Effekte eines individuell angepassten Sportmundschutzes auf
die funktionelle Wirbelsäulenstellung beim Feldhockey
Effects of an Individually-Fitted Mouthguard on
Functional Posture of the Spinal Column in Field Hockey
ZUSAMMENFASSUNG
Problemstellung: Der Sportmundschutz wird primär als eine präventive Maßnahme angesehen, um die Zähne vor traumatischen Fremdeinwirkungen zu schützen. Auswirkungen auf die Körperhaltung sind bisher noch nicht ausreichend erforscht. Daher wird im vorliegenden Beitrag auf die Frage eingegangen, ob sich das Tragen eines Sportmundschutzes beim Feldhockey auf die funktionelle Wirbelsäulenstellung auswirkt. Es erfolgt ein Vergleich zwischen der neutralen Bissposition ohne Mundschutz, dem eigenen Mundschutz und einem individuell hergestellten Mundschutz. Methoden: Vermessen wurden hierfür die funktionelle Wirbelsäulenstellung unter diesen drei Messbedingungen bei 12 Hockeyspielerinnen einer Mannschaft der 1. Bundesliga. Zum Einsatz kommt hierfür der sonoSens®Monitor, der durch fortlaufende Ultraschallübertragung zwischen den Sensoren die Körperhaltung erfasst. Ergebnisse: Die Datenauswertung der Flexion, Extension, Lateralflexion und Torsion der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule (HWS, BWS, LWS) zeigt funktionelle Veränderungen, die durch das Tragen des Mundschutzes hervorgerufen werden, insbesondere im BWS-Bereich. Dies ist sowohl bei grundlegenden Bewegungen wie Stehen oder Laufen zu erkennen als auch bei hockeyspezifischen Bewegungsabfolgen wie der Ausgangsstellung, dem Dribbeln und dem Führen. Es kommt zu einer Aufrichtung und Derotation der Oberkörperhaltung gegenüber der neutralen Ausgangsposition. Diskussion: Der Mundschutz hat nicht nur eine verletzungsprophylaktische Funktion, sondern scheint bei individueller Anpassung des Kiefergelenks in zentrischer Position, in der Lage zu sein bei Feldhockeyspielerinnen die funktionelle Stellung der Wirbelsäule zu beeinflussen.
Schlüsselwörter: Körperhaltung, Mundschutz, Wirbelsäulenstellung, Kiefergelenksstellung, Feldhockey.
SUMMARY
Introduction: The mouthguard is mainly used as a preventive measure to protect teeth from traumatic events. Effects on posture have not been sufficiently analyzed so far. Therefore, this study evaluates the influences of mouthguards on functional posture during movements in field hockey players. We compared a control condition (wearing no mouthguard) with two experimental conditions (wearing a common mouthguard and wearing an individually-fittedmouth guard). Methods: Functional posture of the spinal column was measured in these three conditions. Twelve field hockey players of a First National League team participated in this study. Measurement device was the sonoSens®Monitor which is based on a continuous ultrasonic system. Results: Functional differences were observed while wearing a mouthguard during flexion, extension, lateralflexion and torsion mainly in thoracic spine. This can be seen in standing and walking as well as during hockey-specific movements. The mouthguard leads to erection and derotation of the body posture compared to the control condition. Discussion: The mouthguard has not only a protective function, it seems to be able to influence the functional posture of the spinal column of field hockey players, when it is individually fitted in centric jaw relation.
Key Words: Body posture, mouthguard, posture of the spinal column, temporomandibular joint position, field hockey.
EINLEITUNG
„Zahn-Doping“ - so titelte am 17.02.2011 das Internetportal der „Sportbild“ den Beitrag zum Einfluss einer speziell hergestellten Zahnschiene des deutschen Fußballnationaltorwarts. Sie verspricht mehr „Kraft, Beweglichkeit, Ausdauer und Flexibilität“, was in ersten bis dato unveröffentlichten, wissenschaftlichen Untersuchungen belegt sein soll (17). Zudem sollen weitere Leistungssportler verschiedener Sportarten diese Zahnschiene bereits tragen. Diese Meldung war darüber hinaus auf mehreren verschiedenen Internetseiten zu lesen und zeigt das aufkommende Interesse dieses Themas im Leistungssport.
