Einfluss eines Elektromyostimulations-Trainings auf die Körperzusammensetzung bei älteren Männern mit Metabolischem Syndrom. Die Test II-Studie
Effects of Whole-Body-Electromyostimulation on Body Composition and Cardiac Risk Factors in Elderly Men with the Metabolic Syndrome. The TEST-II Study
ZUSAMMENFASSUNG
Problemstellung: Sarkopenie und Adipositas tragen nicht unerheblich zu Mortalität, Multimorbidität und Gebrechlichkeit des älteren Menschen bei. Inwieweit ein Ganzkörper-Elektromyostimulations (WB-EMS)-Training Einfluss auf diese Parameter bei älteren Männern mit Metabolischem Syndrom nimmt, ist Ziel der Untersuchung.
Methoden: 28 Männer mit Metabolischem Syndrom gemäß IDF (69.4±2.8 Jahre) wurden nach Randomisierung einer Kontrollgruppe (KG: n=14) oder einer WB-EMS-Gruppe (n=14) zugeteilt. Das 14-wöchige Trainingsprogramm der WB-EMS sah alle 5 Tage ein 30-minütiges Ausdauer- und Kraftprogramm unter EMS-Applikation vor. Die Kontrollgruppe führte parallel ein Ganzkörpervibrations-Training mit dem Fokus „Steigerung der Beweglichkeit und des Wohlbefindens“ durch. Als primäre Endpunkte wurden die abdominale Fettmasse sowie die appendikuläre Skelettmuskelmasse (ASSM) ausgewählt. Sekundäre Endpunkte waren Gesamtkörperfettmasse und Taillenumfang.
Ergebnisse: Die Veränderung der abdominalen Fettmasse zeigte bei hoher Effektstärke (ES): d`=1,33) signifikante Unterschiede (p=,004) zwischen WBEMS und KG (-252±196 g, p=,001 vs. -34±103 g, p=,330). Die ASMM zeigte einen signifikanten Unterschied (p=,024, ES: d`=,97) zwischen EMS- und VibrationsKontrollgruppe (249±444 g, p=,066 vs. -298±638 g, p=,173). Für die sekundären Endpunkte Gesamtkörperfett (p=,008, ES: d`=1,23) und Taillenumfang (p=,023, ES: d`=1,10) zeigten sich ebenfalls günstigere Werte innerhalb der WB-EMS-Gruppe.
Diskussion: Ein Ganzkörper-EMS-Training zeigt bei geringem Trainingsvolumen (ca. 45 min/Woche) und kurzer Interventionsdauer (14 Wochen) signifikante Effekte auf die Körperzusammensetzung. Bei Menschen mit geringer kardialer und orthopädischer Belastbarkeit könnte somit WB-EMS eine entsprechende Alternative zu konventionellen Trainingsprogrammen sein.
Schlüsselwörter: Elektrostimulation, Adipositas, Sarkopenie, Metabolisches Syndrom, Training.
SUMMARY
Sarcopenia and (abdominal) adiposity are closely related to increased mortality, morbidity and frailty in the elderly. Therefore, we evaluated the effect of wholebody-electromyostimulation (WBES) on body composition in elderly men with metabolic syndrome over 14 weeks.
28 men (69.4 ± 2.8 yrs) with metabolic syndrome were randomly assigned either to a control-group (CG, n = 14) or to an electromyostimulation-group (WB-EMS, n = 14). Subjects of the WB-EMS-group performed training sessions with WB-EMS application (2x30 mins/10 days), while in parallel the CG exercised on vibration plates with focus on flexibility. Primary study-endpoints were abdominal fat and appendicular skeletal muscle mass (ASSM), secondary endpoints were total fatmass and waist-circumference.
Significant differences were determined for changes of abdominal fat mass (WBEMS: -252±196 g, p=.001 vs. CG: -34±103 g, p=.330; p=.004; Effects size (ES): d`: 1.33) and ASSM: (249±444 g, p=.066 vs. -298±638 g, p=.173; p=.024, ES: d`=.97). Significant between group-differences with more favorable changes in the WBEMS-group were also assessed for total fat mass (p=,008, ES: d`=1.23) and waist circumference (p=.023, ES: d`=1.10).
