Sportmedizin
EDITORIAL

Fetal Programming – ein Thema für die Sportmedizin?

Fetal Programming – relevant for Sports Medicine?

Die  Wiege  eines  Teils  der  heute  zunehmenden  Zivilisationserkrankungen  liegt  nach  der  Theorie  des  „Fetal  Programming" im wahrsten Sinn des Wortes im Mutterleib begründet: hier erfolgt bereits die erste Prägung für das Auftreten späterer Erkrankungen des Herzkreislaufsystems, des Stoffwechsels und aus dem psychiatrischen Formenkreis. Unabhängig von Einflüssen nach der Geburt unterliegen  viele  Krankheitsbilder  dem  vorgeburtlichen  „intrauterinen  Milieu“;  fetale  Adaptionen  an  ein  verändertes  vaskuläres, metabolisches oder endokrines maternales „Milieu“ tragen zu einer dauerhaften  funktionellen  und  strukturellen  Schädigung  der  Organe bis hinein ins Erwachsenenleben bei.
Diese  nach  einem  der  ersten  Beschreiber  benannte  Barker Hypothese  findet  inzwischen  Bestätigung  aus  zahlreichen  Forschungsergebnissen:  so  ist  nicht  nur  eine  direkte  Beziehung  zwischen einem relativ hohen Geburtsgewicht („large for gestational age  baby“)  und  dem  im  späteren  Leben  gemessenen  BMI  nachgewiesen  worden.  Zusätzlich  scheint  auch  ein  zu  geringes  Geburtsgewicht („small for gestational age baby“) mit einer späteren zentralen Adipositas und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden zu sein.
Die  Ursachen  für  diese  Beobachtungen  sind  im  Einzelnen noch nicht geklärt. Neben einer Vielzahl epidemiologischer Assoziationsstudien sind inzwischen experimentelle Modelle existent, die  maternale  Protein-Restriktion,  Steroidexposition  oder  Veränderungen bei der Aufnahme von Eisen, Retinolen oder Steroiden als einflussreiche Agentien in der Schwangerschaft ansehen.
Hierdurch wird möglicherweise die fetale Achse zwischen Hypothalamus, Hypophyse und Nebennieren beeinflusst, Nephro- und Vaskulogenese direkt alteriert oder Veränderungen der perinatalen NO-Balance getriggert, die z.B. vielleicht für die spätere Entwicklung einer arteriellen Hypertension verantwortlich zeichnen könnten.
Aus  klinischer  Sicht  ist  der  sogenannte  Hyperglykämie-Hyperinsulinämie-Pathway  bekannt,  der  erklärt,  warum  Kinder  diabetischer Mütter ein höheres Geburtsgewicht aufweisen. Noch im Alter von 14 bis 17 Jahren weisen diese Kinder diabetischer Mütter im Schnitt auch einen deutlich höheren mittleren BMI gegenüber Kontrollkollektiven auf:
Diese  Problematik  tritt  in  westlichen  Ländern  aufgrund  der immer älter werdenden Erstgebärenden immer häufiger auf: knapp 10 % der Schwangerschaften weisen derzeit einen Gestationsdiabetes mit den oben skizzierten Folgen und der Geburt eines „large for date baby“ auf. Ältere Schwangere neigen aber auch zu Insuffizienzen des plazentaren Systems mit dem Risiko einer intrauterinen Mangelernährung  und  der  Geburt  eines  relativ  kleinen  Kindes („small  for  gestational  age  baby“).  Auch  Raucherinnen  zählen  zu letztgenanntem Risikokollektiv.
Die weltweit zunehmende Epidemie von Adipositas und Übergewicht erhält angesichts dieser zu erwartenden Steigerung pathologischer intrauteriner Programmierung eine neue Dimension.
Die durch permanentes malprogramming des neuroendoimmunologischen Systems perinatal erworbene Disposition für Adipositas,  Diabetes  oder  metabolisches Syndrom bedarf höchster Anstrengungen  im  Bereich  der primären Prävention.
Nicht  nur  unsere  genetischen Profile determinieren unser Krankheitspotential, sondern Umgebungsbedingungen im sehr frühen  intrauterinen  Leben.  Diese  sind  durch  körperliche  Aktivität  bereits  vor  der  Konzeption positiv beeinflussbar.
Unsere Bemühungen sollten also  darauf  zielen,  die  Bedeutung  gesunder  Lebensführung hinsichtlich  Ernährung  und  Bewegung Jugendlichen und insbesondere jungen Frauen vor der Familiengründungsphase nahezubringen. Hier kommt der Sportmedizin eine bedeutsame Rolle zu.

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