Die Sportart Hockey weist ein hohes Verletzungsrisiko auf (2, 3, 9). Zum Schutz der Zähne tragen Feldspieler einen Mundschutz. Im Hinblick auf die Verletzungsprophylaxe der Zähne und des (orofazialen) Weichgewebes ist dieser unerlässlich. Mund-, Kiefer- und Gesichtsverletzungen machen im Schulsport 3,3% und Zahnverletzungen 2,3% aller Verletzungen aus. Von diesen 3,3% sind 15,4% der Verletzungen dem Hockeyspiel zuzuordnen. Hinsichtlich der Häufigkeit der Zahnverletzungen liegt die Verletzungsrate im Hockey mit 9,2% höher als bei allen anderen Ballsportarten (9). Aufgrund dieser Zahlen wird nachdrücklich das Tragen eines Mund- und Kopfschutzes als präventive Maßnahme empfohlen. (9) Schwenzer (15) beschreibt die sportbedingten Verletzungen der Gesichtsschädelknochen und der Gesichtsweichteile mit einer Morbidität von 13%. Zur Vermeidung von Unterkieferfrakturen und Kiefergelenksverletzungen wird ebenfalls ein Mundschutz eingesetzt, welcher die obere und untere Zahnreihe abdeckt (1).
Die Auswirkungen des Tragens eines Mundschutzes auf die funktionelle Wirbelsäulenstellung der Spieler sind bisher noch nicht untersucht. Mehrere Studien, die den Einfluss einer Zahnschiene auf die Körperhaltung untersucht haben, weisen einen Einfluss nach (5, 7, 8, 10, 11, 14, 16). Kopp (11) versorgte Probanden mit craniomandibulären Dysfunktionen (CMD) und Funktionsstörungen der Wirbelsäule mit Aufbissbehelfen (Schienen) und vermaß die Wirbelsäulenposition mit dem sonoSens®Monitor. Er stellte eine vorübergehende Destabilisierung der Wirbelsäule direkt nach Einsetzen der Schiene fest und nach sechswöchigem, permanenten Tragen eine Besserung der Stabilität.
Daher resultiert die Vermutung, dass auch unter dynamischen Belastungen Auswirkungen auf die Körperhaltung durch das Tragen des Mundschutzes möglich sind. Die Idee der folgenden Untersuchung basiert auf den Rückmeldungen verschiedener Hockeyspieler, die Beeinträchtigungen ihres Spielverhaltens durch das Tragen ihres Mundschutzes äußerten.
So ist es das übergeordnete Untersuchungsziel dieser Pilotstudie zu überprüfen, welche Beeinflussung von einem Mundschutz auf die funktionelle Wirbelsäulenstellung während statischer und dynamischer (hockeyspezifischer) Bewegungsabläufe ausgeht. Vermessen werden vorab definierte Bewegungsabfolgen zunächst ohne Mundschutz, dann mit dem eigenen Mundschutz der jeweiligen Spielerin und im Anschluss daran mit einem Mundschutz, der in der Poliklinik für Kieferorthopädie der Goethe-Universität Frankfurt/Main individuell angefertigt worden ist. Zum Einsatz kommt ein Messgerät, welches fortlaufend mittels Ultraschallübertragung (Sonographie) die Distanz zwischen den Sensoren registriert und somit die Körperhaltung ständig neu erfasst (sonoSens®Monitor, Gefremed, Chemnitz/Deutschland). Diese Untersuchung befasst sich mit den Fragestellungen, ob ein Mundschutz die funktionelle Wirbelsäulenstellung bzw. die Körperhaltung bei hockeyspezifischen und -unspezifischen Bewegungen beeinflusst und ob die Art der Herstellung des Mundschutzes (bisheriger Mundschutz der Spielerinnen oder der individuell angefertigte Mundschutz) -und somit auch implizit die Stellung des Kiefergelenks-Unterschiede hervorruft hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die funktionelle Wirbelsäulenhaltung.