After 14 weeks of low volume (45 min/week) whole-body EMS-application, body composition of elderly men with metabolic syndrome significantly improved. Therefore, we conclude that for elderly subjects unable or unwilling to perform high intensity strength or endurance type exercises, electromyostimulation may be a viable alternative to counteract sarcopenia and total/abdominal adiposity.
Key Words: electromyostimulation, obesity, sarcopenia, metabolic syndrome, exercise.
EINLEITUNG
Sarkopenie und (abdominale) Adipositas tragen nicht unwesentlich zur Mortalität, Multimorbidität und Gebrechlichkeit des älteren Menschen (1, 2) bei. Während die (abdominale) Adipositas bereits seit längerem in zentralem Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen gesehen wird (2) und nicht zuletzt aus diesem Grund in neueren Definitionen des metabolischen Syndroms (3) als „Knockout“ Kriterium Verwendung findet, wird sich die medizinische Gesellschaft des epidemiologischen Stellenwerts der Sarkopenie erst seit kurzem bewusst (1, 4). Neben funktionellen Einschränkungen mit Relevanz auf die Selbständigkeit des älteren Menschen steht die Sarkopenie in engem Zusammenhang mit Erkrankungen und gesundheitlichen Risikofaktoren wie Stürzen (5), Osteoporose (6), eingeschränkter Thermoregulation (7) und Diabetes (8). Ausdauer- und Krafttraining vermögen sowohl Einfluss auf eine reduzierte Muskelmasse und eingeschränkte Muskelfunktion (9) wie auch auf das Körperfett und hier insbesondere auf die viszerale Fettmasse (10) zu nehmen. Insbesondere bei Menschen mit orthopädischen und kardialen Beschwerden erscheint ein konventionelles Krafttraining an Geräten, das zur Realisierung relevanter Effekte auf Maximalkraft, -leistung und Muskelmasse eine vergleichsweise hohe Reizintensität benötigt (11), allerdings nicht angezeigt. Als Lösung für Menschen mit entsprechenden Handicaps könnte ein Ganzkörper-Elektromyostimulation-Training (WB-EMS) dienen, das sich durch eine geringe orthopädische Belastung auszeichnet (12). Weiterhin erfolgt beim WB-EMS durch die Vielzahl der rekrutierten Fasern eine vergleichsweise hohe metabolische Beanspruchung, die sich akut in einer deutlichen Erhöhung des Leistungsumsatzes wiederfindet (13). Dieser Faktor sowie eine mögliche Erhöhung der Muskelmasse mit Einfluss auf den Grundumsatz, sollte positive Effekte im Sinne einer Reduktion des Fettgewebes erwarten lassen. So zeigt eine kürzlich in unserem Hause durchgeführte Pilotstudie (14) mit langjährig trainierten, postmenopausalen Frauen neben einem grenzwertig signifikanten Effekt (WB-EMS vs. Kontrolle: p=.09; Effect Size d`=.62) des WB-EMS-Trainings auf den Ruheumsatz (als Prädiktor der Muskelmasse, (15)) signifikante Effekte auf den Taillenumfang und den Gesamtkörper-Fettgehalt.
ZIELSTELLUNG
Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, den Effekt eines WBEMS-Trainings auf die Körperzusammensetzung unter besonderer Berücksichtigung von „Sarkopenie“ und (abdominaler) Adipositas bei Männern mit metabolischem Syndrom zu erfassen.
