Sportmedizin
ÜBERSICHT
SPIROERGOMETRIE IN DER SPORTMEDIZIN

Die Spiroergometrie in der sportmedizinischen Leistungsdiagnostik

Application of Spiroergometry in the Diagnosis of Athletic Performance

ZUSAMMENFASSUNG

In der Sportmedizin erfolgt die Spiroergometrie, ähnlich wie in der Kardiologie und Pneumologie, in erster Linie zur Objektivierung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit. Zur Messung der VO2max kommen unter Laborbedingungen verschiedene Ergometer zum Einsatz und es werden mit Hilfe portabler Spiroergometriesysteme Untersuchungen unter Trainings- und Wettkampfbedingungen als so genannte Feldtests durchgeführt. Darüber hinaus kann bei Problemen mit der Durchführung einer kontinuierlichen Messung der Ventilationsparameter die Nachatmungsmethode angewandt werden, bei der von der mehrfach in der unmittelbaren Nachbelastungszeit gemessenen VO2 auf die VO2max zurück extrapoliert wird. Das vorrangige Interesse leistungsdiagnostischer Untersuchungen gilt häufig der Ermittlung der maximalen Intensität, mit der Ausdauerbelastungen wie z. B. ein Marathonlauf in einem steady-state absolviert werden können. Diese auch als (individuelle) anaerobe Schwelle bezeichnete Belastungsintensität wird meistens in stufenweise ansteigenden Ergometrien mit mindestens 3-minütiger Stufendauer bestimmt, wobei sich in Deutschland in der Sportpraxis Laktatschwellenmodelle gegenüber den verschiedenen ventilatorischen Schwellenmodellen durchgesetzt haben. Zur Beurteilung der anaeroben Kapazität steht mit der Bestimmung des maximalen akkumulierten O2-Defizits (MAOD) ein Verfahren zur Verfügung, das in wissenschaftlichen Untersuchungen angewandt wird, sich in der Praxis aber nicht bewährt hat. Die Bewegungs- bzw. Laufökonomie, deren Bedeutung für Leistungen im Mittel- und Langstreckenlauf gut belegt ist, kann durch Messung des Energieverbrauchs bzw. der VO2 bei Submaximalbelastung ermittelt werden. Die indirekte Kalorimetrie ermöglicht die Bestimmung des Energieverbrauchs bzw. der fraktionellen Nutzung des Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsels während Belastung.

Schlüsselwörter: Aerobe Kapazität, anaerobe Kapazität, Laufökonomie. indirekte Kalorimetrie. 

SUMMARY

Spiroergometry is a means for the assessment of aerobic capacity in athletes. VO2-max can be determined during incremental tests on different ergometers in the laboratory or in field testing procedures with the help of portable devices. Furthermore, VO2max can be calculated by backward extrapolation from the O2 recovery curve in special field conditions where breathing into a respiratory valve and/or carrying a portable device is difficult to perform. Determination of the maximal intensity for steady-state endurance exercise is often regarded as the most important measure for the performance diagnosis and training recommendations in athletes. In Germany, this intensity is most often assessed during stepwise increasing ergometry with step duration of at least 3 minutes using different concepts for the determination of an (individual) anaerobic threshold from lactate curves. The analysis of graphic plots of gas exchange parameter is less frequently performed. Anaerobic capacity can be estimated by measurement of the maximal accumulated O2 deficit. This procedure is used in scientific investigations but not in routine performance diagnosis. Running economy, as an important factor for the performance in middle- and long-distance running, can be assessed by VO2 measurement or calculation of caloric unit cost during submaximal steady-state exercise. Substrate metabolism during submaximal exercise can be studied with the help of indirect calorimetry.

Key words: Aerobic capacity, anaerobic capacity, running economy, indirect calorimetry. 

