diffuse, zum Teil belastungsabhängige Beschwerden am OSG oft ohne fokale Druckdolenz. Intermittierende Gelenksschwellung, Instabilitätsgefühl sowie gelegentliche Gelenkblockaden können vorkommen. Manchmal berichten die Patienten über ein vorangehendes, auslösendes Trauma. Die klinische Untersuchung ist meist wenig ergiebig und sollte sich darauf konzentrieren, Differentialdiagnosen auszuschliessen und OCL-fördernde Faktoren, wie Achsenfehlstellungen und Sprunggelenksinstabilitäten zu erkennen.
Diagnoseführend ist die nicht-invasive Bildgebung. Diese umfasst ein konventionelles Röntgen des OSG im Stehen, in zwei Ebenen, welches Hinweise, jedoch weder den direkten Beweis noch den sicheren Ausschluss einer OCL, liefern kann. Am konventionellen Röntgenbild können dafür das tibiotalare Containment und das Rückfuß-Alignement beurteilt werden. Die kontrastmittelgestützte oder native MRI-Untersuchung stellt den nicht-invasiven Goldstandard in der OCL-Diagnostik dar. Sie zeigt eine exzellente Sensitivität und Spezivität für OCL. Knorpelqualität, Bone-Bruise (Knochemarksödem) sowie die gelenkumgebenden Weichteile (Ligamente, Sehnen, etc.) können gut beurteilt werden. Der Nachteil liegt darin, dass durch das begleitende Knochenödem die Läsion im MRI häufig überschätzt wird. Verhagen et al. konnte zeigen, dass das (Arthro)-CT im Vergleich zum MRI nicht unterlegen ist (46). Das SPECT-CT, ein Hybridverfahren aus Knochenszintigraphie und CT-Untersuchung, liefert neben morphologisch genauen Angaben durch die exakte lokoanatomische Auflösung der szintigraphischen Aktivität auch Daten über die Biologie einer Läsion.
Den Goldstandard in der Diagnostik auf invasiver Ebene stellt die Arthroskopie dar (2, 38). So kann das Ausmaß der Läsion korrekt erfasst und die Stabilität und Integrität der OCL geprüft werden sowie Co-Faktoren wie Sprunggelenksinstabilität direkt beurteilt werden. Neue Entwicklungen gehen momentan in Richtung intraoperative biomechanische und metabolische Prüfung des Knorpels zur Beurteilung seiner Vitalität (17, 18, 41). Abbildung 2 zeigt exemplarisch die diagnostische Aufarbeitung eines Falles.
Mehrere Klassifikationsschemata werden in der Literatur verwendet, welche jeweils 4 bis 5 Schweregrade unterscheiden. Die Schemata differieren vor allem in der Einordnung von Knochenzysten (10). Da der natürliche Verlauf weitgehend unbekannt ist, sind dies rein deskriptive Einteilungen und haben nur einen bedingten Einfluss auf die Therapiewahl. Am besten etabliert ist das Klassifikationsschema nach Berndt und Harty. Es beschreibt 4 Stadien, wobei Stadium 1 einer subchondralen Fraktur, Stadium 2 einer partiellen Loslösung der Läsion, Stadium 3 einer vollständig abgelösten, jedoch undislozierten Läsion und Stadium 4 einem dislozierten osteochondralen Fragment, entspricht (6).
BEHANDLUNGSSTRATEGIEN
Die Evidenz der Behandlung von OCL am Talus ist sehr klein, da zumeist nur über kleine Kohorten und ohne Vergleichsgruppen berichtet wird. Da sich die morphologische und biomechanische Situation am Talus in mehreren Punkten (z.B. Knorpeldicke, biochemische Zusammensetzung, Widerstandsfähigkeit) von derjenigen am Kniegelenk unterscheidet, sind die Therapiekonzepte des Kniegelenks nicht 1:1 auf den Talus übertragbar (9, 32).