MATERIAL UND METHODE
Probanden
An der Studie nahmen 12 Feldhockeyspielerinnen einer 1. Bundesligamannschaft teil. Zum Zeitpunkt der Messungen waren alle Spielerinnen zwischen 16 und 31 Jahren alt mit einer Spielerfahrung von 13- 28 Jahren. Das Trainingspensum umfasste drei bis fünf Einheiten in der Woche. Die Teilnehmerinnen gaben an, keine körperlichen Beschwerden zu haben oder sich zur Zeit der Untersuchung in medizinischer Behandlung zu befinden.
Jeder Spielerin gehörte bereits ein eigener Mundschutz, wobei die Mundschutze in verschiedenen Verfahren hergestellt worden waren. Einige Spielerinnen besaßen einen „boil&bite“ Mundschutz, andere wiederum einen, der vom Zahnarzt individuell angefertigt worden war. Somit liegt bei den eigenen Mundschutzen der Spielerinnen eine große Varianz der Herstellungsverfahren vor (Abb. 1).
Akute Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparates oder Kiefergelenksbeschwerden zählten als Ausschlusskriterium. Vorverletzungen sollten mindestens zwei Jahre zurückliegen.
Der individuell angepasste Mundschutz ist im Rahmen der Untersuchung für jede Probandin spezifisch angefertigt worden, wodurch eine Homogenität der Versuchsgruppe bezüglich dieser Messbedingung vorliegt. Für die dreidimensionale Zuordnung des Unterkiefers zum Oberkiefer wurde ein Biss in zentrischer Kondylenposition genommen, somit kann gewährleistet werden, dass alle Spielerinnen in der Zentrik zubeißen während sie den Mundschutz tragen (Abb. 2a, b).
Wirbelsäulenvermessung mit dem sonoSens® Monitor
Der sonoSens® Monitor der Firma Gefremed (Chemnitz, Deutschland) wird allgemein zur nichtinvasiven Vermessung der Wirbelsäulenstellung verwendet und arbeitet mit einer Ultraschallfrequenz von 250kHz und einer Messfrequenz von 10Hz (12 Kanäle). Von dem Messgerät laufen 8 Kabel zu 8 Ultraschallsensoren (Sender und Empfänger), die mit Klebepads auf der Haut appliziert werden. Ein Sensorpaar besteht aus einem Sender (L1/R1 und L3/R3) und einem Empfänger (L2/R2 und L4/R4), so dass sie jeweils einen Abschnitt der Wirbelsäule (HWS, BWS, LWS) erfassen. Durch Bewegung verändert sich der Abstand der Sensoren (gemessen in mm) zueinander sowie die Zeit, den der Ultraschall benötig. Laut Herstellerangaben müssen die Sensoren in einem Abstand von 5 cm beidseits der Wirbelsäule angebracht werden (Abb. 3).
Untersuchungsablauf
Nachdem die sonoSens®Sensoren appliziert worden sind, wurden zuerst zwei Kalibrierungsmessungen entsprechend der Herstellerangaben durchgeführt. Die erste Messung erfolgte 30 sec lang im aufrechten Stand und in der zweiten Messung wurde die maximale Beweglichkeit erfasst (Flexion/Extension, Lateralflexion [rechts/links] sowie Torsion [rechts/links]). Für die Aufzeichnung des maximalen Bewegungsradius des Oberkörpers wurde auf Höhe der Spina iliaca anterior superior das Becken der Probandinnen fixiert um ein Vorkippen zu verhindern. In der dritten Messung verharrten sie 30sec in einer hockeyspezifischen Ausgangsposition. Daraufhin folgten jeweils nacheinander drei Minuten Laufen, Führen und Dribbeln. Der ganze Messdurchlauf erfolgte dreimal: Der Erste ohne Mundschutz (oMS), der Zweite mit dem jeweils eigenen Mundschutz (kMS), der Dritte mit dem individuell hergestellten Mundschutz (iMS).