METHODIK
Die Training und Elektromyo-Stimulations (Test-II)-Studie ist eine 14-wöchige randomisierte Intervention mit Männern im Alter von 65- 75 Jahren mit Metabolischem Syndrom. Die Untersuchung wurde vom Bundesamt für Strahlenschutz (Z5-22462/2-2008-079) und von der Ethikkommission der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (FAU; Ethik Antrag 3876) überprüft und genehmigt. Die Teilnehmer wurden über die Risiken der Untersuchung informiert, alle Teilnehmer gaben eine schriftliche Einverständniserklärung ab. Die Untersuchung wurde am Institut für Medizinische Physik der FAU im Frühjahr/Sommer 2009 durchgeführt.
Endpunkte
Primäre Endpunkte:
- Abdominale Fettmasse, appendikuläre skeletale Muskelmasse (ASSM)
Sekundäre Endpunkte:
- Gesamtkörper-Fettmasse, Taillenumfang
Stichprobe
Über ein computergestütztes Losverfahren wurden aus der vorliegenden Grundgesamtheit von ca. 5800 Männern im Alter zwischen 65 und 75 Jahren aus dem Raum Erlangen insgesamt 567 Personen angeschrieben. Auf das persönliche Anschreiben, in dem die wichtigsten Ein- und Ausschlusskriterien (s.u.) genannt wurden, antworteten 48 Personen. Von diesen Personen konnten 28 unter Berücksichtigung der unten aufgeführten Ein- und Ausschlusskriterien in die Studie aufgenommen werden (Abb. 1).
Einschlusskriterien:
- männlich, Alter zwischen 65 und 75 Jahre
- Metabolisches Syndrom gemäß Internationaler DiabetesFederation (3))
- Weitgehend untrainiert bezüglich Kraft- und Ausdauertraining
Ausschlusskriterien:
- Schwere neurologische Erkrankungen, Epilepsie
- Herzschrittmacher, schwere Durchblutungsstörungen,Blutungen, starke Blutungsneigung
- Bauchwand- und Leistenhernie
- Tumor-Erkrankung
- Fieberhafte Erkrankungen, akute bakterielle und virale Infekte
- Hautverletzungen im Bereich der Elektroden
- Endoprothesen
- Augenerkrankungen mit Beteiligung der Netzhaut
Die Teilnehmer wurden im Anschluss unter Stratifizierung für das Lebensalter randomisiert in die Gruppen „Elektrostimulation“ und „Vibration“ aufgeteilt (Abb. 1). Tabelle 1 zeigt die basalen Charakteristika mit Mittelwerten und Standardabweichungen beider Interventionsgruppen.
Intervention
Die WB-EMS-Gruppe führte jeden 5. Tag unter Anleitung eines zertifizierten Übungsleiters das nachfolgend beschriebene Ausdauer- und Kraftprogramm unter WB-EMS-Applikation durch, während die Teilnehmer der Kontrollgruppe im Sinne einer Verblendung ebenfalls jeden 5. Tag ein Ganzkörpervibrationstraining mit Fokus auf die Beweglichkeit durchführten. Beide Gruppen wurden angehalten, ihr Aktivitätsniveau sowie Ihre Ernährungsgewohnheiten während des Interventionszeitraumes konstant zu halten.
WB-EMS-Intervention
Die EMS-Gruppe absolvierte ein 15- 20-minütiges Ausdauertraining auf dem Crosstrainer (Schwinn 4100i, Madison, USA) und eine 10- 15-minütige „dynamische“ Kräftigungssequenz (Tab. 2) mit Ganzkörperstimulationswesten (miha bodytec, Augsburg, Deutschland). Die Ausrüstung ermöglicht eine gleichzeitige, dezidierte Ansteuerung von 8 Muskelgruppen (Oberschenkel, unterer Rücken, oberer Rücken, M. latissimus dorsi/M. teres major, Bauch, Brust, Oberarme). Jeweils 2 Probanden führten parallel ein standardisiertes Training unter Überwachung und Anleitung jeweils desselben Übungsleiters durch.