Konservative Behandlungsmöglichkeiten
Die konservativen Therapiemöglichkeiten sind beschränkt. Sportkarenz und Ruhigstellung bewirken eine Verminderung der Schmerzsymptomatik, ihren Effekt bezüglich der Langzeitprognose einer OCL ist aber nicht erforscht. Physiotherapie kann helfen Co-Faktoren wie eine Sprunggelenksinstabilität positiv zu beeinflussen. Nichtsteroidale Analgetika lindern die Schmerzen, ändern aber den Verlauf der OCL nicht. In letzter Zeit wurde vor allem die orale und intraartikuläre Viskosupplementation viel diskutiert. Insbesondere die intraartikuläre Applikation von Hyaluronsäure mit dem Ziel der Verbesserung der rheologischen und metabolischen Eigenschaften der Synovialflüssigkeit hat bei Früharthrose einen über die Applikationsdauer hinausreichenden positiven Effekt auf die Schmerzsymptomatik zeigen können (31, 50); Daten zur Anwendung bei OCL liegen jedoch bislang keine vor. Der Langzeiteffekt auf die Gelenkpathologie ist unzureichend erforscht. Konservative Therapieversuche sollten auf die OCL-Stadien I und II nach Berndt und Harty und auf jugendliche und sehr junge Patienten beschränkt bleiben, bei denen ein noch höheres Regenerationspotential vermutet werden kann (43).
Operative Behandlungsmöglichkeiten
Das biologische Problem bei der Ausheilung einer OCL liegt in der Tatsache, dass der adulte Gelenkknorpel ein äusserst geringes Potential zur spontanen Heilung von Defekten zeigt. Die in die Knorpelmatrix eingebetteten Chondrozyten weisen keine mitotische Aktivität mehr auf. Differenzierungsfähige Stammzellen fehlen im adulten Knorpel.
Um diesem Problem zu begegnen, wurde eine Vielzahl von Therapieoptionen entwickelt (Tab. 1). Grundsätzlich kann zwischen Therapien unterschieden werden, welche den Knochen, beziehungsweise den Gelenkknorpel adressieren sowie kombinierte Therapien, welche Knorpel und Knochen angehen. Die Therapie soll zudem die verschiedenen Pathomechanismen miteinbeziehen, um eine physiologische Gelenkssituation zu schaffen und ein Ausheilen der Läsion zu ermöglichen. Faktoren, wie die Größe der Läsion, die Gradierung der OCL (insbesondere die ossäre Beteiligung) und das Alter des Patienten beeinflussen die Wahl der Therapie entscheidend (8, 13, 43) (Tab. 2).
Ein OSG-spezifisches Problem stellt der operative Zugang dar. Aufgrund der gabelartigen Konfiguration von Tibia und Fibula kann insbesondere für weit posterior an der medialen Talusschulter gelegene Läsionen eine Osteotomie des medialen Malleolus nötig werden (39).
Für sämtliche aktuell verfügbaren operativen Therapieoptionen gilt, dass die Langzeitergebnisse unklar sind. Es scheint, dass Studien mit längerem Follow-up tendenziell schlechtere Ergebnisse liefern, als solche mit kurzer Nachbeobachtungszeit (23). Dies könnte darauf hindeuten, dass es trotz Therapie zu einem Fortschreiten der Gelenksdegeneration kommen kann.
Refixation akuter OCL
Im Falle einer akuten osteochondralen Fraktur des Talus kann das abgescherte Fragment häufig mit subchondral versenkten Schrauben oder bioabsorbierbaren Pins refixiert werden. Mehrere Studien haben damit gute Ergebnisse erzielt (43).
Retrograde Anbohrung & Spongiosaplastik
Subchondrale Läsionen mit intakter vitaler Knorpelschicht können retrograd an-/ausgebohrt und mit frischer Spongiosa aufgefüllt werden. Dieser Eingriff kann arthroskopisch oder fluoroskopisch gesteuert durchgeführt werden und hat den Vorteil, das OSG nicht zu tangieren. In unserem Hause führen wir dies mit einem CT gesteuerten Roboter durch, womit die Anbohrung sehr präzise durchgeführt werden kann (48).