Nach erfolgter Messung wurden die Daten mittels der speziellen Software „sonoSens Analyzer“ (Version 3.2. Firma Gefremed, Chemnitz, Deutschland) aufbereitet und verarbeitet.
Statistische Auswertung
Als statistisches Testverfahren kommt der Friedman-Test zum Einsatz, um zu überprüfen, ob zwischen den Messbedingungen signifikante Unterschiede bestehen. Als post-hoc-Test wird der Wilcoxon-Matched-Pairs-Test eingesetzt. Die Entscheidung für den Friedman- und den Wilcoxon-Matched-Pairs-Test resultiert aus den Ergebnissen des Kolgmorov-Smirnov-Anpassungstests, welcher die Normalverteilung der Daten nicht bestätigt. Anschließend werden die Daten einer Bonferroni-Holm-Korrektur (α=5%) unterzogen. Beide Tests haben ein Signifikanzniveau von 5%.
Ergebnisse
Hinsichtlich des Vergleichs der beiden Körperseiten innerhalb des HWS-, BWS- und LWS-Segments sind keine Veränderungen beim Stehen, im Bewegungsausmaß, der Hockeyausgangsstellung und dem Laufen zu registrieren. Lediglich beim Führen liegt bei Betrachtung der Frontalebene im BWS-Bereich bei der Messung oMS ein Unterschied zwischen den beiden Körperseiten vor (p=0,00 [li>re]). Beim Dribbeln rotiert die HWS durch das Tragen des iMS nach rechts (p=0,00; [li<re]).
Hinsichtlich des intervariablen Vergleichs der Messbedingungen sind die meisten Veränderungen auf der linken Körperseite im BWS-Bereich zu verzeichnen. Ein Unterschied zwischen der funktionellen Wirbelsäulenstellung oMS und mit iMS ist bei den sechs Bewegungsdurchführungen zu erkennen (Abb. 4). Hinsichtlich der rechten Körperhälfte wird beim geraden Stehen (p=0,03; A>C), beim Bewegungsausmaß (p=0,00; A>C) und beim Laufen (p=0,0; A>C) eine nachweisliche Veränderung deutlich. Bezüglich des Bewegungsausmaßes ergeben sich sowohl auf der linken, als auch auf der rechten Körperseite signifikante p-Werte, wenn die Messung oMS mit dem iMS aber auch mit dem kMS bzw. wenn der kMS mit dem iMS miteinander verglichen werden. Hinsichtlich des Vergleichs der dazugehörigen Mittelwerte ist der der habituellen Bisssituation am größten, gefolgt von denen mit kMS und am kleinsten ist der des iMS.
Beim geraden, aufrechten Stehen ändert sich die HWS-Stellung der linken (p=0,00; A>C) und rechten (p=0,03; A>C) Sensorposition zwischen der neutralen Messung und dem iMS. Bei den anderen Bewegungsabläufen liegt im Vergleich zur Messung oMS auf der linken Körperseite jeweils ein signifikant geringerer Mittelwert beim iMS vor (Hockeyausgangsstellung: p=0,04; Laufen p=0,00; Führen: p=0,04; Dribbeln: p=0,01).
Die Stellung der Lendenwirbelsäule zeigt keine Veränderungen durch das Tragen eines Mundschutzes während der einzelnen Bewegungssequenzen.Im Hinblick auf die Torsion sind die meisten Veränderungen im Brustwirbelsäulensegment zu registrieren. Beim Stehen verändern sich beide Körperseiten (links: p=0,04 [A>C]; rechts p=0,00 [A>C]) durch das Tragen des iMS gegenüber der habituellen Bissposition oMS (Abb. 4).