EINLEITUNG

In der sportmedizinischen Leistungsdiagnostik wird die Spiroergometrie in erster Linie zur Objektivierung der aeroben Leistungsfähigkeit eingesetzt. Wichtigste Größen sind die maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) und die Leistungsfähigkeit im Bereich der Ausdauergrenze (anaeroben Schwelle). Darüber hinaus können mit Hilfe der Spiroergometrie die anaerobe Kapazität, die Bewegungsökonomie und der Energieverbrauch während Belastung abgeschätzt werden. Im Folgenden wird eine Übersicht über die genannten Anwendungsbereiche der Spiroergometrie gegeben. 

OBJEKTIVIERUNG DER AEROBEN LEISTUNGSFÄHIGKEIT

Die VO2max stellt in der Sportmedizin – wie in der Kardiologie und Pneumolgie – eine wichtige Kenngröße der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit dar. Bei Belastungsuntersuchungen unter Einsatz eines großen Anteils der Körpermuskulatur werden bei hoch ausdauerleistungsfähigen Sportlern Werte > 85 ml × kg-1 × min-1 gemessen. Ausdauerleistungsfähige Spitzenathleten können somit eine mehr als doppelt so große VO2max als untrainierte Normalpersonen aufweisen. Die VO2max von Spitzenausdauersportlerinnen liegt aufgrund des höheren Körperfettanteils ca. 10% niedriger als die VO2max ihrer männlichen Pendants. Die für einzelne Sportarten typischen Spitzenwerte sind gut untersucht und stellen Lehrbuchwissen dar (32).
Zur Bestimmung der VO2max ist es von untergeordneter Bedeutung, ob die Belastung als Rampentest oder als stufenweise ansteigende Spiroergometrie durchgeführt wird (5, 16, 25), von Bedeutung ist vielmehr eine sportartspezifische Belastung. Hierfür stehen neben Rennrädern ähnelnden Fahrradergometern hochleistungsfähige Laufbandergometer sowie Ruder-, Handkurbel und Kanuergometer zur Verfügung. Portable Spiroergometriesysteme erlauben darüber hinaus die Messung der Ventilationsparameter und somit eine VO2max-Bestimmung bei so genannten Feldtests, d. h. bei Untersuchungen unter Trainings- und Wettkampfbedingungen (20). Eine weitere Option für die VO2max-Bestimmungen ist die Nachatmungsmethode, mit Hilfe derer z. B. im Schwimmen, wo eine verlässliche Messung der Ventilationsparameter unter Belastung – wenn überhaupt – nur mit erheblichem Aufwand möglich ist, die VO2max recht genau abgeschätzt werden kann. Hierzu wird von VO2-Werten, die während der ersten 60 bis 90 Sekunden der Nachbelastungsphase gemessen werden, unter Anwendung eines exponentiellen oder linearen Algorithmus zurück auf die VO2max extrapoliert (17).
Sportler und Trainer können aus der Kenntnis der VO2max kaum Nutzen für die Trainingsgestaltung ziehen. Deshalb ist bei leistungsdiagnostischen Untersuchungen in der Sportpraxis die VO2max nicht der zentrale Parameter. Vielmehr wird dem höchsten relativen Anteil der VO2max (%VO2max), der während einer länger dauernden Ausdauerbelastung ohne Ausbildung einer fortschreitenden Azidose zur Energiebereitstellung genutzt werden kann, größere Bedeutung zugemessen (7). Aus diesem Grund steht die Ermittlung der Leistung im Bereich der so genannten anaeroben Schwelle bzw. des aerob-anaeroben Übergangs im Mittelpunkt, d. h. der Belastungsintensitäten, bei denen die anaerobe Energiebereitstellung eine zunehmende Rolle spielt. Die anaerobe Schwelle wird zur Trainingssteuerung und Leistungsprognose herangezogen (21). Die Bestimmung dieser kritischen submaximalen Belastungsintensität hat ferner den Vorteil, dass hierfür – im Gegensatz zur VO2max Messung – keine Ausbelastung erforderlich ist, für die Spitzensportler außerhalb von Wettkampfsituationen häufig nicht motiviert werden können.