Die Durchführung des EMS-Trainings erfolgte gemäß den Vorgaben des Herstellers. Ausdauer- und Krafttraining wurden mit vergleichbaren EMS-Belastungsnormativa durchgeführt; wesentlicher Unterschied war jedoch (Tab. 2), dass der Strom beim Ausdauertraining kontinuierlich appliziert wurde, während im Krafttraining eine intervallartige Beübung mit 4 sec Stromapplikation und Durchführung der jeweiligen Körperübung (Tab. 3) und 4 sec „Pause“ ohne Stromapplikation durchgeführt wurde. Die Belastungsintensität der Ausdauersequenz wurde durch das im Stufentest (s.u.) erfasste VO2peak über die Herzfrequenz (70≈85% Hfmax) im Training vorgegeben. Das Krafttraining setzte sich aus den unten aufgeführten Übungen zusammen (Tab. 3). Es wurden 5 bzw. 7 dynamische Übungen mit 2 Sätzen und 8-10 Wiederholungen für alle großen Muskelgruppen durchgeführt. Die Reizhöhe (Stromstärke) wurde beim Ausdauertraining nach 2 und 5 min nachreguliert, beim Krafttraining erfolgte eine Erhöhung dieses zentralen Belastungsnormativa nach 2, 5 und 8 min.
WB-Vibration (Kontrollgruppe)
Der Fokus des Übungsprogrammes lag auf Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit, es wurden zusätzlich 3 Übungen zur Kräftigung (Tab. 4) mit leichtem bis mittlerem subjektiven Belastungsempfinden durchgeführt. Das Vibrationstraining wurde auf Geräten der Firma Vibrafit (Solms, Germany) mit einer Frequenz von 30 Hz (Amplitude: 1,7–1,8 mm; Akzeleration 1,3 –2,2 g) realisiert. Die unten beschriebenen 6 Übungen (Tab. 4) waren in 2 Durchgänge mit jeweils 40- 60 sec Dauer organisiert. Die Gesamtdauer des Übungsprogrammes betrug ca. 18 min.
Die Teilnehmer wurden nach 2-maliger Geräte- und Übungseinweisung mittels Videounterstützung angeleitet. Eine ständige Überwachung des Vibrationstrainings erfolgte nicht, allerdings war qualifiziertes Personal immer in Rufweite erreichbar.
Messungen
Um eine Verblindung auf Untersucherebene zu realisieren, war der Status des Teilnehmers („EMS- oder Kontrollgruppe“) für den Testleiter nicht ersichtlich. Zusätzlich war es dem Testleiter untersagt, den Teilnehmer über die Gruppenzugehörigkeit zu befragen.
Anthropometrische Daten:
Größe, Gewicht und Umfangswerte der Probanden wurden mit geeichten Geräten erfasst. Körperfett und fettfreie Körpermasse wurden mittels DXA-Technik gemessen (Hologic QDR 4500a, Discovery-upgrade, Bedford, MI, USA). Hierzu wurde gemäß den Vorgabendes Herstellers ein Ganzkörperscan durchgeführt. Die Durchführung der Messung und anschließende Segmentierung wurde immer vom gleichen Testleiter durchgeführt. Die Segmentierung der Scans zur Erfassung der ASMM wurde nach Heymsfield et al. (16) durchgeführt.
Die abdominale Region zwischen Beckenkamm und Unterkante LWK 1 wurde als abdominale ROI („Region of Interest“) definiert. Die einmal gewählten Einstellungen/Person wurden bei der folgenden Aufnahme automatisch über den neuen Scan gelegt, konnten aber bspw. bei veränderter Lagerung des Probanden nachjustiert werden. Höhe und Breite der abdominalen ROI blieb bei den nachfolgenden Messungen unverändert eingestellt.
Fragebogen:
Soziodemographische Faktoren, Ernährungsgewohnheiten, Erkrankungen, Risikofaktoren und die körperliche Aktivität der Teilnehmer wurden mittels Fragebogen erfasst. Schmerzhäufigkeit und –intensität an verschiedenen Skelettregionen (Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule, Lendenwirbelsäule, kleine und große Gelenke) wurde ebenfalls erfasst (17). Der Abschlussfragebogen enthielt zusätzlich einen Abschnitt, in dem Veränderungen beeinflussende Covariate, wie beispielsweise Medikamenteneinnahme, Veränderung der körperlichen Aktivität, der Ernährung oder (neu) auftretende Erkrankungen erfasst wurden. Die Fragebogen wurden bei Abgabe gemeinsam mit dem Testleiter auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft.