Beim Bewegungsausmaß sind im BWS-Bereich signifikante Veränderungen zwischen den drei Messbedingungen beider Körperseiten festzustellen. Die Mittelwerte der habituellen Bissposition sind auf beiden Körperseiten ebenfalls größer als die Daten während des Tragens des kMS oder des iMS (A>B: p=0,00 [links], A>B: p=0,02 [rechts]; A>C: p=0,00 [links]; A>C: p=0,00 [rechts]). Der Vergleich der beiden Mundschutze ergibt eine Veränderung auf beiden Körperseiten (links: p=0,01; rechts: p=0,00), wobei der Mittelwert der Messbedingung kMS größer ist als der der Bedingung iMS. Beim Laufen, Führen und Dribbeln unterscheidet sich nur die funktionelle Beweglichkeit der Brustwirbelsäule. Während sich beim Laufen (p=0,01 [A>C]) und Dribbeln (p=0,00 [A>C]) Unterschiede auf der rechten Seite zwischen der habituellen Bissposition und dem kMS aufzeigen, sind hier ebenfalls Veränderungen zwischen den rechten und linken Sensoren beim Vergleich der habituellen Bissposition und dem iMS zu erkennen. Beim Laufen (links: p=0,00; rechts: p=0,00) und Dribbeln (links: p=0,00; rechts: p=0,02) ist der Mittelwert der Messung oMS größer (Abb. 5).
Demgegenüber ist beim Führen eine hochsignifikante Veränderung der Lage der linken Sensoren zwischen der habituellen Bissposition und dem iMS (p=0,04 [A>C]) zu beobachten. Im Lendenwirbelsäulensegment findet bei keinem Vergleich eine Veränderung statt.
Bisher wurden die signifikanten Ergebnisse zwischen der linken und rechten Körperseite der drei Messbedingungen, sowie die der drei Untersuchungsbedingungen einer Körperseite dargestellt. Diese Veränderungen sind anhand der Mittelwerte zu deuten, wobei die Auswirkungen auf die Oberkörperhaltung der einzelnen Wirbelsäulensegmente (HWS, BWS und LWS) im Folgenden angeführt sind. Hinsichtlich der Veränderung des aufrechten Stands ruft der kMS im Gegensatz zur Referenzmessung oMS im HWS-Bereich eine stärkere linksseitige Torsionsbewegung hervor. Im BWS-Bereich reduziert sich die rechtsseitige Lateralflexion zur Körpermitte hin. Die HWS hat oMS eine leicht nach links geneigte und gedrehte Ausgangsposition, die sich durch den iMS reduziert. Zudem erfolgt eine Begradigung der BWS-Stellung hinsichtlich der Lateralflexion und der Torsion durch den iMS.
Die Veränderungen des Bewegungsausmaßes sind bei der Interpretation der Ergebnisse zu vernachlässigen, da das individuelle Bewegungsausmaß der Spielerinnen Streuungen aufwies und daher die intraindividuellen Veränderungen eher separat betrachtet werden sollten. Bei den Veränderungen der hockeyspezifischen Ausgangsstellung hat sich bei der Gegenüberstellung der neutralen Bissposition oMS und dem iMS die ursprüngliche rechtsseitige Lateralflexion der BWS verringert.
Beim Vergleich zwischen keinem Mundschutz mit kMS kommt es beim Laufen im BWS-Bereich zu einer leichten rechtsseitigen Rotation, bei gleichzeitiger BWS-Streckung jedoch hier ohne Signifikanz. Bei der Gegenüberstellung der Referenzmessung oMS mit dem iMS resultiert hier eine Streckung der BWS bedingt durch das Zusammenziehen der Schulterblätter. Tendenz einer leichten rechtsseitigen Lateralflexion bleibt beibehalten.