Bei ansteigenden Belastungen ändern sich mit zunehmender Belastungsintensität zu unterschiedlichen Zeitpunkten die anfangs, d. h. bei überwiegend aerober Energiebereitstellung, bestehenden linearen Verhältnisse zwischen Belastungsintensität und Ventilation sowie VO2 und VCO2. Weiterhin tritt zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein systematischer Anstieg der Atemäquivalente für O2 (VE/VO2) und CO2 (VE/VCO2) auf sowie ein systematischer Anstieg des endexpiratorischen O2-Partialdrucks (PETO2) bzw. ein Abfall des endexpiratorischen CO2-Partialdrucks in der Ausatemluft (PETCO2). Bei gleichzeitig zu beobachtendem Anstieg der Laktatkonzentration und Abfall der Bicarbonatpuffers sowie des pH-Wertes im arteriellen Blut bzw. arterialisierten Kapillarblut wurden von Wasserman et al. (29) Phasen der isokapnischen Pufferung und der respiratorischen Kompensation beschrieben. Aufgrund der Ergebnisse verschiedener Studien wurde von dieser Arbeitsgruppe vorgeschlagen, zur Bestimmung der anaeroben Schwelle in Rampentests die Intensität bzw. VO2 zu ermitteln, bei der ein Anstieg von VE/VO2 und von PETO2 ohne Anstieg von VE/VCO2 bzw. Abfall von PETCO2 auftritt (7, 30, 31). Die Wahl der Rampensteigung ist für die Schwellenbestimmung nicht von Bedeutung (8). Als alternative Methode wurde etwas später die V-Slope-Methode vorgestellt, eine Regressionsanalyse von VCO2 vs. VO2 mit Ermittlung des Punktes der überschießenden CO2-Produktion, bedingt durch die Abpufferung von H+-Ionen im Bicarbonatpuffer (3).
Zur Überprüfung der Frage, welches der in einem Rampentest angewandten Schwellenmodelle für die Trainingssteuerung in der Praxis am besten geeignet ist, erfolgten nur einige wenige Untersuchungen, in denen die mittels Spiroergometrie ermittelten Schwellenintensitäten in Ausdauertests überprüft wurden (1, 2, 9). Amann et al. (1, 2) beschrieben bei Straßenradsportlern eine gute Übereinstimmung der Intensität im Bereich des VE/VO2-Anstiegs (ohne gleichzeitigen Anstieg von VE/VCO2) mit der Durchschnittsleistung in einem auf dem Fahrradergometer simulierten 40 km Zeitfahren (1). In einer anderen Studie lag die an dieser Schwelle bestimmte Intensität deutlich unter der in einer 30-minütigen Fahrradbelastung ermittelten Intensität am maximalen Laktat-Steady-State, während die am Respiratory Compensation Point (RCP: Anstieg von VE/CO2) ermittelte Intensität deutlich über der Intensität am maximalen Laktat-Steady-State lag (9). Die Intensitätsbestimmung an einer solchen ventilatorischen Schwelle ist nicht trivial. Da im Rampentest der VO2-Anstieg dem Intensitätsanstieg mit einer gewissen Verzögerung folgt, muss für die Intensitätsbestimmung an einer ventilatorischen Schwelle eine Verzögerungszeit berücksichtigt werden (8), die interindividuell offenbar erheblich variieren kann (11).
In Deutschland wird die Bestimmung der (individuellen) anaeroben Schwelle überwiegend mit Hilfe von Laktatschwellen durchgeführt, wofür unterschiedliche Modelle angewandt werden. Unter der Vorstellung, dass am Ende einer mindestens 3-minütigen Belastungsstufe eine Laktatbestimmung im steady-state möglich ist, erfolgen die Belastungsuntersuchungen in der Regel als Stufen- und nicht als Rampentests. Während der letzten Jahrzehnte wurden von verschiedenen Arbeitsgruppen unterschiedliche Laktatschwellenmodelle entwickelt, die an anderer Stelle ausführlich diskutiert werden (10, 14). Unter der Voraussetzung, dass die stufenweise ansteigende Spiroergometrie kontinuierlich ohne Pausen für die Laktatabnahme erfolgt, kann auch in einem solchen Stufentest eine ventilatorische Schwelle bestimmt werden (Abb. 1). In einigen wenigen Studien wurden unterschiedliche Ergebnisse zu der Frage erzielt, inwiefern Laktatschwellenbestimmungen und die Bestimmung einer ventilatorischen Schwelle übereinstimmende Befunde ergeben (21, 23, 24, 28). 