Statistische Verfahren
Die formale Fallzahlanalyse der Untersuchung erfolgte auf der Basis des primären Endpunktes „appendikuläre Skelettmuskelmasse“. Zur Berechnung statistischer Kennzahlen wie Mittelwerte, Standardabweichungen oder prozentuale Veränderungen im Verlauf, wurde das Computerprogramm SPSS 19 (SPSS Inc., Chicago IL, USA) verwendet. Die beschreibenden, initialen Werte werden als Mittelwerte mit Standardabweichung angegeben. Die Darstellung der Veränderungen innerhalb der Gruppen nach 14 Wochen erfolgt im Text als relative Veränderung mit Standardabweichung und in der Tabelle als absolute Veränderung mit Standardabweichung, Mittelwert der Differenz mit 95% Konfidenzintervall, Signifikanzniveau und ES. Mittelwertsunterschiede innerhalb der Elektrostimulations- und der Vibrationsgruppe zwischen den beiden Zeitpunkten sowie basale Zwischengruppenunterschiede wurden bei Normalverteilung mit dem t-Test für abhängige Stichproben ansonsten mittels parameterfreiem Wilcoxon-Rank-Test analysiert. Der longitudinale Unterschied zwischen den Gruppen („Effekt“) wurde bei Normalverteilung per Varianzanalyse mit Messwiederholung (Zeit x Gruppe) analysiert. War keine Normalverteilung gegeben, wurden die Unterschiede per parameterfreien Whitney-Mann-U-Test auf der Basis der absoluten Veränderungen analysiert. Ein Signifikanzniveau von p< ,05 wird als signifikant angesehen. Eine a-Fehleradjustierung wurde nicht vorgenommen. Um Effektstärken (ES) zu berechnen, wurde der Test von Cohen (18) herangezogen. In Anlehnung an Cohen gelten Effektstärken von d ≈ 0,2 als „gering“, von d ≈ 0,5 als „moderat“ und von d ≈ 0,8 als „hoch“.
ERGEBNISSE
Compliance, Drop- out und Verletzungen
Abb. 1 zeigt den „Flow-Chart“ für den Studienverlauf. 5 Teilnehmer konnten nicht in die abschließende Auswertung einbezogen werden. Von diesen Personen musste 1 Teilnehmer der WBV- Gruppe aufgrund einer Verletzung die Studie beenden. 1 weiterer Teilnehmer (EMS) musste ausgeschlossen werden, da vorher nicht bekannte kardiale Risikofaktoren über die Eingangsmessung erfasst wurden.
2 Teilnehmer der Vibrationsgruppe wurden „per Protokoll“ aufgrund von Ernährungsumstellungen mit Energierestriktion (<1200 kcal/d) ausgeschlossen. Zusätzlich wurde 1 Teilnehmer der Vibrations-KG aufgrund geringer Compliance (<50% der vorgegebenen Trainingseinheiten) ausgeschlossen. Es konnten damit 13 Teilnehmer der Trainings- (93%) und 10 Teilnehmer (71%) der Kontrollgruppe in die abschließende Analyse eingeschlossen werden.
Die Anwesenheitsrate in der Elektrostimulationsgruppe betrug 78 ± 8% und in der Vibrationsgruppe 74 ± 10%. Während der Trainingseinheiten ereigneten sich keine unerwünschten Effekte. Zusätzlich zeigte sich keine negative Veränderung der erhobenen Schmerzparameter (17).