Beim Führen erfolgt durch den iMS gegenüber der neutralen Bissposition eine reduzierte rechtsseitige Lateralfelxion in der BWS, wobei gleichzeitig eine Aufrichtung dieses Segments durch das Zusammenziehen der Schulterblätter resultiert. Zudem ist die Oberkörperhaltung weniger nach rechts geneigt.
Durch das Tragen des kMS erfolgt beim Dribbeln eine mehr rechtsseitige Rotation der BWS gegenüber der Referenzmessung oMS. Eine rechtsrotierte Körperhaltung der BWS verändert sich durch das Tragen des iMS, indem sich die Schulterblätter zusammenziehen und sich dadurch dieses Segment aufrichtet.
DISKUSSION
Das Tragen eines Mundschutzes kann sich auf die funktionelle Wirbelsäulenstellung auswirken. Bei der Gegenüberstellung zwischen der linken und rechten Körperseite sind die Unterschiede nur gering. Demgegenüber offenbart die Gegenüberstellung zwischen den drei Messbedingungen (oMS, kMS, iMS) mehrere signifikante Veränderungen der funktionellen Wirbelsäulenstellung sowohl bei hockeyspezifischen, als auch hockeyunspezifischen Bewegungsabfolgen. Der Halswirbelsäulenbereich verändert sich nur beim aufrechten Stand, während im Brustwirbelsäulensegment bei jeder Bewegungsdurchführung signifikante Unterschiede deutlich werden. Dagegen bleibt die Stellung der Lendenwirbelsäule sowohl in Flexion, Extension, Lateralflexion als auch Torsion konstant.
Durch den iMS liegt insgesamt eine aufrechtere und derotiertere Körperhaltung vor. Zudem sind die Unterschiede der Körperhaltung zwischen der neutralen Ausgangslage und dem Tragen des iMS größer als die Unterschiede zwischen der Referenzmessung und dem kMS. In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass keine einheitliche Herstellungsweise des eigenen, konfektionierten Mundschutzes vorliegt und eine Varianz der Herstellungsverfahren bei der Gegenüberstellung der beiden Mundschutze berücksichtigt werden muss.
Durch den iMS wird das Kiefergelenk in eine zentrale gebracht, in der es sich in zentrischer Kondylenposition befindet. Falls der kMS der Spielerinnen in der habituellen Bissposition (gewohnheitsmäßig eingenommener Verschluss der Zähne ohne Bewegungen des Unterkiefers) hergestellt worden ist, ohne die dreidimensionale Zuordnung des Unterkiefers zum Oberkiefer zu berücksichtigen, ist in der Herstellungsweise gegenüber dem iMS der grundlegende Unterschied zu finden. Der Vergleich zwischen der neutralen Ausgangsmessung und dem Tragen des kMS zeigt geringe Unterschiede, da die Bissposition bei der Herstellung des kMS häufig mit der habituellen Bisslage in der neutralen Ausgangsmessung übereinstimmt. Der einzige Unterschied ist die Sperrung des Bisses, die durch das Tragen eines Mundschutzes hervorgerufen wird.
Dadurch, dass der iMS neben einer Bisssperrung auch eine veränderte Unterkieferposition hervorruft, resultiert die Annahme, dass sich neben muskulären auch biomechanische Veränderungen auf das sagittale Bewegungsverhalten des Unterkiefers bei der Mundöffnung entlang veränderter Schwerkraftvektoren auswirken. Dies beeinflusst daraufhin sowohl Muskellänge als auch Muskelarbeit der Muskulatur des stomatognathen Systems sowie die der Nackenmuskulatur (12, 13).