BESTIMMUNG DER ANAEROBEN KAPAZITÄT

Zur Bestimmung der anaeroben Kapazität stellten Medbo et al. 1988 ein Verfahren vor, bei dem während hochintensiver, erschöpfender 2- bis 5-minütiger Belastung das maximale akkumulierte O2-Defizit (MAOD) ermittelt wird (19). Die Methode basiert auf folgenden Annahmen: für Belastungsintensitäten, die höher liegen als die Intensität bei maximaler Sauerstoffaufnahme (= supra-VO2maxBelastung), lässt sich ein theoretischer O2-Bedarf errechnen unter der Voraussetzung, dass die VO2 über den VO2max-Bereich hinaus linear mit steigender Belastung zunimmt. Zur Ermittlung der linearen Abhängigkeit zwischen Laufbandgeschwindigkeit und VO2 erfolgt eine VO2-Messung auf mehreren Submaximalstufen. Der theoretische O2-Bedarf bei einer bestimmten supra-VO2max Intensität (z. B. konstante Intensität entsprechend 120 - 140 % VO2max in unserem Ergometrielabor) wird durch lineare Extrapolation bestimmt. Das MAOD wird als Differenz zwischen diesem theoretischen O2-Bedarf und der während Belastung gemessenen VO2 mittels Flächenkalkulation bestimmt und in ml × kg-1 O2 angegeben (Abb. 2). Bei Sportlern mit hohem Anteil anaerober Trainings- und Wettkampfbelastungen, z.B. bei 400 m-Läufern, kann ein signifikant höheres MAOD gemessen werden als bei ausdauertrainierten Sportlern (Langstrecklern) (13).

Derzeit ist die Bestimmung des MAOD die im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen am häufigsten genutzte Methode zur Erfassung der anaeroben Kapazität (22). Die Methode wird als valide angesehen, aber bezüglich der Reliabilität gibt es einige Zweifel. Ein großer Nachteil ist das Fehlen einer anerkannten standardisierten Vorgehensweise für 1) die Bestimmung der Intensität für die supra-VO2max-Belastung, 2) die Festlegung der Laufbandsteigung bzw. der Trittfrequenz bei Fahrradbelastungen, 3) die Anzahl und 4) die Dauer der submaximalen Belastungsstufen zur Ermittlung der linearen Abhängigkeit zwischen Intensität und VO2 (22). Aufgrund eines hohen zeitlichen Untersuchungsaufwands und der fehlenden Möglichkeit zur Ableitung konkreter Trainingshinweise wird das beschriebene spiroergometrische Verfahren zur Erfassung der anaeroben Kapazität immer wieder in wissenschaftlichen Studien durchgeführt, ist aber für die Praxis wenig geeignet.  