Primäre und sekundäre Endpunkte
Das abdominale Körperfett (Tab. 5) reduzierte sich in der Elektrostimulationsgruppe sehr signifikant (p=,001) um 6,8 ± 5,4%. In der Kontrollgruppe reduzierte sich dieser Parameter nicht signifikant (p=,330) um 0,9 ± 5,4%. Der Zwischengruppenunterschied zeigte sich als signifikant (p=,004) und die Effektstärke als hoch (d´: 1,33).
In der EMS-Gruppe erhöhte sich die appendikuläre Muskelmasse (Tab. 5) nicht signifikant (p=,066) um 0,8 ± 1,6%. Parallel dazu reduzierte sich die appendikuläre Muskelmasse in der Kontrollgruppe ebenfalls nicht signifikant (p=,173) um -1,1±2,3%. Der Zwischengruppenunterschied für diesen Parameter war signifikant (p=,024), die Effektstärke lag mit d´=0,97 ebenfalls in einem hohen Bereich.
Die Gesamtkörperfettmasse verringerte sich in der EMS-Gruppe um 6,3±5,3% (p=,001) (Tab. 5). In der Kontrollgruppe kam es zu einer leichten (p=,307) Veränderung der Gesamtkörperfettmasse um 1,4 ± 3,9%. Der Zwischengruppenunterschied erwies sich als sehr signifikant (,008) und die Effektstärke als hoch (d´: 1,23).
Der Taillenumfang (Tab. 5) reduzierte sich in der Elektrostimulationsgruppe hochsignifikant (p=,000) um -5,7 ± 1,9%. In der Vibrationsgruppe reduzierte sich dieser Parameter ebenfalls sehr signifikant (p=,006) um -3,2 ± 2,9%. Der Zwischengruppenunterschied war bei hoher Effektstärke (d´: 1,10) auf signifikantem Niveau (p=,023).
DISKUSSION
Die vorliegende Untersuchung erfasst als erste Studie den Effekt eines Ganzkörper-Elektromyostimulations-Trainings auf die Körperzusammensetzung bei älteren Männern mit kardialen Risikofaktoren. Als zentrales Ergebnis unserer randomisierten und teilverblindeten Interventionsstudie zeigten sich jeweils signifikante Effekte bezüglich der abdominalen Fettmasse, der Gesamtkörperfettmasse sowie der appendikulären skeletalen Muskelmasse (ASMM) als Kernkriterium der Sarkopenie (19).
Eine parallele Ansteuerung der Endpunkte (abdominales) Körperfett und Sarkopenie erscheint beim älteren Menschen besonders wichtig. Der Begriff „sarcopenic obesity“ (20, 21) charakterisiert die parallele Entwicklung eines exzessiven Übergewichtes und einer Reduktion der Muskelmasse und Muskelfunktion des betagten Menschen. Nach Zamboni et al. (20) potenzieren sich beide Erkrankungen in ihrer Wirksamkeit auf Morbidität, Mortalität und „Disability“. Somit sollten präventive oder therapeutische Bewegungsprogramme für den älteren Menschen insbesondere mit vorliegenden kardialen Risikofaktoren beide Faktoren gleichermaßen konsequent berücksichtigen. Eine parallele Ansteuerung beider Trainingsziele ist indes nicht ganz trivial. Die überwiegende Anzahl der Untersuchungen bspw. im Bereich „diätetische Gewichtsreduktion“ erzielten neben deutlichen, signifikanten Reduktionen des Körperfettgehaltes auch eine meist signifikante Reduktion der fettfreien Körpermasse (15, 22). Im Gegensatz dazu zeigt ein „körperliches Training“ zwar geringere Effekte auf die Körperfettmasse, dafür aber meist keinen negativen Effekt auf die Muskelmasse (15, 22, 23). Während ein Ausdauertraining in diesem Zusammenhang zu keiner wesentlichen Beeinflussung der Muskelmasse führt, zeigt ein dynamisches Krafttraining an Geräten, bei minimal schwächerem Effekt auf die Körperfettreduktion, meist signifikant positiven Einfluss auf die fettfreie Körpermasse (15, 23).