Debridement, Curetage und Microfrakturierung
Debridement und Curetage können in der Regel arthroskopisch erfolgen. Dabei werden nekrotische Gewebsanteile entfernt und das Mausbett auscuretiert. In der Literatur werden Erfolgszahlen von 0- 100% berichtet (46). Das Verfahren eignet sich vor allem für kleinere Läsionen, welche wenig subchondrale Sklerosierung zeigen.
Das Funktionsprinzip der seit vielen Jahren angewendeten Microfrakturierung beruht auf der Freisetzung von pluripotenten Stammzellen aus dem Knochenmark durch Perforation der subchondralen Knochenlamelle (40). Diese Stammzellen haben unter anderem die Fähigkeit zur Differenzierung in Chondrozyten und den Aufbau eines reparativen Faserknorpels. Am Knie (25) wie auch am OSG (14) zeigt die Microfrakturierung klinisch vergleichbare Ergebnisse zu komplexeren Rekonstruktionsverfahren und auch in Langzeitstudien scheint das Verfahren gute Ergebnisse zu bringen (16). Diese Technik wird allerdings nur bis zu einer Defektgrösse von 1,5cm (2) empfohlen, da der Faserknorpel biomechanisch schlechtere Eigenschaften hat und dadurch der gesunde Restknorpel überlastet werden kann (4, 34).
Mosaikplastik / OATS
Bei diesem Eingriff werden osteochondrale Zylinder aus unbelasteten Arealen des Kniegelenks entnommen und in den Talus eingesetzt. Kurzfristig führt dies zu exzellenten Resultaten (15). Langfristig konnte an unserer Klinik jedoch eine hohe Rekurrenz zystischer Läsionen und fortschreitende Knorpeldegeneration gezeigt werden (44). Unterschiedliche biomechanische und strukturelle Eigenschaften des Knorpels am OSG und Kniegelenk machen die exakte Rekonstruktion der Gelenkoberfläche zudem schwierig (29). In Tierstudien konnte gezeigt werden, dass der Knorpel keine Seit-zu-Seit-Einheilung mit dem gesunden Knorpel zeigt. Dazu ist die Entnahmemorbidität am Kniegelenk nicht zu vernachlässigen (36).
Autologe Chondrozyten Implantation (ACI) und Matrix-assozierte autologe Chondrozyten Implantation (MACI)
Die autologe Knorpelzelltransplantation basiert auf Techniken des Tissue Engineering. In einem ersten Schritt werden Knorpelzellen zumeist aus dem Kniegelenk gewonnen. Diese werden dann für 2- 4 Wochen in Kultur vermehrt. Danach werden diese Zellen in einer zweiten Operation in den Defekt eingebracht. In der ursprünglichen Technik (ACI) wird das Zellsubstrat unter einen Periostdeckel appliziert, in der zweiten Generation zwei- oder dreidimensional auf ein Gerüst von extracellulären Substraten (Scaffold) gesät (MACI). Diese Technik hat am Knie exzellente Resultate gezeigt. Am Talus gibt es bislang nur wenige Studien, welche über sehr gute Resultate berichten (3, 12). Die Tatsache, dass ACI und MACI für die korrekte Therapie eine intakte Grenzlamelle erfordern, führt dazu, dass sie am Talus nur selten eingesetzt werden können.
Autologe Matrix-induzierte Chondrozytogenese (AMIC)
Die AMIC (autologous matrix induced chondrocytogenesis) stellt eine Kombination von Membrantechnologie und Microfracturing dar (5). Dabei wird der zerstörte Knorpel im Defekt abgetragen, der sklerosierte Knochen ausgeräumt bzw. angebohrt, Zysten debridiert und gegebenenfalls mit Spongiosa aufgefüllt. Eine Kollagen-I/III-membran wird mit Fibrinkleber fixiert. Die Membran besteht aus einem Bilayer, welcher eine dichte, abschliessende Oberfläche zum gelenkseitigen Abschluss und eine zweite darunterliegende mesh-artige Schicht aufweist. Dadurch können im Unterschied zur konventionellen Mikrofrakturierung die pluripotenten Stammzellen des Bluts durch die Abdeckung im Defekt gehalten werden und sich im Mesh ansiedeln um zu Faserknorpel auszudifferenzieren (5). Im Gegensatz zu den autologen Chondrozytentransplantationsverfahren (ACI, MACI) ist die AMIC ein einzeitiger Eingriff, welcher es ermöglicht Knochen und Knorpel zu rekonstruieren. Erste Ergebnisse sind vielversprechend (49) (Abb. 3).