ANALYSE DER BEWEGUNGSÖKONOMIE

Die Bewegungsökonomie wird als Energieverbrauch bei submaximaler Belastungsintensität definiert. In Studien mit Langstreckenläufern wurde die Abhängigkeit der Wettkampfleistung von der Laufökonomie gut belegt, wobei die Laufökonomie meist durch Messung der VO2 unter steady-state Bedingungen während submaximaler Belastung (≤ 85% VO2max) auf dem Laufband bestimmt wurde (26). Die Bestimmung der Laufökonomie mittels VO2-Messung bei 3 submaximalen Geschwindigkeiten hat eine hohe Reliabilität (27), die Sensitivität ist offenbar jedoch besser, wenn nicht nur die VO2, sondern auch der Energieverbrauch während submaximaler Belastungsintensität ermittelt wird (12). Für den interindividuellen Vergleich muss die während submaximaler Geschwindigkeit gemessene VO2 auf das Körpergewicht bezogen werden. Da die VO2 nicht proportional zum Körpergewicht zunimmt (4), wurde aufgrund von Studienergebnissen und theoretischer Überlegungen zum Einfluss elastischer Kräfte von Muskeln und Sehnen vorgeschlagen, zum Vergleich interindividuell unterschiedlicher Laufökonomien die körpergewichtsbezogene VO2 als VO2 × min-1 × kg-0.75 bzw. VO2 × min-1 × kg-0.66 anstelle von VO2 × min-1× kg-1 zu bestimmen (26). Die Bewegungsökonomie wird multifaktoriell determiniert. Neben verschiedenen anthropometrischen Eigenschaften, physiologischen und biomechanischen Faktoren sowie Umweltbedingungen können verschiedene Trainingsformen die Lauf- bzw. Bewegungsökonomie beeinflussen. In einigen Studien wurde die Laufökonomie bei Untrainierten, aber auch bei bereits ausdauertrainierten Sportlern durch ein Maximalkrafttraining, durch Schnellkrafttraining oder plyometrisches Training verbessert; Verbesserungen der Laufökonomie wurden aber auch nach Höhentraining oder Training in warmen (heißen) Umgebungsbedingungen beobachtet. Bezüglich der Identifikation geeigneter Trainingsmittel zur Optimierung der Laufökonomie von Mittel- und Langstreckenläufern der Spitzenklasse besteht weiterer Forschungsbedarf (26). Generell muss für die Interpretation der Ergebnisse einzelner Sportler bedacht werden, dass gewisse Ergebnisschwankungen durch Messfehler in der Atemgasanalyse erklärt sind (Abb. 3).