Inwieweit die adjuvante Ganzkörper- Elektromyostimulation die Effekte unseres kurzandauernden Ausdauer- und unseres Erachtens nach per se unterschwelligen Krafttrainingsprotokolls verstärkt, ist eine für die vorliegende Untersuchung absolut zentrale Frage.
In einer vergleichenden Querschnittsuntersuchung (13), bei der die oben aufgeführten Ausdauer- und Kraftbelastungen in randomisierter Reihenfolge mit und ohne adjuvanter GanzkörperElektromyostimulation durchgeführt wurden, konnten wir für beide Trainingsabschnitte bezüglich Energieumsatz signifikante Effekte zugunsten der EMS-Anwendung nachweisen. So zeigte sich bspw. der Energieverbrauch, erfasst über eine indirekte Kaloriemetrie des Studienkollektivs junger, trainierter Männer, während der Ausdauerbelastung um ca. 15%, während der Kraftbelastung um ca. 20% höher als bei der Methodenvariante ohne begleitende EMS-Applikation. Zusätzlich sollte berücksichtigt werden, dass insbesondere bei intensivem Krafttraining nur ein Bruchteil des tatsächlichen Energieverbrauchs über die indirekte Kaloriemetrie erfasst werden kann. So kann der Beitrag der nicht-mitochondrialen Energiebereitstellung, der insbesondere beim Krafttraining mit hoher Reizintensität eine essentielle Rolle spielt, durch eine Messung der Sauerstoffaufnahme nicht erfasst werden. Robergs et al. (24) ermittelten bei zwei Kraftübungen („Squats“ und „bench-press“) die steady state VO2, Last und Bewegungsumfang und berechneten mittels multipler Regression den Energiebedarf höherer Intensitätsbereiche. Ein Vergleich dieser prädiktiven Daten mit Vergleichsdaten der indirekten Kaloriemetrie zeigte insbesondere für den Intensitätsbereich über 65% 1RM signifikante Unterschiede mit einem ca. 2,5-3,5fachen höheren Energieumsatz.
Inwieweit die deutlichen positiven Veränderungen der Körperzusammensetzungen hauptursächlich mit dem EMS-induziert erhöhten Energieverbrauch während Belastung oder mit einer Erhöhung des Ruheumsatzes (14) korrespondieren, ist nicht gesichert. Tatsächlich konnten mit einer Ausnahme (25) keine Bewegungsstudien mit vergleichbarer Kohorte und Messtechnik gefunden werden, die ohne gleichzeitige Energierestriktion ähnlich hohe Reduktionen der (abdominalen und Gesamtkörper-) Fettmasse (22, 26) bei grenzwertig signifikantem Zuwachs (p=,066) der appendikulären Muskelmasse bzw. des LBM (vorliegende TEST-II-Studie: p=,034; ES: ,98) erfassten. Hinzu kommt, dass sowohl die Interventionsdauer als auch das Trainingsvolumen der vorliegenden Untersuchung (14 Wochen, ca. 45 min/Woche) deutlich unter Studien mit konventionellen Ausdauer- und Kraftbelastungen liegen (bspw. Stewart et al. (25): 6 Monate, ca. 4h/Woche). Da die Bereitschaft älterer Menschen ohne manifeste Erkrankung eher gering ist, mehrmals je Woche an präventiv ausgerichteten Sportprogrammen teilzunehmen (27), ist eine niedrige „Minimum Effective Dose“ ein klares Erfolgskriterium entsprechender Interventionsmaßnahmen. Zusammenfassend zeigtsich somit, das ein Ganzkörper-Elektrostimulationstraining entgegen früherer auf den Ergebnissen lokaler Muskelstimulation basierenden Einschätzungen (28-31) sowohl den Energieumsatz als auch konsequenterweise den Körperfettgehalt maßgeblich zu beeinflussen vermag. Somit bestätigen diese Daten das Ergebnis unserer Pilotstudie mit postmenopausalen Frauen, bei dem ein EMS Training ebenfalls signifikante Effekte auf die Körperzusammensetzung zeigte (14).