Transplantation von Allografts
Bei dieser Technik werden frische oder gefrorene osteochondrale Transplantate von Leichen nach Aufbereitung in den Defekt eingebracht. Die Prozedur wird in der Literatur immer wieder dargestellt (24, 34), und wird vor allem in Nordamerika bei sehr ausgedehnten Defekten angewendet.
THERAPIE VON OCL DER DISTALEN TIBIA
Aufgrund der Seltenheit von OCL an der distalen Tibia (2,6% aller OSG-Arthroskopien in einer grossen konsekutiven Serie (33)) gibt es in der Literatur nur wenige Studien über ihre Behandlung. Im Kern gelten die gleichen Behandlungsgrundsätze wie am Talus. Curretage/Microfracturing, osteochondrale Transplantation und Verwendung eines Allograft wurden in der Literaturbeschrieben (34).
THERAPIE VON CO-FAKTOREN
Neben der OCL-fokussierten Therapie müssen auch die aetiologischen Co-faktoren angegangen werden. So sollen in der gleichen Operation Achsabweichungen mit einer supra- und oder einer inframalleolären Osteotomie (z.B. varisierende oder valgisierende Calcaneusosteotomie) ausgeglichen werden. Bei begleitender chronischer Sprunggelenksinstabilität müssen unbedingt auch sämtliche betroffenen Bänder rekonstruiert werden um ein Ausheilen der OCL erst zu ermöglichen.
ZUKUNFTSVISIONEN
In kurz- bis mittelfristiger Zukunft werden bedeutende Verbesserungen in Diagnostik und Therapie der OCL erwartet. Auf diagnostischer Seite wird an Verfahren zur besseren Knorpeldarstellung, welche auch biologische/metabolische Faktoren abbildet, gearbeitet. Auf chirurgischer Seite werden aktuelle Therapieoptionen verfeinert werden, zum Beispiel die Argumentation von Chondrozytentransplantaten mit plateletrich Plasma und die zunehmende Anwendung roboter- und computergestützter Verfahren, welche am relativ schwer zugänglichen OSG zu befürworten sind (34). Noch unklar ist die Bedeutung elektrischer und elektromagnetischer Stimulation sowie Ultraschallanwendung, um die Heilung nach operativer Sanierung zu verbessern oder der Einsatz im Rahmen eines konservativen Therapieversuchs.
Sämtliche aktuell verfügbaren Therapien zielen allerdings lediglich auf die Entstehung eines faserigen Regeneratknorpels ab, der biomechanisch dem hyalinen Knorpel nicht gleichwertig ist. Die Grundlagenforschung arbeitet darauf hin, osteochondrale Konstrukte mit optimierter Zelldifferenzierung und biomechanischen Eigenschaften zu züchten.
ZUSAMMENFASSUNG
Die OCL des Talus bleibt eine orthopädische Herausforderung. Der Schlüssel zum Erfolg sind eine komplette, multimodale Diagnostik und eine individuell an den Patienten adaptierte Therapie. Weitere Studien von hohem Evidenzlevel sowohl zum Pathomechanismus und Diagnostik der OCL wie auch zum Ergebnis der therapeutischen Optionen sind unbedingt nötig, um den Patienten eine fundierte und bestmögliche Therapie anbieten zu können. Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine.
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Prof. Dr. Dr. Victor Valderrabano
Orthopädische Universitätsklinik
Universitätsspital Basel
Spitalstrasse 21
4031 Basel
Schweiz
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