BESTIMMUNG DES ENERGIEVERBRAUCHS WÄHREND BELASTUNG

Der Energieverbrauch in Ruhe und unter Belastung kann mit Hilfe der indirekten Kalorimetrie bestimmt werden. Dabei wird unter Anwendung der stöchiometrischen Gleichungen für die Glukoseoxidation bzw. die ß-Oxidation der freien Fettsäuren von der VO2 und dem respiratorischen Quotienten (RQ) auf den Energieverbrauch und die anteilmäßige Energiebereitstellung aus dem Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel rückgeschlossen. Bereits 1901 wurden Tabellen veröffentlicht, aus denen für bestimmte RQ-Werte der Kilokalorienverbrauch pro Liter O2 sowie die absolute und relative Energiebereitstellung aus dem Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel abgelesen werden können (18). In den RQ geht neben dem Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel auch der Proteinstoffwechsel ein, wobei der durchschnittliche aus dem Abbau verschiedener, Aminosäuren resultierende RQ ca. 0.81 beträgt. Da der Anteil der Energiebereitstellung aus dem Proteinmetabolismus während Belastung – abgesehen von Zuständen der Glykogenverarmung bei mehrstündigen Belastungen ohne Kohlenhydratzufuhr – mit < 1% sehr gering ist, kann er vernachlässigt werden (18). Ferner wird der Einfluss weiterer Stoffwechselvorgänge wie Glukoneogenese und Lipogenese auf VO2 und VCO2 während Belastung als vernachlässigbar angesehen (15). Von größerer Bedeutung ist, ob zur Kalkulation der Energiebereitstellung aus dem Kohlenhydratstoffwechsel eine Glukose- oder Glykogenoxidation angenommen wird. Bei gleichem RQ (1.0) und gleichem Energieäquivalent (5.02 kcal pro Liter O2) liefert der Abbau von 1 Gramm Glukose 3.74 kcal bei einem O2-Verbrauch von 0.75 Litern, der Abbau von 1 Gramm Glykogen hingegen 4.15 kcal bei einem O2-Verbrauch von 0.83 Litern. Für die Energiebereitstellung aus dem Fettstoffwechsel ist die Länge der oxidierten freien Fettsäure von Bedeutung. Von verschiedenen Wissenschaftlern wurden deshalb unterschiedliche Algorithmen entwickelt. Die hiermit durchgeführten Kalkulationen können zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, was beim Vergleich von Daten aus verschiedenen Studien berücksichtigt werden muss (15). Mit zunehmendem Anteil der Energiebereitstellung aus der anaeroben Glykolyse verfälscht die verstärkte CO2-Freisetzung aus dem Bicarbonatpuffer die Kalkulation der Energiebereitstellung mittels indirekter Kalorimetrie. Da die nichtmetabolische CO -Produktion  mit Beginn des ersten Laktatanstiegs ebenfalls ansteigt und den RQ (anfangs geringfügig) erhöht, sind Ergebnisverfälschungen bei Einsatz der indirekten Kalorimetrie bereits bei niedrigerer Intensität als der vielfach angegebenen 75–85% VO2max (15) zu erwarten. Aus diesem Grund sollten auch einige Aussagen zur Fettoxidation, für die je nach Studiendesign und untersuchtem Kollektiv ein Maximum bei einer Belastungsintensität entsprechend 30-65% VO2max mit erheblicher interindividueller Variabilität gesehen wurde (15), kritisch beleuchtet werden. Kommerziell erhältliche Spiroergometriesysteme bieten häufig als zusätzliche Option die Berechnung des Energiestoffwechsels mittels indirekter Kalorimetrie an. Vor einem unkritischen Einsatz, z.B. zur Bestimmung der Fettverbrennung während Belastung, muss jedoch gewarnt werden. 

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Mittels spiroergometrischer Untersuchungen können zur Objektivierung der aeroben Leistungsfähigkeit die VO2max und – mit 2 vielen verschiedenen Modellen – anaerobe Schwellen bestimmt werden. Die von Spitzenathleten erreichbaren VO2max-Werte sind für die meisten Sportarten gut untersucht, allerdings können in der Sportpraxis die Spitzenathleten nur mit Mühe dazu motiviert werden, in einem Rampen- oder Stufentest im Ergometrielabor oder in Feldtests bis an ihre Leistungsgrenze zu gehen, was zur Messung einer VO2max erforderlich ist. Bisher ist nicht ausreichend untersucht, welches Modell zur Bestimmung einer anaeroben Schwelle aufgrund von Änderungen ventilatorischer Messgrößen in Rampen- oder Stufentests für die Leistungsprognose und Trainingssteuerung am besten geeignet ist. Mit der Bestimmung des MAOD steht eine valide Methode zur Kalkulation der anaeroben Kapazität zur Verfügung, die aber fast ausschließlich in wissenschaftlichen Studien Anwendung findet. Für die Trainingspraxis von größerer Bedeutung ist die Ermittlung der Bewegungs- bzw. Laufökonomie, zu deren Einflussfaktoren weitere Untersuchungen erforderlich sind. Die indirekte Kalorimetrie erlaubt die Erfassung des Energiestoffwechsels während Belastung. Hier gibt es weiteren Forschungsbedarf, beispielsweise zur interindividuellen Variabilität, aber auch zum Einfluss verschiedener Trainingsmaßnahmen.

Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine. 

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Korrespondenzadresse:
PD Dr. med. Birgit Friedmann-Bette
Abteilung Innere Medizin VII: Sportmedizin
Medizinische Universitätsklinik
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