Die vorliegende Untersuchung zeichnet sich durch mehrere Stärken aus:
- Der Evidenzgrad der Untersuchung ist als hoch einzustufen (Evidenzstufe 1a). Nach Jadad et al. (32) werden je nach Bewertung der Verblindungsstrategie 4 von 5 Gütepunkte realisiert, was eine Einordnung in die Gruppe der Studien mit hoher Qualität bedeutet. Eine Verblindung der Untersuchung wurde über die Etablierung einer Vibrations-Kontrollgruppe und auf der Testleiter und Testgehilfen realisiert.
- Das Design der Studie sowie die vorliegende Arbeit orientierten sich bezüglich Vorgehensweise und „Reporting“ konsequent an den Vorgaben des „Revised Consort-Statements“ (33) für randomisierte kontrollierte Untersuchungen.
- Die gewählten Endpunkte konnten mit den gewählten, etablierten Messmethoden („Golden Standard“) valide und reliabel erfasst werden (u.a. (34)). Aufgrund der vergleichsweise hohen Strahlungsdosis wurde allerdings auf eine zusätzliche Computertomographie verzichtet.
- Die vorliegende Untersuchung zeichnet sich durch die Auswahl eines relativ homogenen Kollektivs älterer, untrainierter Männer mit Metabolischem Syndrom (=„subjects at risk“) aus. Covariate wie Alter, Geschlecht, Erkrankungen, Sporttreiben oder sonstige Faktoren beeinflussen die Ergebnisse somit nur marginal (s.u.).
- Weitere Covariate wie Medikation, Krankheiten, Änderungen im Ernährungsverhalten, Lebensstil oder Bindungsparameter, wurden durch eine konsequente Kontrolle über die gesamte Studie hinweg erfasst. Ein Ausschluss von Teilnehmern mit entsprechenden Covariaten erfolgte gemäß Studienprotokoll.
- Die Trainingseinheiten wurden von ausgebildeten Übungsleitern abgehalten und das Trainingsprogramm wurde progressiv gesteigert.
Diesen Stärken stehen naturgemäß auch einige Limitationen der Studie entgegen:
Obwohl insbesondere in Zusammenhang mit einer Randomisierung eine Verblindung aus mehreren Gründen unbedingt nötig erscheint, ist die Auswahl der Trainingsinhalt e bzw. die Gest altung der zugehörigen Belastungsparameter immer diskussionswürdig. Da eine klassische Placebo-Strategie für den Teilnehmer leicht zu durchschauen wäre, wurde versucht, dieses Problem durch Etablierung eines alternativen Trainingsziels für die Kontrollgruppe („Beweglichkeit und Wohlbefinden“) zu lösen. Neben diesem grundsätzlichen Problem der Auswahl des Trainingszieles, sind die Trainingsinhalte sowie die korrespondierenden Belastungsnormativa in diesem Zusammenhang ebenfalls problematisch. Obwohl wir innerhalb der ELVIS (Erlanger Longitudinale Vibrations-Studie)-I und ELVIS-II Studie (35) keine wesentlichen Effekte eines deutlich intensiveren Vibrationstrainings auf die Körperzusammensetzung erfassen konnten, besteht bei basal wenig trainierten Männern die Möglichkeit, dass die Intervention trotz niedriger Reizhöhe und niedrigem Trainingsvolumen physiologische Anpassungserscheinungen auslöste. Eine entsprechend leichte Verzerrung führt jedoch in diesem Zusammenhang zu niedrigeren Effekten und trägt somit zu einer vorsichtigeren Interpretation unserer Ergebnisse bei.
Die Firma miha bodytec stellte die Elektrostimulationswesten zur Verfügung. Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine.
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PD. Dr. Wolfgang Kemmler
Institut für Medizinische Physik
Friedrich-Alexander Universität Erlangen
Henkestrasse 91
91054 Erlangen
E-Mail: wolfgang.kemmler@imp.uni-erlangen.de