Die Körperhaltung ohne Tragen eines Mundschutzes ist bei allen Spielerinnen beim aufrechten Stand aber auch in den hockeyspezifischen Bewegungen nahezu gleich ausgeprägt. Bedingt durch die hockeyspezifische Schlägerhaltung, die rechte Hand umfasst den Schläger tiefer als die linke Hand, ist eine Lateralflexion kombiniert mit einer Torsion des Oberkörpers nach rechts insbesondere im BWS-Bereich unabdingbar. Folglich ist die rechte Schulter tiefer als die linke. Durch den Einfluss des Mundschutzes, insbesondere durch den iMS, wandelt sich vor allem im BWS-Bereich die Ausgangsstellung im Sinne einer Derotation und einer Körperaufrichtung. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich diese Veränderungen der Körperhaltung auf die Präzision der spieltechnischen Ausführung der Hockeyschläge auswirken können. Daher gilt es in Nachfolgestudien zu klären, ob sich die dargestellten Auswirkungen positiv oder negativ auf die sportmotorische Leistung beim Feldhockey auswirken. Demzufolge wären Veränderungen der dynamischen Abstimmung der Skelettmuskulatur durch Messungen mittels einer Ganganalyse, einer plantaren Druckverteilung oder durch eine EMG-Messung möglich. Derzeit existieren keine wissenschaftlichen Untersuchungen, die Effekte eines Mundschutzes auf die funktionelle Stellung der Wirbelsäule erforscht haben. Es steht diesbezüglich eher die prophylaktische Effektivität und eines Mundschutzes im Vordergrund wissenschaftlicher Studien (1, 9, 15). Andere Autoren haben sich mit der spezifischen Muskelausprägung von Leistungssportlern beschäftigt. Bussey (4) weist darauf hin, dass Sportler, die einseitig dominante Sportarten betreiben, Beckenasymmetrien aufzeigen. Hinsichtlich der Wirbelsäulenform bei männlichen Hockeyspielern gegenüber einer Kontrollgruppe kommt Dalichau (6) zu der Erkenntnis, dass Hockeyspieler eine spezifische Körperhaltung aufweisen. Diese Ergebnisse stimmen mit den Aussagen dieser Studie nahezu überein, obwohl es sich bei den Probanden dieser Studie ausschließlich um weibliche Teilnehmer handelt.
In diesen Studien wird sich fast ausschließlich auf die Rückenmuskulatur und die Beckenstellung konzentriert und die Muskulatur des stomatognathen Systems nicht berücksichtigt. Daher sind die vorliegenden Ergebnisse im Rahmen einer Pilotstudie zu verstehen, da Vergleichsresultate fehlen. Ob sich diese Effekte produktiv oder kontraproduktiv einerseits auf die Bewegungsabfolgen und andererseits auf die Präzision der Schläge im Feldhockey auswirken, kann anhand dieser Pilotstudie nicht beantwortet werden.
Zusammenfassung
Anhand dieser Untersuchung wird deutlich, dass der Mundschutz nicht nur eine protektorische Wirkung hat, sondern sich gemäß seiner Herstellung auf die funktionelle Wirbelsäulenstellung auswirken kann. Dies ist bei hockeyspezifischen -unspezifischen Bewegungen der Fall. Aufgrund einer veränderten Muskelarbeit sind Auswirkungen auf die Präzision von Bewegungsdurchführungen denkbar. Der Vergleich zwischen den beiden Mundschutzen zeigt, dass auch die Art der Herstellung unterschiedliche Effekte auf die funktionelle Wirbelsäulenstellung hervorrufen kann. Hierbei zeigt die Anfertigung des Mundschutzes in zentrischer Kondylenposition (iMS) gegenüber einem Mundschutz in wahrscheinlich habitueller Unterkieferposition (kMS) stärkere Effekte auf die Oberkörperhaltung. Der individuell hergestellte Mundschutz führt zu einer Aufrichtung und Derotation der Oberkörperhaltung insbesondere in der BWS-Region.
Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine.
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Dr. Daniela Ohlendorf
Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
Poliklinik für Kieferorthopädie
Theodor-Stern-Kai 7, Haus 29
60596 Frankfurt am Main
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